Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Lieder von der Scholle. 
Der Pflüger. 
Das Feld ist leer, der Sommer tot. 
Die Ernte unter Schauer); 
VOVerträumt im ersten Morgenrot 
Geht hinterm Pflug der Bauer. 
Durch Boden, der die Ernte trug 
NMach bestem Tun und Wollen, 
Ziehn Ochsen nun den blanben Pflug 
Durch seine braunen Schollen. 
Kisch weht die graue Morgenluft, 
Die beiden Ochsen stampfen, 
VDon frischer Erde steigt der Duft, 
Und lange Furchen dampfen. 
Die Sonne sinkt, der Bauer hält 
Den Pflugsterz brav und wacker 
Und wenn die letzte Scholle fällt 
Oorläßt er seinen Ackor. 
Heimatscholle. 
Wie lieb ich sie, die heimatliche Schollel — 
Wie hebt sie stolz zum Licht ihr reifend Korn, 
Schmückt sie der Kranz, der farbenbunte, volle 
Aus Feuermohn und blauem Kittersporn! 
Mun schreit' ich wieder zwischen Ackerbreiten 
Auf liebvertrauten, schmalen Pfaden hin, 
Und laß die Halme durch die Finger gleiten. 
Froh wie ein Kind, daß ich zu Hause bin. 
Die Ahren blopfen bosend mir die Wangen: 
Dem gleichen Grund entsproßten du und ich! 
Froh bin ich durch die reiche Flur gegangen. 
Mein Heimatgrund, der Herrgott segne dich! 
Helene Brehm 
Mein Urgroßvater. 
Wenn ich meinen Großvater frag: 
Wer war denn dein Großvater? sag! 
Wie hat sich denn der durchs Leben geschlagen 
In Seiten der Not, in harten Tagen? 
Dann fährt er sich durch das graue Haar, 
Nachdenbend, wer sein Großvater war. 
„Der,“ spricht er, „ist armer Bauer gewesen. 
Hat auf den Feldern noch Ahren gelesen.“ 
„Was weißt du noch mehr, was weißt du mehr? 
„Steine,“ sagt er, „die fuhr er her; 
Es ließ da sein Kurfürst die Landstraße bauen. 
Don Cassel hinunter nach Frankfurts Auen 
Früh ist er gestorben, ich Kkannt ihn kaum, 
Nur sah ich ihn pflanzen manchen Baum. 
Die Leute sagten, er habe im Leben 
Trotz seiner Armut den Armen gegeben. 
Diel ward nicht geerntet zu seiner Seit. 
Er webte sich selbst sein Sonntagsbleid, 
Swei Sonntagsbleider in seinem Leben — 
Das zweite ward ihm ins Grab mitgegeben.“ 
Bernhard Schorbach. 
Fischer⸗Friesenhausen 
Sleib daheim! 
Geh' am Pflug schon manche Jahre. 
Feld hinauf und Feld hinunter. 
Kenn' die Welt und ihren Plunder., 
Welt ist heute schlechte Ware. 
„SBleib in deiner stillen Klause, 
Sleib im Winbkel: schaff und pflüge! 
Draußen ist nur Spott und Lüge, 
Ist's nicht, wie bei dir zu Hause.“ 
Geh' ich täglich durch die Felder, 
Sagen's nickend alle Ahren: 
„Bleib am Pflug! Er bann dich nähren. 
Gib' ihn nicht für Tand und Gelder.“ 
Will am Pflug im Winkel bleiben, 
Ernten will ich schwere Garben, 
Sterben, wo die Däter starben — 
Mögt mir's auf den Grabstein schreiben. 
Hundshausen (Kreis Fritzlar). Bernhard Schorbach? 
Aus altor Soit. 
Wanderjahre. 
Von der Wanderschaft eines Leinwebergesellen wollen die 
jolgenden Seilen erzählen. Johann Adam Mahr, geboren zu 
Sreitenbach am Herzberge am Nobember 1814, hat ein interessantes 
Keijsebuch hinterlassen, dessen Kenntnis ich einem seiner Enkel ver-⸗ 
danke. Was ihn veranlaßte, das Keisebuch anzulegen, das uns 
die Woõglichkeit gibt, seinen Weg heute noch zu verfolgen, teilt er 
selber gewissenhaft auf der ersten Seite mit: „Weil ich durch Er— 
fahrung aufmerksam gemacht worden bin durch einen Tischlergesellen 
namens Jochim Rethwisch aus Kiel, welcher seine Wanderschaft 
bon elf Jahren zu Papier gesetzt hat, wie es ihm gegangen und 
alle Merkwürdigkeiten der Städte indem ich das Reisebuch von 
dem Gesellen zu lejen bekam, so unverhoffterweise bebam ich un⸗ 
geheure Lust, mir auch solches Buch zu errichten, wenn es Gottes 
Wille ist, und ich noch lange lebe. Ich habe zwar die Keise von 
zu Hause bis Preetz nicht aufgeschrieben, aber was ich doch noch 
von der Reije in Obacht genommen, wird sich fernerhin finden.“ 
Wir, aber haben Grund, das Andenben des Tischlergesellen Jochim 
Rethwisch zu segnen. Die Kunde von den Keisen so manches 
anderen Gesellen ist mit ihnen oder bestenfalls mit ihren Kindern 
und Enkbeln zu Grabe getragen. Dies Süchlein bewahrt hoffentlich 
1 auer — .— 92 Ein ij sdi i 
* d — Ein iunger Volksdichter, der hinter dem Pfluge 
ioch für lange Seit, was jein Schreiber auf der Walze erlebt — 
»or bald 100 Jahren; denn er trat seine fünfjährige Wanderschaft 
am 8. Wärz 1836 an. 
Sunächst einmal wundern wir uns, wie weit einst die Gesellen 
zu einer Seit, wo eben die ersten Eisenbahnen gebaut wurden, in 
»er Welt umher gekommen sind. Johann Adam Mahr wanderte, 
im nur die bebannteren Städte zu erwähnen, von Breitenbach 
iber Hersfeld, Cassel, Hann.Münden, Göttingen, Wolfenbüttel, 
SBraunschweig, Hildesheim, Hannover, Bremen, Hamburg-Altonad 
ind Lübeck nach Kiel. Von hier segelte er näch Kopenhagen, 
urchquerte die Insel Seeland über Roesbilde nach Korsör. Don 
ort jetzte er auf, die Insel Fünen über. Auch die wurde durch— 
oandert von Nyborg über Odensen nach Middelfart. Von hier 
us überfuhr er den kleinen Belt nach Jütland. Run ging es nach 
büden ũber Kolding, Hadersleben, Apenrade, Flensburg, Schleswig 
ind Rendsburg zurück nach Lübeck. Nun durch Mecklenburg über 
ↄchwerin, Wismar, Doberan, Kostock, Güstrow, Waren, Neujtrelitz. 
Nach einem Abstecher nach Berlin behrte er nach Waren zurück, 
vo er lange Seit arbeitete, zuletzt gemeinsam mit seinem Bruder 
Johannes. Dann wanderte er abermals über Berlin nun weiter 
iber Brandenburg. Magdeburg, Halberstadt, Wolfenbüttel, Braun— 
chweig, Hannover, hildesheim, Einbeck, Göttingen, Hann.Münden 
iach Cassel. Von hier über Homberg und Schwarzenborn zurüch 
iach Breifenbach. Man verfolge den Wead nur einmal auf dor
	        
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