Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

1 
3 
n 
f 
l. 
e 
atmet erleichtert auf, wie's brummt: „Sieht nicht wie ein 
böses Gewissen aus!“ und er und die Feder helfen tapfer 
mit, wie Fritz auf freundliche Mahnung gründlich, wie sich 
das am Wochenende nicht anders gebührt, in dem Durch— 
einander der Werbkstatt schnell Ordnung macht. 
Und fährt zusammen, und die Feder hält inne, wie der 
Junge aus einer Kitze der Hobelbank das Geldstück her— 
auskehrt. 
WMas wird er kun? Der Schreiber hoch droben in seinem 
Mansardenstübchen hängt mit allen Sinnen am Gesicht des 
Suben, und wieder jagt die Feder, daß ihr ja nichts ver⸗ 
loren geht, was der Alte hinter der Stirn des Jungen 
liest. Von Diebstahl. Erinnerung an Oheim, Kettungs- 
haus, Gefängnis. Versucher wispern: Gejsunden! Nicht ge⸗ 
stohlen! Auf Finderlohn Anspruch! Schuld des Meisters, 
leichtsinnig, knauserig, rückt noch nicht einmal die Trinkgeld- 
grojchen heraus, mißtraut, weil er selbst einmal — — —. 
Einen kleinen Monolog hext die Feder hin, ohne nur ein— 
mal zu stocken. Und der Entschluß, der Mutter keine Schande 
zu machen, das Geld abzuliefern, wächst ungezwungen als 
seuchtende Frucht daraus hervor. 
Dann lacht der Schreiber auf über das bleine lustige 
Intermezzo, das hereintanzt, als solle es allen üblen Nach- 
geschmack verjagen. 
„Fritzchenl“ Wie das gute alte Jungferlein schmunzelt! 
„Fritzchenl!“ Wie der Junge köstlich den Stocktauben spielt! 
Fritzl — Taujsend Entschuldigungen, junger Herr, daß eine 
alte Base wieder mal Fritzchen rufen tat!“ And das Altchen 
glänzt übers ganze Gesicht, wie's nun dem Schlingel be⸗ 
liebt, sich mit einem: „Was befiehlt das gnädige Fräulein?“ 
zur VDerfügung zu stellen, bindet ihm die Besorgung der 
Leber zu den Leberspätzle auf die Seele, quiekt auf, ein 
wenig verschämt, richtig beglückt und schließlich ein wenig 
atemlos bei einem Galopp durch die kleine Küche. bei dem 
die Haubenbänder nur so fliegen. 
Ein kleines Gespräch vor dem Warenpalast schnappt 
dann der Schreiber auf. der nicht mehr von dem Jungen 
los bann. 
„— — und der Herr Kejerendar gibt mir gewiß einen 
Fünfziger, wenn ich ihm jetzt den Anzug bringe. Einen 
Augenblick Geduld. Karl, aleich haben wir das schöne 
Such und — —“ 
Der Schreiber sieht einen mit mächtigen Sätzen in die 
Werbstatt zurückjagen, den Fritz, der die Worte auch auf- 
gefangen hat, denkt mit ihm nur immer den einen Satz: 
Sie holen mir mein Buch! Sieht ihn den Fünfziger von 
der Werkbank nehmen, zurückjagen, das Geld auf den Laden- 
tisch legen, die Hand nach dem Büchlein strecken — fährt 
züsammen wie der Junge, wie den von rückwärts ein 
Schlimmes verheißender Saß überfällt: „Leg das Buch fort! 
Hib mir das Geldl — Komm mit!“ 
And noch einmal im Kosenhäuslein die harte, kalte, tiefe 
Stimme: „Pack deine Sachen! — Fort mit dirl — Kannst 
dem Vormund sagen — — —1* 
And die jagenden Gedanken im Kopfe des Jungen: 
VDormund! Keftungshaus! Gefängnisl! Hat den Jung— 
znecht, der heimlich Hafer verkaufte und das Geld beim 
Tanz und den Karten hinauswarf, erbarmungslos dem 
Kichter in die Hände geliefert! 
„— — in meinem Haus sei bein Platz für einen Diebl“ 
Er hört deutlich die Wehmut in der tiefsen Stimme als 
Unterton aus dem Sorn, der Schreiber, den Klang der 
ditteren Enttäujchung, der dem Jungen die heiße Angst 
völlig perdeckt. atmet auf. wie der in seiner Not nach dem 
inzigen Helfer springt, der ihn herausreißen kann aus dem 
Entsetzen, nach Base Lene in der Küche. 
