Lieder von der Scholle.
Der Pflüger.
Das Feld ist leer, der Sommer tot.
Die Ernte unter Schauer);
VOVerträumt im ersten Morgenrot
Geht hinterm Pflug der Bauer.
Durch Boden, der die Ernte trug
NMach bestem Tun und Wollen,
Ziehn Ochsen nun den blanben Pflug
Durch seine braunen Schollen.
Kisch weht die graue Morgenluft,
Die beiden Ochsen stampfen,
VDon frischer Erde steigt der Duft,
Und lange Furchen dampfen.
Die Sonne sinkt, der Bauer hält
Den Pflugsterz brav und wacker
Und wenn die letzte Scholle fällt
Oorläßt er seinen Ackor.
Heimatscholle.
Wie lieb ich sie, die heimatliche Schollel —
Wie hebt sie stolz zum Licht ihr reifend Korn,
Schmückt sie der Kranz, der farbenbunte, volle
Aus Feuermohn und blauem Kittersporn!
Mun schreit' ich wieder zwischen Ackerbreiten
Auf liebvertrauten, schmalen Pfaden hin,
Und laß die Halme durch die Finger gleiten.
Froh wie ein Kind, daß ich zu Hause bin.
Die Ahren blopfen bosend mir die Wangen:
Dem gleichen Grund entsproßten du und ich!
Froh bin ich durch die reiche Flur gegangen.
Mein Heimatgrund, der Herrgott segne dich!
Helene Brehm
Mein Urgroßvater.
Wenn ich meinen Großvater frag:
Wer war denn dein Großvater? sag!
Wie hat sich denn der durchs Leben geschlagen
In Seiten der Not, in harten Tagen?
Dann fährt er sich durch das graue Haar,
Nachdenbend, wer sein Großvater war.
„Der,“ spricht er, „ist armer Bauer gewesen.
Hat auf den Feldern noch Ahren gelesen.“
„Was weißt du noch mehr, was weißt du mehr?
„Steine,“ sagt er, „die fuhr er her;
Es ließ da sein Kurfürst die Landstraße bauen.
Don Cassel hinunter nach Frankfurts Auen
Früh ist er gestorben, ich Kkannt ihn kaum,
Nur sah ich ihn pflanzen manchen Baum.
Die Leute sagten, er habe im Leben
Trotz seiner Armut den Armen gegeben.
Diel ward nicht geerntet zu seiner Seit.
Er webte sich selbst sein Sonntagsbleid,
Swei Sonntagsbleider in seinem Leben —
Das zweite ward ihm ins Grab mitgegeben.“
Bernhard Schorbach.
Fischer⸗Friesenhausen
Sleib daheim!
Geh' am Pflug schon manche Jahre.
Feld hinauf und Feld hinunter.
Kenn' die Welt und ihren Plunder.,
Welt ist heute schlechte Ware.
„SBleib in deiner stillen Klause,
Sleib im Winbkel: schaff und pflüge!
Draußen ist nur Spott und Lüge,
Ist's nicht, wie bei dir zu Hause.“
Geh' ich täglich durch die Felder,
Sagen's nickend alle Ahren:
„Bleib am Pflug! Er bann dich nähren.
Gib' ihn nicht für Tand und Gelder.“
Will am Pflug im Winkel bleiben,
Ernten will ich schwere Garben,
Sterben, wo die Däter starben —
Mögt mir's auf den Grabstein schreiben.
Hundshausen (Kreis Fritzlar). Bernhard Schorbach?
Aus altor Soit.
Wanderjahre.
Von der Wanderschaft eines Leinwebergesellen wollen die
jolgenden Seilen erzählen. Johann Adam Mahr, geboren zu
Sreitenbach am Herzberge am Nobember 1814, hat ein interessantes
Keijsebuch hinterlassen, dessen Kenntnis ich einem seiner Enkel ver-⸗
danke. Was ihn veranlaßte, das Keisebuch anzulegen, das uns
die Woõglichkeit gibt, seinen Weg heute noch zu verfolgen, teilt er
selber gewissenhaft auf der ersten Seite mit: „Weil ich durch Er—
fahrung aufmerksam gemacht worden bin durch einen Tischlergesellen
namens Jochim Rethwisch aus Kiel, welcher seine Wanderschaft
bon elf Jahren zu Papier gesetzt hat, wie es ihm gegangen und
alle Merkwürdigkeiten der Städte indem ich das Reisebuch von
dem Gesellen zu lejen bekam, so unverhoffterweise bebam ich un⸗
geheure Lust, mir auch solches Buch zu errichten, wenn es Gottes
Wille ist, und ich noch lange lebe. Ich habe zwar die Keise von
zu Hause bis Preetz nicht aufgeschrieben, aber was ich doch noch
von der Reije in Obacht genommen, wird sich fernerhin finden.“
Wir, aber haben Grund, das Andenben des Tischlergesellen Jochim
Rethwisch zu segnen. Die Kunde von den Keisen so manches
anderen Gesellen ist mit ihnen oder bestenfalls mit ihren Kindern
und Enkbeln zu Grabe getragen. Dies Süchlein bewahrt hoffentlich
1 auer — .— 92 Ein ij sdi i
* d — Ein iunger Volksdichter, der hinter dem Pfluge
ioch für lange Seit, was jein Schreiber auf der Walze erlebt —
»or bald 100 Jahren; denn er trat seine fünfjährige Wanderschaft
am 8. Wärz 1836 an.
Sunächst einmal wundern wir uns, wie weit einst die Gesellen
zu einer Seit, wo eben die ersten Eisenbahnen gebaut wurden, in
»er Welt umher gekommen sind. Johann Adam Mahr wanderte,
im nur die bebannteren Städte zu erwähnen, von Breitenbach
iber Hersfeld, Cassel, Hann.Münden, Göttingen, Wolfenbüttel,
SBraunschweig, Hildesheim, Hannover, Bremen, Hamburg-Altonad
ind Lübeck nach Kiel. Von hier segelte er näch Kopenhagen,
urchquerte die Insel Seeland über Roesbilde nach Korsör. Don
ort jetzte er auf, die Insel Fünen über. Auch die wurde durch—
oandert von Nyborg über Odensen nach Middelfart. Von hier
us überfuhr er den kleinen Belt nach Jütland. Run ging es nach
büden ũber Kolding, Hadersleben, Apenrade, Flensburg, Schleswig
ind Rendsburg zurück nach Lübeck. Nun durch Mecklenburg über
ↄchwerin, Wismar, Doberan, Kostock, Güstrow, Waren, Neujtrelitz.
Nach einem Abstecher nach Berlin behrte er nach Waren zurück,
vo er lange Seit arbeitete, zuletzt gemeinsam mit seinem Bruder
Johannes. Dann wanderte er abermals über Berlin nun weiter
iber Brandenburg. Magdeburg, Halberstadt, Wolfenbüttel, Braun—
chweig, Hannover, hildesheim, Einbeck, Göttingen, Hann.Münden
iach Cassel. Von hier über Homberg und Schwarzenborn zurüch
iach Breifenbach. Man verfolge den Wead nur einmal auf dor