Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

olgte sinngemäß eine Gruppe singender Fußgänger, Mädchen und 
Suͤrschen (Abbildung 2), und nun das Glanzstüch, der Brautwagen 
Abbüdung 83), mit dem prächtig geschmückten Paar und dem 
röhlichen Gefolge der Gäste⸗ den Sommer schilderten ein „Gang 
ns Feld“, ein Vesperwagen und der Wagen der Schnitter; mit 
der Schafschur ging es dann dem Herbst entgegen, der durch einen 
ehr schönen Erntewagen, einen Pflug. Sãeleute, eine Jagd. und 
eine Kirmesgruppe vielseitig charabterisiert wurde; den Winter 
ellten dann die Spinnstube, ein Webstuhl und eine Holzmãcher · 
jruppe dar. An diesen aus insgesamt achtzehn lebenden Bildern 
estehenden Hauptteil des Festzuges schloßen sich zwei weitere, von 
Musik begleitete Teile von insgesamt achtunddreißig Gruppen der 
Serufsberbände, hier- 
»ei der Wagen der 
Schornsteinfeger (Abb. 
), einzelner Firmen und 
der Vereine. unter 
denen besonders der 
Kriegerverein zu Fuß 
und zu Pferd in alter 
Uniform, zwei Reiter- 
oereine und ein Rad⸗ 
ahrerverein die Auf⸗- 
nerbsambeit fesselten. 
Ein reges Leben 
hatte sich inzwischen auf 
dem Festplatz entfal- 
tet, das sich auf die 
Kestaurationszelte, die 
Schaubuden und Karus⸗ 
jels verteilte, vor allem 
iber auch um die Tanz- 
lãchen schwärmte, wo 
der mit allgemeiner 
Ungeduld erwartete 
Schwäãlmer Tanz vor 
ich gehen sollte. Er 
ließ natürlich etwas auf 
ich warten, die Sprödig⸗ 
beit der echten Schwäl⸗ 
ner denFremden gegen- Treysaer Trachtenfest. Abb. 5: X Minister Dr. Stresemann 
iber mochte sich auch 
dier nicht ganz verleugnen. Aber es hatte sich dann auch gelohnt, 
ju warten, Kachdem ein Tusch den Beginn der Tänze verkündet 
hatte, schob sich ein schier beängstigendes Gedränge um den Tanz- 
olatz zusammen, und selbst auf, der Musikantenbũhne drängte 
ich das Publikum; denn hier gab es etwas zu sehen, was viel⸗ 
leicht nur einmal in einem Menschenleben, das in der Schwalm 
ur gastiert, sichtbar wird — in großem Stil die kulturell höchst 
gesteigerte Verlautbarung eines noch lebendigen Elementes deutscher 
Oolbsart. And in der Tat — er wurde getanzt, der „Sch wälmer“, 
an dem schließlich zwölf oder gar mehr junge Paare beteiligt 
paren (siehe Abbildung), ein rhythmisch einprägsjam gegliederter, in 
VDom Pulsschlag der Heimat. 
Schickjal ist auf allen Wegen, und der Schluß der Geschichte ist der 
Tod des Hermanus im Krieg, und jeine letzßlen Worte vorm Ster⸗ 
ben sind: ... ich habe den Orlog nicht gewollt, und jetzt sterbe 
ich im Orlog....“ — 
Die hoch- und nliederdeutschen Bauern in Gũdafrika haben 
—EO0——— Wege⸗- 
nachens“ geũbt. Sie kbonnten es: genug Plaß war da. Wit Hab 
und Gut sͤnd sie drei, viermal vor den langsam nachrückenden 
Englaͤndern „fortgetroblen“. Bis es nicht mehr ging. Da bam 
das perzweifelte Wehren, der sogenannte Burenbrieg. Swar 
siegte“ das starkere England. Aber in Wirblichbeit zeigen uns 
insere Tage, wer der Sieger war: die Bauern! Sie waren 
Sieger in dem Nugenblick, in dem sie nicht mehr „sich aus dem 
Vege machten“, sondern in dem sie kämpften und „besiegt“ wurden. 
