deutlich weiß geworden! — fand es unbegreiflich, daß der
boshasfte Sensenmann wieder einmal den dürren Ast über-
jehen und das grünende Keislein abgerissen hatte.
Er nahm den Beiden das Büblein. Den Allten schien
der Schlag härter getroffen zu haben als das arme Weib.
Er hatte bisher sein einfaches Leben so ruhig und zufrieden
durchlebt, daß ein Schicksalssturm ihm leicht für ein Weilchen
das Steuer seines Schiffleins aus der Hand riß. Ein paar
Nachtwachen hatten vorgearbeitet. Die entsetzlich qualvolle
Untätigkeit angesichts der Qualen eines bleinen hilflosen
Geschöpfes, die Schmerzen der Mutter, die man noch zu
den eignen litt, die brachen dem alten Wanne schier Stücke
aus dem Herzen.
Was an kleinen Gängen und Liebesbeweisen zu tun
war, das ließ er sich nicht nehmen. Aber nachher schien
ihm das alles gar nicht erlebt, und wie er dann als einziger
nächster Leidtragender hinter dem bleinen Sarge ging, von
ein paar teilnehmenden Hausbewohnern gefolgt, da war's
—
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seiner Hoffnung zu Grabe.
Ob die Frau den eignen Schmerz in die schwachen Hände
nahm, ihn vor dem Hausgenossen zu verbergen, der ohne-
dies sich Laum noch aufrecht hielt? Sie sprachen nicht viel
miteinander über das Büblein, als folgten sie einer stillen
Verabredung. Sie ließen es zu, daß eins dem andern ohne
Worte eine unbequeme Sache abnahm, als seĩ das der einzig
richtige Trost.
Her Alte trug abends die fertige Wäsche zu den Kunden,
wie erst wieder einmal die Maschine surrend die unheimliche
Stille in der bleinen Stube verscheuchte, die Maschine, die
ein fleißiges Menschenbind nun nur noch mit der Hand
lebendig machen bonnte und die es trotzdem bald wieder bis
zur alten Leistungsfähigkeit in ihren Dienst zwang.
Dann fand der Schreiber eines Tages sein Essen, das
er sich des Abends vorzubochen pflegte, gewärmt vor und
bonnte nun die kleine Mittagspause mit einem Nickerchen
beenden, gewöhnte sich an beides zu seinem Erstaunen leicht
und schnell und übertönte die ersten leisen Vorwürfe ganz
bald mit dem beruhigenden Hinweis an sich selbst, das
Mütterliche an der Frau bleide sie über alles gut, und es
—AV—
And sie habe nun einmal so einen bleinen Eigensinn, wie
der von einem richtigen Weib seit Evas Seiten gar nicht
wegzudenben sei, aber wirklich blein sei er und bleide sie
manchmal noch schöner als die zarteste hellblaue Seide —
dann haderte der Schreiber allemal ein wenig mit seinem
Schöpfer ob der von ihm gelieferten verdrehten Welt — und
gebe er nicht nach, so quäle sich das arme Ding gewißlich
auf seinen gelähmten Füßen in sein Stüblein herüber und
hole sich die verweigerten Töpfe selber.
Nur eins blieb ihm immer wie ein querer Pfahl im
Zufriedenheitsfeld seines simplen Schreibergemüts: daß es
ihm gar nicht gelingen wollte, ihr einmal eine bleine Freude
zu machen.
Ein paar Groschen fanden sich doch immer irgendwo in
einer vergessenen Sparkasse zinslos angelegt vor, sei die nun
die Tasche einer alten abgelegten Weste oder die unergründliche
Tiefe zwischen Futter und Tuch, und das Loch im Säckel
war dann der kunstreiche Eingang zum verschwiegensten aller
Geldsparpaläste.
Selbst dem Büblein hatte er Laum ein paarmal ein halb
Dutzend zarte Plätzchen mitbringen bönnen, da hatte sie ihm
eine Schelte zurechtgemacht, daß er beinahe von sich selber
glauben mußte, er sei der heilloseste aller Verschwender. Dic
Ferlaubnis zu einem kleinen Geschenk am Geburtstag des
sleinen Mannes bam z3war wie eine richtige Abbitte ganz
on selbst. Es legte aber leider der Tod sein Veto ein und
rachte den Schreiber um den käglich gewissenhaft genossenen
dorgeschmack einer bescheidenen Freude, um das frohe Klügeln
nach dem sinnigsten aller Kindergeschenke wie um seine herz-
pärmende Gedankbenmalerei: das Gesicht eines lustig juchzenden
Aeinen Knirpses und das sonnig strahlende einer Jungfrau
Maria voller Gnaden.
