„Dorwärts, Fritzl — Schnickschnack!“ Ein Bauer in
eicher Sonntagstracht war aus dem Schatten getreten.
Den Schmerz über den Abschied schien ihm die polternde
Sfimme verbergen zu wollen und vielleicht auch die Der⸗
egenheit über ungewohnte Worte, die nun doch endlich
gejagt jein mußten. „Hör lieber her! Dein Dormund hat
dir noch ein paar Worte zu sagen. Ich erwarte von dir
in deiner Lehrzeit bei Meister Fries vor allem eins: Achtung
bor fremdem Gut! Einem Ehrlosen bleibt meine Türe ver—
schlossenl Aber die Türe zum Kettungshaus und, wenn's
ein muß, zum Gejfängnis reiß ich ihm auf, so wahr ich der
Schulze von Amerling heiße!“ Weicher wurde der Ton,
»ine hartgearbeitete Hand legte sich wie zum Segen auf des
Jungen Kopf. „Mach deinem Vormund Ehre, mein Junge!
AUnd vergiß nie, daß deine treue Mutter, von allen ver⸗
assen, in schwerer Stunde unter fremden Menschen als
einzige Hoffnung und als gar schwachen Trost nur das Wort
des Schulzen von Amerling mit hinũbernehmen bonnte:
„Ich will mit allen Kräften versuchen, den Buben zum
uchtigen Mann zu erziehen!“ Junge, laß deiner Mutter letzte
Hoffnung nicht zuschanden werden! Die Hand drauf, Fritz!“
Und die Jugend im Jungen ließ den dann gleich wieder
ubeln: „Da könnte ein Dornröschen ja gut verzaubert
liegen im Kosenhäuslein vom Meister Fries! And hätte
ch ein Schwert jetzt, ich wäre ein richtiger Prinz und eilte,
2s zu befreien!“
Den Alten hörte er dann deutlich scherzen: „Wirst auch
ein Dornröschen finden, mein Junge, die alte Sase Lene,
die unserm Meister Fries mustergiltig den Haushalt führt,
eit ein böser Typhus dem jungen Handwerber Weib und
Sohn an einem Tage entriß.“
—XDD Stube ein lustiger
Saß. „Ei, Herer Schulze? — Grüß Gott, junger Meister!
— Base Lene, Base Lene! Ein paar hungrige Wölje!
Knochen herbei und ein wenig was zum Trinkenl — Junge,
hinaus mit dir und befreunde dich mit der tugendsamen
Jungfraul! Lene, ein Feeierl! — Hoppla. Bub, das Ding
var eine Schwelle!“
Und mit dem Jungen staunte dann der Schreiber. Was,
der sollte der „Antikenfries“ sein, dieser Kiese mit den
Bärentatzen, der Mann, dem man nachrühmte, daß die
herrlichsten alten Möbel, die der Zahn der Seit noch so
iehr aus dem Leim gebracht haben mochte, unter seinen
hHänden wieder zur alten Herrlichbeit erstehen würden, daß
den Kenner entzückte, der manchen aber schon zur VDer⸗
weiflung gebracht hatte mit jeiner Weigerung, ihnen zur
Täujschung der Dummen im Lande mit seiner Kunstfertigkeit
zu dienen?
Und die Base Lene beschrieb dann die hurtige Feder,
ils male sie nach dem Leben, und auch das Schnurrbärtchen
war nicht vergesjen in dem runzligen Altjungferngesichtchen,
uind für den lustigen Kleinkrieg, der da von der ersten
Minute anhub, fand sie die entjprechenden lustigen Worte.
