hervorschießen und sich wie stahlblaue Pfeile in die Lüfte schnellen.
Den Kindern war es eine seltsame und freudig bestaunte Ent—
deckung, zu sehen, daß Schwalben in der Erde wohnen. Wir
traten an den Kand der Grube und zählten in der hohen Wand
65 Fluglocher, breisrund und etwas größer als der von Daumen
und Seigefinger eines Mannes umschlossene Ring. Dicht neben⸗
einander lagen die Löcher, die tief in die Erde gingen. Mitunter
schienen zwei zu einem Nest zu führen.
Hoch über uns breiste das scheue Schwalbenvoll. Kein
Schwälbchen flog mehr ein noch aus. In einer Entfernung von
20 bis 30 Schritten ließen wir uns unterhalb der Niststätten am
jenseitigen Wegrain nieder, um die Tierchen zu beobachten. Der
Schwarm der Segler senbte sich allmählich und flog nun oberhalb
der Grube dicht ũüber der Erde hin. Jeßt wagte es eine bühne
Schwalbe, flog herzu, faltete blitzgeschwind die Schwingen, schoß
in ihr Flugloch hinein und war verschwunden. Sehn andere
folgten ihr, jede zu ihrem eignen Nest. Ansere Blicke blieben
auf die befahrenen Stollen geheftet, bis der geflügelte Bergmann
wieder zu Tage fuhr. Es war ein reizendes Spiel der Natur,
dem wir wohl eine halbe Stunde lang zuschauten. Nahten wir
uns leise, so verließen auch die letzten ihre Nisthöhlen und schwirrten
und irrten mit ihren beschwingten Genossen in demselben begrenzten
Luftraum umher. Nahmen wir unseren entfernteren Beobachtungs-
platz wieder ein, so Lamen auch sie wieder herzu und juchten ihre
Nester in der Erde auf, die unter der Lehmschicht vor Näjsse geschützt
waren.
Durch ein nicht alltägliches Erlebnis bereichert, verließen wir
die Kolonie der Uferschwalben unweit des Mosenberges und
wanderten durch Ahrenruch und Heuduft heimwärts.
Der Dorfteich.
VDon De. Werner Sunbel, Marburg (H.).
SZwei Dinge üben auf das kindliche Gemüt, das der Natur
gegenübertritt, besonderen Keiz aus: das Leben und das Wasser.
Beide regen durch Bewegung und Beweglichbeit zum Spielen und
—AEX
Spieltrieb und erwachender Forschungsdrang sich in der heimischen
Natur dort zuerst betätigen, wo Leben und Wasser vereinigt sind
in einem von Pflanzen bewachjenen und Tieren bevölkerten Gewässer.
Es wird wohl manchem so gehen wie mie, daß er seine Naturbe⸗
obachterlaufbahn weit in die Kindheit zurũckverfolgen kann und
sich da auch eines bleinen Dorfteiches erinnert, wie sie früher ũberall
zu finden waren und für die kbindlichen „Naturforscher“ wahre
Fundgruben von unerschöpflichen Herelichbeiten darstellten. Und
cinst hat es auch bei den Städten kleine Teiche gegeben, die der
Stadtjugend einen Tummelplatz für ihre plantschenden Beine und
ihren auf Abenteuer und Entdeckungen gerichteten Sinn boten.
VDon einem solchen hat unser Hermann Löns so anschaulich erzählt
in seiner Skizze „Die Forscher“:
„Schon seit langem hatten sie sich vorgenommen, die in
zoologischer Beziehung so ergiebigen Försterteiche einer genauen
Untersuchung zu unterziehen. Sie wußten zwar, daß schon vor
ihnen bedeutende Leute, z. B. ihre eigenen VBäter, Groß-,
Argroß- usw. Däter und die Onkbels väterlicher- und mütterlicher⸗
seits ebenfalls die Tierwelt jener berühmten Binnengewäjsser
zwijchen der großen Savanne, Exerzierplatz genannt, und dem
undurchdringlichen, von feindlichen Stämmen bevölkberten Urwald,
jo sich Stadtwald nennt, mit großem Eifer erforscht hatten...“
Die Schilderung der Gegenstände, die zur wissenschaftlichen Aus-
rüstung der Expedition dienten, ist auch böstlich: Marbtnetz, ein
etwas gesprungenes Einmachglas, eine lange Stange, Umhänge—
tasche und sogar ein richtiges Fangnetz. Wir hören dann von den
mancherlei Un- und Swischenfällen, von den stechenden Wasserwanzen,
dem zerbrochenen Glas, verlorener Beute und ihrem Ersaß durch
neuen Fang, ein munteres Kinderleben und Treiben, das durch
inmittelbaren Umgang mit der Natur Einblicke in das Leben der
eimischen Natur gewinnt, die fester im Herzen und Verstand
aften bleiben als manche gelehrte Schulweisheit. All dies
ẽeleben bringt, bzw. brachte die jungen Menschen der Natur und
heimat nahe auf eine Weise, die von der Betrachtungsweise des
Fewachsenen, besonders des Bauern, noch ganz verschieden ist;
enn dieser läßt sich bei seiner Stellungnahme zur Natur und ihren
seschöpfen in so ausgesprochenem Maße von den Begriffen der
düßzlichkeit und des Vorteils leiten, daß er fast nie mehr zu der
daturbetrachtung kommt, die wir Naturfreunde und Schützer selbst
iben und in anderen wecken und stärken wollen. Der in der Jugend,
uch der Landjugend, lebende Drang zur Naturbeobachtung ist die
ßrundlage, auf der wir Naturschutzverständnis auch dort pflegen
önnen und müssen, wo der Gedankbe des Naturschutzes bisher am
hwersten Eingang fand: auf dem Land und in den bleinen Städten.
diesen Drang zur Naturbeobachtung, wie ihn Löns in der Plauderei
Die Forscher“ so lebenswahr schildert, gilt es zu erhalten und
zurch ein verständnisvolles und bluges Leiten zu einem Grund-
feiler in der gefestigten Weltanschauung zu machen, auf dem auch
ie Liebe zur Heimatnatur, auf dem auch der Naturschut beruht.