Und es wußte der Schreiber selber gar nicht, wie reich
eine Palette mit kböstlichsten Farben versehen war und wie
neisterhaft er die aufteug, täglich sie neu zu neuen KReizen
nijchend. Auch das blieb ihm nur eigentlich ein dumpfes
Hefühl, was in Wirblichbeit ein bitterer Derlust war, daß
Armichen voll des süßesten Lebens sich nicht mehr alltäglich
im den welben Hals ihm legten, Augen, funbelnd im Glanze
zer glücklich gelungenen Äberraschung, ihm die seinen nicht
vieder jugendfroh machten, birschrote Lippen das garstige
Stachelwerk um jeinen alten Mund nicht scheuten und kein
schwälbleinlachen immer wieder neu jedes Eckchen des
onnenhellen Stübleins erfüllte.
So kunstvoll hatte der Schreiber immer gemalt, daß sein
Sildlein in blühendes Leben sich verwandelt hatte unter den
Dinjelstrichen seiner Gedanken, und grad auslachen mußte
er sich dann selbst als einen alten Träumer, wenn er dann
das kleine dumme Menschenküben in dem alten Waschkorb
ob eben dieser köstlichen Dummheit aus großen Augen und
inter überaus wichtigen Bemerbkungen über allerhand Gaben,
io überaus reich unker der Dummheitsdecke sich regten und
ein Sipfelchen ums andere einmal deutlich lüfteten, britisch
ergleichend mit dem Ergebnis seiner Gedanbenarbeit verglich.
Es waren dann am andern Tag noch ein paar Farben mehr
auf seiner Palette.
Und dann woeißte der Verlust ihm mit jedem neuen
Veckruf des Wächters im Hofe ein neues Haar.
Der Versuch, das Geschenblein eigenmächtig in eins für
die Mutter umzuwandeln, mißlang gar bläglich, und nicht
nehr erreichte er, daß die eigensinnige Nachbarin gerade nur
einmnal wie ihm zum Trost an dem überbrachten Weine
mppte und den Sünder dann zwang, die Flasche schön selber
zu leeren. Was dem Leichtsinn eine überaus harte Strafe
ünkte, denn noch einmal blieb ihm ein Vergleich mit einem
Hemälde nun böslich unmöglich gemacht, und er erlebte nicht
elbst eine Hochzeit zu Kana und ein zartes Kosenwunder
an seiner Maria voller Gnaden.
Die Groschen einzuschmuggeln bei den kleinen Einkbäufen,
die man ihm vertrauensvoll zu übertragen geruht hatte,
unterließ er nach dem ersten Versuch. Es schien ihm, als
hätte deutlich ein Mißtrauen in der Frage nach den Preisen
jelegen, und das dumme Herzkblopfen sollte sich nicht mehr
viederholen, das losgebrochen war als Folge eines einʒigen
Slicks. Und aufgeatmet hatte er, wie einer, der sich sagen
nußte, daß er lediglich einem bleinen Sufall es verdankte,
venn sein leichtsinnig Taumeln zum Abgrund nicht ein Ende
jefunden hatte in der abgründigen Tiefe. Eine recht all
ãgliche Sache war dieser Zufall gewesen, ein mehrmaliges
zräftiges Niesen der Besitzerin jenes unbequemen Blickes,
iber er hatte ihm Seit gelassen, hinter eine leidlich geschickte
Masbe sich zu verbriechen und hinter eine bleine Lüge zur
Oerschleierung des schleunigen Rückzugs.
Aber ganz frei von Angsten wurde er dennoch nicht.
Vie, wenn es dem verteufelt gescheiten Ding eines Tages
zlücken sollte, dahinter zu kommen, daß der bleine Sarg ein
Erbleckliches mehr gebostet hatte als die vorgewiesene Kech-
nung aufwies! daß ein paar andere bleine Kechnungen gar