Weihespruch
zjür die Jugend- und Wanderherberge Knüll.
Von Heineich Kuppel.
Valtender Gott, der du ewig derselbe bist,
Ailes von dir Erschaffene wandert und wallt,
valit dir vorũber und wechselt jeine Gostalt:
Volken wandern am Himmel zu jeder Frijt;
Sãaume wachsen und streben empor zum Licht,
allen und werden gefällt von Schneebruch und Sturm,
venn fie die mordende Axt nicht niederbricht;
Menjchen glauben zu stehen wie Mauer und Turm
und vergehn doch, wie jene zʒerbröckelt sind —
Menschen sind Halme nur, wehende Halme im Wind;
Masser quellen aus Tiefen und rauschen daher
und versinken im unermeßlichen Meer,
wie die Geschlechter der Vorzeit, von denen wir lejen,
chweigend versanken im dunbeln Abgrund Gewesen.
Alles wandert und wallt vorüber an deinem Gesicht:
Jugend altert, und altes Leben zerbricht,
gibt der Erde den Staub, den gesetzten Soll,
hieder zurũck, wie Geschaffenes muß und soll.
Du, Auwaltender, nur bist ewig unwandeibar!
Vir Menschen sind eine ziehende Pilgerschar,
Lommen und gehn, daß baum eine Spur sich findet,
sqhwinden dahin, wie sernes Abendrot schwindet.
Dennochl Wir irdischen Wanderer bauten dies Haus,
auien 28 hier auf die Höhe, damit es schaue
jber die Wipfel und Weiten ins himmlische Blaue
und sich erhebe ũber die Nied'rung hinaus,
daß es die graue Alltãglichkeit ũberrage
ind uns manches von ewigen Dingen sjage. —
Nachbarlich rauscht hier der Wanderklause der Wald,
pendet belebenden Hauch, von Stimmen durchhallt;
bor den Fenstern spielt lichtgrünes Slãttergold;:
lralte Buchen umschirmen die Herberge hold.
Drũben erglänzt, ein Spiegel des Himmels, der Teich.
Tannenwande umhegen ein stilles Keich;
einjame Wege führen dich weit hinein,
veisen dich, ruhlojses Weltlind, zum wahren Sein.
Haus auf der Höhe, du siehst in jonnigen Weiten
Hessjenlandes Wälderwogen sich breiten.
Haus, bleib uns Kichtpunbt! Lehr' alle Kräfte uns geben
ür das große. gemeinsame deutsche Leben!
Ewiger, nimm deiner Wandrer Haus in Hut!
Schirm' es vor Schaden, bewahr es vor Feuersglut,
chütz es vor unbesonnener Frevlerhand!
Taß es ein Segen werden für Voll und Land!
dange laß es die Hessenheimat sehen!
Taß viele Fuße juchend nach ihm gehen,
und die Herzen laß Frieden finden allhier,
daß sie in heiljamer Stille, im Aufblick zu dir
ich von allem jelbstischen Wejen befreien!
Solchen Wanderern wollen wir. Haus. dich weihen!
Das Haus am Wildsberg—
Von Heineich Ruppel.
Es steht schon festgegründet auf der dauernden Erde, bald
wohnlich und zufluchlgewährend, kein Haus in den Wolken. Und
dennoch: am Tage seiner Weihe, am I. Juni, bonnte es manch
einem Wanderer als ein Haus in den Wolken erscheinen, wobei
nicht an holde, schwanenweiß jchimmernde Sommerwölkchen, sondern
an graue, schwere, vom Wind über die Erde geschleppte pralle
Kegenwolbensacke zu denben ist. Es „iselte“ jchon, als wir von
Kopperhausen her über den Saärberg auf der Höhe ankbamen;
aber unjer hoffnungsfrohes Wanderherz hielt den allmählich ein
etzenden Dauerregen nur für vorübergehendes Mebelgeriejel.
Bleich uns zogen zahlloje Wanderer über die Hochfläche zum
Wildobberg hinüber, um zu dem vom Ortspfarrer zu Schwarzen ·
born unter Mitwirkung des dortigen Posaunenchors gehaltenen
Feldgottesdienstes trotz Beschleunigung des Wanderschrittes leider
hoch zu jpät zu kommen. Nur den Geuß der Posaunen, die den
Holtesdienst beschlossen, vernahmen wir noch in der Nähe.
Der Festausschuß hatte küchtige Arbeit geleistet. den Festplatz
ichön hergerichtet und das zu weihende Haus mit Tannenkraͤnzen
id Gielanden geschmückt. Alles war geschehen, den Tag zu
einem Höhepunkt im Leben der hejsischen Gebirgs⸗ und Wander—
bereine zu machen.