— — Aber! — Ja, ein Einwand drängt sich auch mir
jleich auf: wo hat die Dorf- und Kleinstadt Jugend von heute
ioch einen solchen Teich, in dem schon „VDäter, Groß-. Urgroß-
ijw. VDäter“ fischten? —
Die bleinen Teiche, die früher als Wasserbehälter dienten, um
»ei Feuersbrünsten den Brand löschen zu helfen, verloren diejse
rablijche Bedeutung, als jedes Dorf seine Wasserleitung bekam;
iuch die Verwendung der Teiche für die Flachsbearbeitung und
ur Reinigung der Schafe vor der Schur bommt für die Florstrumpf-
Hegenwart, in der die Schafzucht in demselben Maße abnimmt, in
em der „Mode“ genannte Herden-Trieb der Leute dumme Formen
mnimmt, zurũckgeht, kLaum noch in Betracht. Deshalb fielen zum
keil schon vor dem Keieg. meist aber in diesem an Absonderlich-
eiten bejonders reichen Abschnitt der Geschichte, neben manchem
nderen schönen Fleckchen heimischer Erde unsere Dorfteiche dem
Bodenkultur“Fanatismus zum Opfer, dessen Kultjymbol die
Steckrüber unseligen Andenbens ist. Die trockengelegten Teiche
hyurden also (chlechte) Gärten und Acker oder aber ein Stück
Wüũste“, das heutzutage auch nirgends fehlen darf, ein Fußballplaßz;
enn auch der Fußball ist ein Götze unserer Seit.
Mit den vernichteten Teichen ist zweierlei verloren gegangen:
rstens eine (vielleicht die beste) Gelegenheit zur Naturbeobachtung
ir die Jugend, zweitens ein (in vielen Gegenden leßter) Sufluchtsort
ũr die von der menschlichen Bodenkbultur schwer bedrängte Tier—
ind Pflanzenwelt unserer Binnengewässer. Beides bedeutet einen
etrãächtlichen Schaden für die Sache des Natur- und Heimatschutzes,
vobei es nicht leicht zu entscheiden ist, welcher Punbt mehr ins
ßewicht fällt. Jedenfalls darf, wie ich eingangs betonte, die Tat-
ache nicht außer acht gelassen werden, daß ein Dorfteich als eine
zjute naturkundliche Schule jür die Kinder auch zZum Ausgangs-
»unkt ländlichen und volkstümlichen Naturschutzes werden Lbann.
Ddaß manche Tiere (z. B. Molcho) aus vielen Gegenden ũberhaupt
erschwinden, sollte zudem schon genügen, uns für Erhaltung der
och bestehenden Gewässer eintreten zu lassen. Dann aber halte
h die Anlage neuer stehender Gewässer im Sinne des Natur—
hutzes ebenso wie des naturbundlichen Unterrichtes (wie jeder
Det einen Schulgarten haben sollte, so dürfte auch ein Schulteich,
oenigstens ein bleiner, nicht fehlenl) für nicht minder notwendig
vie die Schaffung von Nistgehölzen für Kleinvögel. Am besten
bäre es, einen bleinen Weiher mit allerlei Bäumen und Gebäsch
zu umgeben und so nicht nur den Lebewesen des Wassers, sondern
iuch den Vögeln in der Luft und dem Getier, das auf der Erde
ind im Gesträuch brlecht und krappelt, einen Sufluchtsort zu bieten;
zer Natur zum Segen, den jungen und den alten Menschen zur
Belehrung und Freude.
VDom Buchertische der Heimat.
Selige Reise. Ein Terzinenkreis. Von Max Bruns.
Oerlegt bei J. C. C. Bruns, Minden i. W.
Im fünfzigsten Jahre seines Lebens legt Max Bruns, unter
den deutschen Syribern der Gegenwart einer der selbständigsten
und zugleich zuchtvollsten, nunmehr ein zweites Versbuch bedeutenden
Umfanges vor. ein Seichen. daß die dichterische Schaffensbraft,
die sich in Wesen und Werb dieses Seitgenossen offenbart, eben
auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit angelangt ist. In jeiner
jormal besonderen Art aber, der energischen Beschränbung des
Ausdrucks vielfältiger Gehalte auf eine einzige Versform, die der
Terzine, führt die „Selige Keise“‘ wiederum zu der Erbenntnis,
daß bei Max Bruns wie bei jedem Lyriker von Länstlerischer
Bedeutung das zyblische Moment, die gestaltende Susammenfassung
es schöpferischen Wollens zu einer einheitlichen Form, zum Ge—
ichtbreis, die Hauptepoche der dichterischen Keife beherrscht. Das
st in diesem Falle um so mehr zu bewundern, als Bruns, gleich-
am „der Phantasie gewaltiges Feuerroß“ reitend, Kaum und Seit
iach allen Dimensionen durchfährt und schier alle denbbaren Tiefen
es menschlichen Gefühls durchmißt, gleichwohl aber in beinem
falle von dem einmal gewählten Ausdrucksmittel, der Terzine,
bweicht, die in Deutschland bisher, von der DantoUÜbertragung
5tefan Georges abgesehen, am vollkommendsten wohl von Rückert
ind Chamisso gehandhabt worden ist. Bruns braucht den Vergleich
nit diesen Dichtern nicht zu scheuen. Seine Terzinen, durch Vobal—