Wie aus alten Tagen blingt die Rachricht: ihr Staatshaupt 
ist heute einer der Führer im Orlog — Herßzog. — Daß er 
Her⸗zog, der vor dem Volk Siehende, heißt, ist mehr als ein 
Zufall. — * 
So, da war mir wahrhaftig mein Pferd durchgegangenl! — 
Aber nun habe ich wieder den rechten Pfad. Ich wollte von 
Hans Grimm sprechen und von seinen Büchern: 
1. Sũdafribanische Novellen. 
2. Gang durch den Sand. 
3. Olewagen-Saga. 
estimmten Stellungen wechselnder Wirbel von Farben, in welchem 
Kot, Weiß, Schwärz und Gold überwogen, eine Wahrnehmung 
r Auge und Ohr, die sich wie ein geistiger KRausch ũber das 
Empfinden des Suschauers legte und ihn nicht eher losließ, als bis 
er letzte Ton verklungen war. In der Menge, die sich, dicht 
jedrängt, diesem einzigartigen, mehrfach wiederholten Schauspiel 
ingab, waren bebannte Persönlichkeiten zu bemerben, darunter 
ie hejsijchen Heimatdichter J. H. Schwalm, der Sammler, von 
dobumenten der Schwãlmer Mundart, und Bernhard Schorbach, 
er Lyriber hinterm Pflug; viel beachtet wurde ⸗uch der Keichs- 
ußenminister De. Stresemann, der qus Wildungen eigens nach 
krehsa herũbergelommen war. um sich die Gelegenheit, ein Stück 
echten deutschen Heimat 
lebens bennen zu lernen, 
aicht entgehen zu lassen. 
Mit den Schwäl⸗ 
mer Tänzen war natür⸗ 
lich der Höhepunkt der 
Festlichkeit erreicht, denn 
sie waren ohne Sweifel 
das Wertvollste, was 
Treysa nach Lage der 
Dinge zu bieten hatte, 
und, vom Standpunkt 
des fremden Besuchers 
ius gesehen, Seltenste. 
Was danach kam, war 
gewißunterhaltsam, aber 
nicht ũbermäßig origi- 
nell: abermals sportliche 
Darbietungen, Kummel 
und allgemeiner Tanz. 
Am Montag fand dann, 
wie in Siegenhain bei 
der Salatkirmes, ein 
Kehraus statt mit Feuer⸗ 
wehrũbung, Frũhschop⸗ 
den, humoristischem Um- 
zug und Rückbehr zum 
Festplatz, wo das Feiern 
Einheimischer weiter⸗ 
. ging, bis auch ihm das 
unbermeidliche Stüũndlein geschlagen hatte. 
Das Trachtenfest in Trebsa war nach alledem ein Beweis 
dafũr, daß deutsches DRolkstum, wo sichs, wie in der Schwalm, 
nach alter Weise bis auf den heutigen Tag erhalten hat, fähig ist, 
den gleichmacherischen Bestrebungen der neuen Seit Trotz zu bieten. 
Trehsa hat sich aljo durch diese Veranstaltung ein dankbares 
Frinnern gesichert bei allen, die das Trachtenfest nicht nur mit 
en Sinnen, jondern auch mit den Gedankben erlebt haben. Denn 
hnen ijst das tröstliche Gefũhl zuteil geworden, daß das deutsche 
dolb in sich selber noch genug urhafte Kräfte birgt, die ihm eine Ge— 
undung und Wiederaufrichtung aus eigener Lebensfülle gewährleisten. 
Hans Grimm—. 
Es gibt an drei verschiedenen Seiten des Reiches absterbende 
Körperteile. — Sie wollen absterben. Denn sie haben Angst, 
die eiesenhaften Bewegungen des mütterlichen Leibes mitzumachen, 
ind sie mũühen sich Lrampfhaft, Verbindungen ganz zu lösen, die 
jhnen natürlich und die ihnen zum Weiterleben nötig sind. Noch 
ijt die Söjung nicht ganz gelungen, und sie „leben“ also noch so dahin. 
Da sind 3. B. die Niederlande. 
Dies Nieder-Land — schon sein Name zeigt, daß es Teil 
eines Ganzen ist — trennte sich einst äußerlich vom Reich. Es 
war ein bräftiges Kind der Mutter, und es nutzte seine Kräfte 
fleißig durch zwei Jahrhunderte. Dann wurde es reich und fett. 
Es Lam die Erstarrung, der Sustand, der dem Tode vorangehlt 
und in dem das Land heute „lebt“. — Die Adern sind abgebunden 
nach dem Herzen hin, das im Reiche schlägt. Und wo die Adern 
nach außen offen liegen, kommt eine schandbare Mischung zu⸗ 
stande. — Geh durch die Straßen des Haags und Amsterdams, 
dann wird die die Schande offenbar werden. — 
An die Grundsäße dieses Staates wurde ich erinnert, als ich 
die „OlewagenSaga“ Hans Grimms las. 
Da ist der Held Hermanus Olewagen. Er bindet seine 
Adern näch allen Selten ab. Er will allem aus dem Wege 
gehen: ..,wir machen uns aus dem Wege“.... Aber das
	        
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