Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

„Dorwärts, Fritzl — Schnickschnack!“ Ein Bauer in 
eicher Sonntagstracht war aus dem Schatten getreten. 
Den Schmerz über den Abschied schien ihm die polternde 
Sfimme verbergen zu wollen und vielleicht auch die Der⸗ 
egenheit über ungewohnte Worte, die nun doch endlich 
gejagt jein mußten. „Hör lieber her! Dein Dormund hat 
dir noch ein paar Worte zu sagen. Ich erwarte von dir 
in deiner Lehrzeit bei Meister Fries vor allem eins: Achtung 
bor fremdem Gut! Einem Ehrlosen bleibt meine Türe ver— 
schlossenl Aber die Türe zum Kettungshaus und, wenn's 
ein muß, zum Gejfängnis reiß ich ihm auf, so wahr ich der 
Schulze von Amerling heiße!“ Weicher wurde der Ton, 
»ine hartgearbeitete Hand legte sich wie zum Segen auf des 
Jungen Kopf. „Mach deinem Vormund Ehre, mein Junge! 
AUnd vergiß nie, daß deine treue Mutter, von allen ver⸗ 
assen, in schwerer Stunde unter fremden Menschen als 
einzige Hoffnung und als gar schwachen Trost nur das Wort 
des Schulzen von Amerling mit hinũbernehmen bonnte: 
„Ich will mit allen Kräften versuchen, den Buben zum 
uchtigen Mann zu erziehen!“ Junge, laß deiner Mutter letzte 
Hoffnung nicht zuschanden werden! Die Hand drauf, Fritz!“ 
Und die Jugend im Jungen ließ den dann gleich wieder 
ubeln: „Da könnte ein Dornröschen ja gut verzaubert 
liegen im Kosenhäuslein vom Meister Fries! And hätte 
ch ein Schwert jetzt, ich wäre ein richtiger Prinz und eilte, 
2s zu befreien!“ 
Den Alten hörte er dann deutlich scherzen: „Wirst auch 
ein Dornröschen finden, mein Junge, die alte Sase Lene, 
die unserm Meister Fries mustergiltig den Haushalt führt, 
eit ein böser Typhus dem jungen Handwerber Weib und 
Sohn an einem Tage entriß.“ 
—XDD Stube ein lustiger 
Saß. „Ei, Herer Schulze? — Grüß Gott, junger Meister! 
— Base Lene, Base Lene! Ein paar hungrige Wölje! 
Knochen herbei und ein wenig was zum Trinkenl — Junge, 
hinaus mit dir und befreunde dich mit der tugendsamen 
Jungfraul! Lene, ein Feeierl! — Hoppla. Bub, das Ding 
var eine Schwelle!“ 
Und mit dem Jungen staunte dann der Schreiber. Was, 
der sollte der „Antikenfries“ sein, dieser Kiese mit den 
Bärentatzen, der Mann, dem man nachrühmte, daß die 
herrlichsten alten Möbel, die der Zahn der Seit noch so 
iehr aus dem Leim gebracht haben mochte, unter seinen 
hHänden wieder zur alten Herrlichbeit erstehen würden, daß 
den Kenner entzückte, der manchen aber schon zur VDer⸗ 
weiflung gebracht hatte mit jeiner Weigerung, ihnen zur 
Täujschung der Dummen im Lande mit seiner Kunstfertigkeit 
zu dienen? 
Und die Base Lene beschrieb dann die hurtige Feder, 
ils male sie nach dem Leben, und auch das Schnurrbärtchen 
war nicht vergesjen in dem runzligen Altjungferngesichtchen, 
uind für den lustigen Kleinkrieg, der da von der ersten 
Minute anhub, fand sie die entjprechenden lustigen Worte. 