Oen Keigen der Keden eröffnete der Hauptvorsitende des
ZGV, Amtsgerichtsrat Heußner qus Hersfeld. Er benn⸗
eichnete im Anschluß an Hiob 831, 82 (Kein Fremdling brauchte
raußen zu übernachten, ich offnete meine Tũr dem Wandersmann)
das nunmehr der Vollendung entgegengehende AUnternehmen mit
reffenden Worten und wunshte mit einem Hinweis auf die nicht
erade geschmackvolle Benennung der Villa Sorgenfrei“ unter-
ib des Knullböpfchens, daß die Jugend, und Wanderherberge
Znũll nicht das „Haus der grauen Sorge“ genannt werden müsse,
vie schon manchmal zu befuͤrchten gewesen sei. Er begrüßte alle
Erschienenen und dankte jhnen für die Mithilfe bei dem großen
Verbe, besonders den Sehörden, den Vertretern der Kreije
ʒziegenhain, Hersfeld und Homberg, den Oertretern der Städte,
or allem aber dem großzügigen Entgegenkommen der Stadt
ʒchwarzenborn, den Vereinen, dem rũhrigen Festausschuß und
nlen, die durch Wort und Tat mithalfen. Nun trug Bernhard
Andre aus Heesfeld den Weihespruch vor, den wir in der
orliegenden Nummer abdrucken. In Añdres Wiedergabe wurde
as Gedicht zum starken Erlebnis, wuchtig, eindringlich und
virkungsvoil. Dann sprach Kreisbaumeijter Koch, Siegenhain,
Fem die Bauleitung oblag, allen Mitarbeitlern vom Handwerk
einen Dank aus für treue Pflichterfüllung, auch Architekt Siems,
Hersfeld, jür den geschaffenen Entwurf. Glũckiicherweise sei bis
ser bein Anfall eingetreten, mit einer kleinen Ausnahme am
dorabend des Weihetages, die wohl aber nicht ernster Ratur sei.
Im Anschluß daran sprach der Landrat des Kreises Siegen-
»ain als Vertreter des Oberprãsidenten beherzigenswerte Worte.
Nun händigte der Hauptvorsihende dem Herbergsvater, Lehrer
Verner, den Schlüssel des neuen Hauses ein. Er begleitete
ie Schlũselübergabe mit den schönen Worten, die schon in der
Predigt Pfarrer Kitters angeklungen waren: „Freude dem
Zommenden, Friede dem Bleibenden und Segen dem Scheidenden!“
Sodann ergriff Justizrat Wenning aus Cassel das Wort
zur Weiherede, die in würdigen Aussührungen den 4. Juni
ngesichts des nahezu vollendeten Werkes als einen Tag des
Erfoiges und des KRuhmes jür den zahlenmäßig doch nicht starken
Znũllgebirgsverein feierten. Er gab einen Überblick über die ge⸗
chichtliche Entwicklung des Wanderwoesens, bezeichnete das Hoerbergs·
aus als eine Stätte der Jugend, die hier von fröhlicher Mander⸗
ahrt ausruhen und an Leib und Seele genesen joll, und jchloß mit
ꝛinem dreifachen „Frisch auf!“ für den Knullgebirgsverein. Leider
eeinträchtigte der immer stärber einjetzende KRegen den VOerlauf des
vohlvorbereiteten Festaltes, der von gesanglichen und musibalischen
Darbietungen des Hersfelder Qucrtatibercins, der Mitglieder des
ʒweigvereins Wallenstein, der Hersfelder Gymnasialkapelle u. a.
urchsiochten war, und die unaufhaltsam strömende Kegenflut, gegen
ie auch der grimmigste Humor nicht mehr aufkbam, ließ zum Se⸗
auern der heraufgekommenen Knãlibewohner die Uraufführung des
‚on Heinrich Röser gedichteten Festjpiels „Mareilis“ auf einer
Naturbühne im Walde und das anschließend geplante Volkbsfest mit
Feigen der bleinen Schwälmer Madchen in ihrer bunten Tracht,
nit iurnerischen Vorführungen u. dergi. im Sinne des Wortes zu
Vasser werden. Große Wolkbensacke barsten und entleerten sich
n wahren Fluten auf den hohen Knũll. Wie graue Strähnen hingen
zie Kegengühse hernieder. Alle Knũllhasen gingen schleunigst in
hre Sasen unter die Selte, die alten Weidebuchen, in die Tannen-
ickung und in die geöffnete Jugendherberge. Aber das große
Festzelt neigte sich unter der Schwere der niederstürzenden Wahsser⸗
nassen, zumal auch die Zeltstangen sich im durchweichten Boden
ockerten, und mußte gerãumt werden. Nun verließ alles, was Beine,
zahrräder, Motorräder oder gar Autos hatte oder briegen bonnte,
nter wolkbenbruchartigem Regen den vom Wettergott so stiefvãter⸗
ich behandelten Schauplatz der Freignisse, um in den Dörfeen Schutß
u suchen. Damen in lußstigen, dujtigen Kleidchen sahen kaum noch
iftig und duftig aus; zerzaust und feiefend von Näßje, mühten sie
sch auf blitschigen Wegen und zwischen schlammigen Kinnsalen
indurch der Straße entgegen. Kleine ritten auf dem Rücken von
hzaler oͤder Mutter durch die große Sintflut. Gleich einer rettenden
Arche Noah, nur nicht so gerãäumig, standen, an, der Straße
zchtoarzenborn —Seigertshausen drei große Postautos, bis zum
eßten Platz ũberfüllt. Die Insassen schauten geruhsam auf die
‚oͤm Festplaͤß flüũchtenden Wanderer. Hier Bilder zum Jammern,
sort Büder zum Lachen — wie das im Leben ja meist ist. Ich
znisann mich der Goetheschen Strophe:
„Wind und Ströme,
Donner und Hagel
rauschen ihren Weg
und ergreifen,
borũbereilend,
einen um den andern.“
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