Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

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⸗ Eyrwy F 
er,imat&hOollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimathunst 
— Erschei ? atlich. im Vierteljahr. Frũh 
Nr. 13 / 1926 lichan hugeheain dthite ee eee 
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VDagqabundenblut õ 
Osbar Krätzerich war ein böser Junge. Er warf Menschen 
und Hunde mit Steinen, riß das grüne Obst von den Bäumen 
und schlug den Bauern die Fensterscheiben ein. Osbars VDater, 
der Kessel- und Schirmflicker war, prügelte das Bürschchen 
grün und blau. And wenn der Lehrer den bleinen Tauge⸗ 
nichts wieder einmal über den Knieen gehörig abgezogen 
hatte, dann brabbelte er am gleichen Tage ins nächste Hühner⸗ 
haus und soff die Eier aus. 
Als die Kesselflicherleute starben, wurde Oskar vom 
Kornbauern-Hanjer ins Haus genommen. 
„Bürschi“, sagte der zu dem Jungen, hier hast du Arbeit 
und zu essen, und wir zwei sein die einigsten Kerle von der 
Welt; aber wenn du deine Schluppstreiche nicht läßt, dann 
keiegsi du Hick bis dort hinaus. Hast du mich verstanden?“ 
fragte der Bauer und drohte mit der Faust. 
„Ja“, sagte Osbar und stahl zweĩ Tage später auf der 
Oberläwe eine Wurst. 
Um die gleiche Seit fand die Bäuerin in der Scheuer 
zum erstenmal einen Haufen Eierschalen. 
„Wijerabler Satan!“ rief sie aus. „Alleweil hats ge— 
—, VV— 
herum, den Strick zu suchen. Als sie die Küchentür aufklinkte, 
hing Klein-Oskar gerade mit dem Kopf über der Milchbanb. 
— einem Strohhalm suckelte er die Milch unter dem Rahm 
ervor. 
Da drusch die Bäuerin mit ihrem Knüppel drauflos 
wie auf eine Weizengarbe. 
„Autsch, au-au!“ schrie der bleine Teufel und stob wie 
der Wind dabon. Am Abend kbam er nicht wieder und 
dlieb auch am nächsten Tage aus. VDom Orxtsbüttel wurde 
er dann in einem benachbarten Dorfe aufgegriffen und in 
Von Ernst Eimer. 
ine Besserungsanstalt gebracht. Auch dort riß der Schlawizzer 
nus, aber man brachte ihn wieder dahin zurück. — — 
Jahre vergingen, und die Dörfler hatten ihren Osbkar 
ast bergessen. Kam einmal die Kede auf ihn, so wollte der 
eine wissen, er hätte sich briminalisch gebessert. 
„Etz nur einmal langsam,“ sagte ein anderer, „der Spitz 
»ub soll ja schon im Stockhaus gesessen jein.“ Am meisten 
vußte aber der alte Hansel, welcher Krämer und Butter— 
ändler war und oft in der Stadt zu tun hatte. 
Neulich“, so erzählte er, „klopfte mir in Frankfurt einer 
‚on hinten auf die Schulter, und wie ich mich umguck, wars 
nein Osbar. Eijeijei, was Lonnte der erzählen; seinẽ Stellung 
väre noch viel feiner als wie unserem Schulmeister seine, 
ind alles schwätzte er hochdeutsch, und angetan war er wie 
»in Graf. Ja no, dem Kerle blappts, und in der Stadt 
at schon mancher sein Glück gemacht.“ 
Es bann wahr gesein, es bann aber auch Schwindel 
jesein,“ sagte der Kornbauer und spuckte ein Quantum 
Kautabak aus. — — 
Eines Tages sauste mit großem Gopolter, schnell wie 
der leibhaftige Teufel, ein Motorradfahrer ins Dorf. Das 
par der Oskar Krätzerich. Er fuhr mit seinem Kadaubarren 
irekt zum Hofe des Kornbauern hinein. Anscheinend 
vollte er sich diesem einmal in seiner neuen Lebensstellung 
eigen. 
Osbar rumpelte tüchtig an der Türe, aber niemand war 
uu Hause. Uberhaupt schien das ganze Dorf wie aus— 
gestorben. Es war die Seit der Ernte, und alle arbeits⸗ 
ahigen Leute befanden sich auf dem Feld. Der fremde 
Hast dappelte ein Weilchen im Hofe umher, jpähte auf- 
gerksam nach allen Seiten und schob dann seinen Karren
	        
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