And konnte dann nicht schnell genug springen, von dem 
»rnsten Gespräch in dem Stübchen noch die wichtigsten Worte 
zu erhaschen. „2 — einige Aufklärung über seine Her— 
dunft schuldig. Seht, zwölf Jahre sind's her, da finden 
meine Knechte vor Tau und Tag eine todmatte Frau vor 
der Türe liegen. Sie hatte um Einlaß bitten wollen, um 
Unterstützung durch den Ortsschulzen, weil sie fühlte, daß 
der Sensenmann ihr nach dem Herzen griff. Und vor der 
Türe brach ihr das Kestchen Kraft. Der Aufenthalt in 
der kLalten Märzluft war der Todesstoß gewesen. Kaum 
gelang 's ihr, mit ein paar abgerissenen Worten noch ihr 
Schicksal kundzutun: Leichtsinniger Mann — Diebstahl — 
Urkundenfälschung — Suchthaus — Flucht vor der Schande.“ 
Und dann wie eine Warnung: „Wollt Ihr den Jungen 
noch, Meister ?“ 
Wie der Hammerschlag eines Cyblopen dann der Brumm— 
aß: „Erst recht jetzt, Schulzel Oder meint Ihr, dem Fries 
ein Stolz stachle den nicht an, dem Amerlinger Schulzen 
in wenig nachzuahmen? Ein Wort von Euch und ein 
dandschlag haben einer Armen die letzte irdijsche Sorge 
jenommen, ihr das Ende leicht gemacht und Euch reicher 
uüum einen Sohn!l — Lernt mich den Schulzen von 
Amerling bennen!“ 
Dann fing der Schreiber die tausend Katschläge eines 
esorgten Daters noch auf, auch das Lob über den Jungen, 
dem die Kunstfertigkeit in den Fingerspitzen drin sitze als 
»ine Erbschaft von dem Lumpen, der eineweg aber ein über- 
rus geschickter Holzschnitzer gewesen sei. Aber in diesen 
fingern kein Geld, nicht den kleinsten Pfennig lassen! Weil 
ie das Jucken dann bebämen, die Finger, und weil 's dann 
imaufhaltsam die schiefe Ebene hinunterginge! 
Gläser klangen. Den Buben sah er strahlen, Base 
dene zierlich an ihrem Gläschen nippen und sich gründlich 
n den Bengel vergaffen. Das Kosenhäuslein tat beim 
Baß des gut gelaunten Meisters richtig wackeln, und dann 
ram ein Abschied ohne viele Worte. 
Nur ein paar Atemzüge lang saß der Schreiber still 
ind sann aus NAugen, die gewiß ganz anderswo als hoch 
oben unter dem Dach eines städtischen Mietshauses weilten. 
Dann glänzte mit einem Wale die Brille auf, als hätte 
jie aus den Sonnenstrahlen heraus einen erhascht, und der 
nußte dann durch den Körper in die Feder hineingelaufen 
ein. Die kam wieder in die alte Unruhe. Aber es schien 
jesmal Tabt darin wie bei leicht gemeistertem Einerlei 
einer Arbeit. 
Den künftigen Meister begleitete sie durch das erste Jahr 
einer Lehrzeit. Den Alten ließ sie staunen über das Wunder 
in Geschicklichkeit, das sich da vor ihm auftat, und mit 
einem Stolz ließ sie langsam seine Liebe beimen. Die von 
er BSase Lene dagegen ließ sie üppig auffschießen, Knaben- 
achen als Sonnenschein und da und dort ein Freudentränlein 
ils befruchtenden Kegen. Mit vielem Kleinkram tat der 
mermüdliche Schreiber beweisen, wie ein einziges Jahr drei 
Menschen innig zujammenschmieden kann. 
And ein kleines Ereignis ließ die Festigkeit der Liebes⸗ 
bette prüfen. 
Mit dem Jungen stand er zusammen vor den Wunder⸗ 
errlichkeiten in dem einzigen Fenster des Warenpalastes 
des Städtchens. Er hatte leicht niederschreiben, wie der 
nurmelte: „Donnerl — — Die Geschichte muß spannend 
eins Ob er wohl freikommen wird? Ob die Kothaut, 
e über dem blondbärtigen Germanen das Wesser zuckt, 
ich wohl zuerst als Freund gestellt hat? — Sonst hätte er 
en andern sicher nicht untergekriegt! — Sabra, so ist's! 
Falsche Freundschaft“ steht ja oben drüberl — Nur ein 
aar Groschen habenl — Wie wollt ich dann schnell das 
Buchel holen!“ 
Der Schreiber muß, ob er will oder nicht, mit dem 
Jungen heim in die Werbstatt wandern, und die Feder hält 
apfer mit Schritt. 
Eine umwölkte Stirn: „Fritz? — Das Fünfzigpfennigstück 
auf der Werbbank? Wo ist's? — Solltest Tabaß holen! — 
Wo ist das Kraut?“ 
Eine Bubenstimme, aus allen Indianerhimmeln gerissen. 
hackt kurz hin: „Hab nichts gesehen und nichts geholt!“ 
Herzllopfen bebommt der Schreiber, wie er mißtrauische 
Slicke unter buschigen Brauen den Jungen abtasten sieht, 
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