Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Nun galt es, die Erde zu dem Empfang ihres jungen Königs 
zu schmücken, und all die tausend kleinen Himmelsenglein 
machten sich ans Werbk. In den milden Nächten flogen sie 
hernieder, hingen zartgrüne Blättchen in die wirren Sweige 
der Sträucher und putzten die Bäume mit rosigen Blüten, 
daß die kahlen, schwarzen Aste fast 
darunter verschwanden. Sie streuten 
weiße, duftige Flocken in die dunklen 
Hecken und über die Wiesen die ganze 
hellfarbige Pracht der ersten Blumen, 
Das war ein fröhliches Auf- und 
Niederfliegen, daß man glauben mochte, 
die Englein wollten heimlich alle Here— 
lichkeiten des Himmels zum Schmucke 
der Erde herniedertragen. 
And als endlich alles fertig war— 
als bein Kain und bein Gärtlein ver— 
gessen war, flogen die Englein noch 
einmal prüfend über die mondbeglänz. 
ten, träumenden Fluren. Was standen 
denn da, am Bächlein entlang für 
grobe, ungefüge Gesellen? Die Englein 
staunten. Sollten das noch Bäume 
jein? Sie hatten solche noch nie 
gesehen. Neugierig flogen sie näher 
hinzu. Da sahen sie es denn jetzt: 
Bejenreiser waren es, riesengroße, 
ausgefranste Besenreiserl Wie die 
Himmelsbinder lachten! Besenreiser 
— war das lustigl Wie bamen die 
nur daher, mitten in die Wiesen im 
Frühlingsgrün? Und dann war ein 
Flüstern und ein Raunen ringsum, als 
sollte ein lustiges Schelmenstück beraten 
werden, und zuweilen blang ein Kichern 
wie ein leiser, feiner Glockenton da— 
zwischen. 
Noch einmal flogen die Englein 
in der Nacht zum Himmel empor 
und hernieder, und die Sterne, die 
ihnen zusahen, mußten so sehr lachen, 
daß sie beinahe von ihren silbernen 
Stühlchen gefallen wären. Was hatten 
sie nur mit den Besenreisern ange— 
angen? — — 
Als sich am andern Morgen die 
Sonne hinter den Bergen erhob und 
ihre Strahlen sich glitzernd und funkelnd 
in den Tautröpfchen an Gras und 
Halmen brachen, die Vsglein leise ihre 
neu ersonnenen Lieder anstimmten, ging 
der Frühling durch das Tal. Die 
Weiden schwenbten ihre seidenen Fähn— 
chen, die Blumen neigten sich zierlich 
auf ihren schlanken Stengelchen, um ihn 
zu grüßen, und die Bäume des Waldes 
senkten die jungen Sweige vor ihm. 
Auch die Besenreiser versuchten unbeholfen ihr Kompliment 
zu machen, doch als der Frühling sie sah, da hat er laut 
gelacht. 
Die Englein hatten nämlich alle die kleinen Blätter— 
zipfelchen und Schnippelchen, die ihnen bei ihrem Putzen 
übriggeblieben waren, zusammengesucht und an die hohen 
Keiser gebunden. Mit dem letzten Grün haͤtten sie die eine 
Seite der Blättchen angemalt, weil es aber nicht mehr reichte, 
nußte die andere ihre mattsilberne Grundfarbe behalten. — 
Als sich nun die Besenreiser vor dem Frühling beugten, 
a begannen die winzigen Blättchen zu zittern und zu beben, 
)enn sie fürchteten, sie Lönnten von ihren ungewohnt hohen 
Sitzen herunterfallen und vielleicht in das Wässerlein mik den 
hellen Wellen. Sie zappelten wie Silberfische an der Angel 
ind pappelten unaufhörlich von ihrer Angst, daß der Morgen- 
vind sie sicher herabblasen würde. Deshalb hat der Frühling 
»amals laut gelacht, als er durchs Tal ging, ehe er auf die 
Serge stieg. 
Die Pappeln aber stehen noch heute in unseren Wiesen 
uind ihre lächerlich bleinen Blättchen zittern noch immer bei 
edem Windzug und sitzen doch nun schon so lange droben!
	        
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