Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

hn grüßen, den Strick! Und die Base 
Lene soll er nicht gar zu lange mehr warten 
assen, der Angut!“ 
Und kichernd bückt sich die Greisin 
hon neuem über die Arbeit. — — —— 
In halber Dunbelheit hatte der 
Schreiber die letzten Keihen in einem 
Zuge schnell heruntergeschrieben. Wie 
aus einem Traume wachte er dann auf, 
iAls er mit einer ganz unbewußten Be— 
vegung die Brille heruntergenommen, sie 
ganz achtlos auf den Tisch geschleudert 
hatte, und die Feder war dann sofort mit 
iner eigentümlichen Bewegung aus seiner 
Hand gerutscht, mit einem leisen Klatsch 
auf das Papier gefallen, über die glatte 
Fläche hinuntergerollt und lag nun, als 
ätte sie sich vor weiterer Drangsalierung 
geborgen, hinter dem Papierstoß. 
Der Schreiber aber saß wie eine 
Maschine, für die ganz plötzlich die An— 
triebskraft ausgeblieben war. Die Hände 
ruhten ũbereinander gelegt vor der fertigen 
Arbeit. Der Kücken war noch mehr gebeugt als sonst. Es 
chien, als sei der ganze Körper ein wenig zusammengeschrumpft. 
Die Augen aber waren weit weg aus dem Stübchen. 
Glockenklänge kamen von irgendwoher über die Dächer 
gjeslogen. Der Einsame hörte sie nicht. Tiefer unten 
chlug eine Tür mit dumpfem Laut in ihr Schloß, daß das 
Ztũbchen zitterte. Keine Linie bewegte sich an dem stillen 
Träumer. Eingeschlafen wie die Bewegungen waren aber 
juch seine Gedanken. Kein Wunsch glomm auf, auch nicht ein 
ʒchimmer von Befriedigung frohlockte in ihm. Aber auch noch 
ücht um eine geringe Kleinigkbeit ging seĩn Herzschlag schneller. 
Sis dann auf einmal nebenan Schritte schwer schlurften, eĩn 
Dochen gegen die dünne Wand als aufmunterndes Signal 
ʒerüberschallte. Da wachte der Alte auf aus seinem Traum. 
fin wenig verstört blickte er um sich. Eine leise Bewegung 
der Kechken, als suche sie die gewohnte Feder. Dann fiel 
ein Blick auf seine Arbeit. 
Treysaer Trachtenfest. Abb.1 
Hofphotograph Eberth, Cahsjel 
der Verbrecher zögert auf dem ersten Gange zum Diebes 
geschäft, so greift die Greisenhand zitternd nach der Lalten 
des Jünglings. Es reißt sie auf halbem Weg ein Schrecken 
zurück. 
Es geistert ein irres Lachen durch den jonnenerfüllten 
Kaum. , Was? — Du weigerst mir sie? — Kecht hast 
du, Jungel Einem Mörder gibt man die Hand nicht!“ 
Vut flackert auf. „Du mußt, du mußt! Soll ich dich zwingen?“ 
Anheimlich zischen die Töne. And dann brichts los 
wie ein Wetter⸗ „Heraus die Hand, Bubel — Noch bin 
ich der Meisterl — Angehorsam? — Her damit! Ich 
vill dir zeigen — —.“ Duf zuckt die glühende Hand, die 
Todesbälte erschreckte. Schwer fällt der Arm zur Seite 
nieder. Die zitternden Finger streifen die Tasche, fühlen 
— gedankbenlos drin versenkte. 
Ein Lachen voll Glück. Fritzl — Halt! — Langsam, lang- 
jam, Lieberl — Gleich geh ich mit! — Wir wandern zu— 
ammen, Gesellel — Laß dem alten Toren 
eine Hand! — Feinsliebchen, leb wohl! 
— Frei ist der Burschl“ 
Dumpf bracht die Waffe. Einen 
Aleinen Augenblick noch ragt die Hünen- 
gestalt des alten Weisters steil in die 
Luft. Ein liebes Lächeln. „Jetzt die 
Hand, Fritzl — Wir wandern zusammenl“ 
Und im Kiedersinken faßt er mit letzter 
Kraft die Kechte des Lieblings. 
AUnd dann bricht die Sonne alles 
bergoldend ein und büßt die Opfer ihrer 
Enttäuschung. 
Jahraus, jahrein sitzt ein gebücktes 
Veiblein vor dem Kosenhäuslein im alten 
Sessel. Welbe, zitternde Hände klappern 
mit den Nadeln des Strickzeuges. Doch ist 
er erste Strumpf immer noch zu vollenden. 
Kommt ein Wanderbursch des Wegs, 
dann lacht's schelmisch auf in den alten 
Augen. 
„Hast du den Fritz nicht gesehen auf 
der Wanderschaft draußen? Sag, ich laß 
Treysaer Trachtenfest. Abb.2 
Hofphotograph Eberth, Cassel 
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