Er sieht den armen Jungen auf den Knien liegen vor 
der alten Freundin, faßt mit ihm nach deren zitternden Händen 
ind jammert mit ihm: „Base, liebe Base Lene, hilf mir 
dochl Hab ganz sicher nicht mehr gewußt, was ich tat! — 
Vollte es wirblich dem Meister gebenl — Mber die zwei 
jungen — der arme Deutsche — die scheußliche Kothaut! 
Nicht ins Kettungshaus! Nicht ins Suchthaus! Eisern ist dem 
dormund sein Herz! — O Base, hilf, hilf mir dies einzige Mall“ 
Dem Schreiber zittern die Hände. Aber die Feder 
agt weiter. Schiefe Keihen. Die Buchstaben verzerrt. 
Vas die Base wohl erst noch überlegen magl Warum sie 
eest umständlich die Haube zurechtrückt! Endlich — sie fährt 
a dem Buben beruhigend über den krausen Kopf. „Es 
st gefährlich, ihm im Sorne entgegenzutreten!“ ängstet es 
ljus ihren Augen. Aber dann muß ich meinen lieben 
jungen hergeben! Wie es hell und ruhig wird in den 
ilten Augen des Weibleins, wie sich blar dort die Gründe 
zum Angriff zusammenschließen! 
Und dann gab die Feder, nun ganz sicher im Strich, 
diesen Angriff wieder. 
„— — und daß du es nur weißt, Gotthold, du. nur 
zu allein trägst die Schuld an allem! Du bist erstaunt? — 
Ver hörte nicht auf meinen Kat, dem Jungen jeine Groschen 
u lasjen, ihn nur zu überwachen, zu behüten, dazu zu er— 
iehen, daß er keine Dummheiten damit macht? Sparen soll 
r lernen/ war deine Antwort. — Eine schöne Methode! 
Nan möchte laut lachenl — Wenn er hobeln lernen soll, 
rcht wahr, schließt du ihm auch den Hobel ein? — Sparen 
ann einer doch nur lernen, wenn er Geld zur freien Der— 
ügung hat. — Brummoe nur: Weiberweisheit! Kecht 
ab' ich dochl Kein Fisch kann schwimmen ohne Wasser, 
ind bein Mensch lernt sparen ohne Geld. — Und noch eins, 
—XV nicht 
ruuch mit allen Fasern an solchen Büchern gehangen? Hast 
zu nicht selbst einmal gesagt: „Der Ernst ist so versessen 
darauf, daß er einen balten Blutes drum umbringen könnte!? 
Imgebracht hat der Fritz keinen. Nur vergessen hat er sich. 
sch glaube ihm, daß er das Geld zurückgeben wollte! 
Aber, daß er es mit ansehen mußte, wie das schöne Buch 
hm verloren ging, daß es ihm fast unter den Händen 
peggerissen wurde, das hat ihm für einen kurzen Augen- 
lick die Besinnung geraubt. — Gotthold, Gotthold, mach 
ich nicht Lünstlich hart! Du liebst ihn doch auch? Siehst 
u, du nickst? — Und nun, Gotthold, nun jaß ich dich 
icher: Sag einmal, hast du nicht einen bleinen Jungen ge⸗ 
annt, dem der Sinn einzig und allein nach einem Sucber⸗ 
ischchen stand? Der seiner Mutter heimlich einen Dreier 
»om Waschtisch nahm, und der die verlockende Leckerei dafür 
aufte? Hat dem die Mutter nicht auch verziehen und seinen 
dersicherungen geglaubt? Ist's möglich, daß jener Junge 
—Goͤtthold hieß er wie dul — als Mann einen andern 
erdammt, dessen dummer Lausbubenstreich um nichts schlechter 
st? — Gotthold, Gotthold. was hätte deine selide Mutter 
etzt getan?“ 
Wie die unermüdliche Feder es mit sicheren Sügen 
iederschreibt, daß der Meister sich still erhebt, erst der SBase 
ꝛene die Hand wortlos streichelt und dann die Klinke 
iederdrückt, da glänzen dem alten Schreiber die Augen. 
Ind er faßt in Gedanken die gute Base, die mit zitternden 
Znien sich in den alten Großvaterstuhl niedergelassen hat, 
eruhigend bei der Hand. And begrüßt mit ihr mit frohem 
ꝛächeln das Paar, das wiedervereint in das Stüblein eintritt. 
ęr bealeitet das Weiblein in die Küche und verhält sich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.