And konnte dann nicht schnell genug springen, von dem
»rnsten Gespräch in dem Stübchen noch die wichtigsten Worte
zu erhaschen. „2 — einige Aufklärung über seine Her—
dunft schuldig. Seht, zwölf Jahre sind's her, da finden
meine Knechte vor Tau und Tag eine todmatte Frau vor
der Türe liegen. Sie hatte um Einlaß bitten wollen, um
Unterstützung durch den Ortsschulzen, weil sie fühlte, daß
der Sensenmann ihr nach dem Herzen griff. Und vor der
Türe brach ihr das Kestchen Kraft. Der Aufenthalt in
der kLalten Märzluft war der Todesstoß gewesen. Kaum
gelang 's ihr, mit ein paar abgerissenen Worten noch ihr
Schicksal kundzutun: Leichtsinniger Mann — Diebstahl —
Urkundenfälschung — Suchthaus — Flucht vor der Schande.“
Und dann wie eine Warnung: „Wollt Ihr den Jungen
noch, Meister ?“
Wie der Hammerschlag eines Cyblopen dann der Brumm—
aß: „Erst recht jetzt, Schulzel Oder meint Ihr, dem Fries
ein Stolz stachle den nicht an, dem Amerlinger Schulzen
in wenig nachzuahmen? Ein Wort von Euch und ein
dandschlag haben einer Armen die letzte irdijsche Sorge
jenommen, ihr das Ende leicht gemacht und Euch reicher
uüum einen Sohn!l — Lernt mich den Schulzen von
Amerling bennen!“
Dann fing der Schreiber die tausend Katschläge eines
esorgten Daters noch auf, auch das Lob über den Jungen,
dem die Kunstfertigkeit in den Fingerspitzen drin sitze als
»ine Erbschaft von dem Lumpen, der eineweg aber ein über-
rus geschickter Holzschnitzer gewesen sei. Aber in diesen
fingern kein Geld, nicht den kleinsten Pfennig lassen! Weil
ie das Jucken dann bebämen, die Finger, und weil 's dann
imaufhaltsam die schiefe Ebene hinunterginge!
Gläser klangen. Den Buben sah er strahlen, Base
dene zierlich an ihrem Gläschen nippen und sich gründlich
n den Bengel vergaffen. Das Kosenhäuslein tat beim
Baß des gut gelaunten Meisters richtig wackeln, und dann
ram ein Abschied ohne viele Worte.
Nur ein paar Atemzüge lang saß der Schreiber still
ind sann aus NAugen, die gewiß ganz anderswo als hoch
oben unter dem Dach eines städtischen Mietshauses weilten.
Dann glänzte mit einem Wale die Brille auf, als hätte
jie aus den Sonnenstrahlen heraus einen erhascht, und der
nußte dann durch den Körper in die Feder hineingelaufen
ein. Die kam wieder in die alte Unruhe. Aber es schien
jesmal Tabt darin wie bei leicht gemeistertem Einerlei
einer Arbeit.
Den künftigen Meister begleitete sie durch das erste Jahr
einer Lehrzeit. Den Alten ließ sie staunen über das Wunder
in Geschicklichkeit, das sich da vor ihm auftat, und mit
einem Stolz ließ sie langsam seine Liebe beimen. Die von
er BSase Lene dagegen ließ sie üppig auffschießen, Knaben-
achen als Sonnenschein und da und dort ein Freudentränlein
ils befruchtenden Kegen. Mit vielem Kleinkram tat der
mermüdliche Schreiber beweisen, wie ein einziges Jahr drei
Menschen innig zujammenschmieden kann.
And ein kleines Ereignis ließ die Festigkeit der Liebes⸗
bette prüfen.
Mit dem Jungen stand er zusammen vor den Wunder⸗
errlichkeiten in dem einzigen Fenster des Warenpalastes
des Städtchens. Er hatte leicht niederschreiben, wie der
nurmelte: „Donnerl — — Die Geschichte muß spannend
eins Ob er wohl freikommen wird? Ob die Kothaut,
e über dem blondbärtigen Germanen das Wesser zuckt,
ich wohl zuerst als Freund gestellt hat? — Sonst hätte er
en andern sicher nicht untergekriegt! — Sabra, so ist's!
Falsche Freundschaft“ steht ja oben drüberl — Nur ein
aar Groschen habenl — Wie wollt ich dann schnell das
Buchel holen!“
Der Schreiber muß, ob er will oder nicht, mit dem
Jungen heim in die Werbstatt wandern, und die Feder hält
apfer mit Schritt.
Eine umwölkte Stirn: „Fritz? — Das Fünfzigpfennigstück
auf der Werbbank? Wo ist's? — Solltest Tabaß holen! —
Wo ist das Kraut?“
Eine Bubenstimme, aus allen Indianerhimmeln gerissen.
hackt kurz hin: „Hab nichts gesehen und nichts geholt!“
Herzllopfen bebommt der Schreiber, wie er mißtrauische
Slicke unter buschigen Brauen den Jungen abtasten sieht,
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