Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

eimat · Schollen 
Blätter zur Pflege hessischer Art, Geschichte und Heimatkunst 
Nr.12/ 1021 
Die Heimat ˖Schollen werden den Kreisblãttern in Homberg, Melsungen, Kotenburg und Siegenhain 
beigelogt. Die Kreisblãtter in Fritzlar, Franbenberg, Sersfeld Hünfeld, Kirchhain und Woljhagen 77 
auf Bestellung. Außerdem kann der Bezug durch die Post und den Buchhandel erfoigen. Jahrespreis 10 Mb. 
1. Jahrgang 
M dieser Nummer beschließen wir den 1. Jahrgang unserer Seitschrift, die von allen Heimatfreunden froh begrüßt wurde. Wir sind auf 
dem rechten Wege. Aus dem Leserbreise gingen uns jo viele Stimmen der Anerbennung und Ermunterung zu, daß wir guten 
Mutes in das zweite Jahr unserer Heimatschollenarbeit hineinschreiten. Die große Schar der Heimatschollenleute wird wachsen und 
zunehmen — des sind wir gewiß. Wir bitten unsere Lejer, die bisher erschienenen Nummern als Halbband anzusehen, den die zwölf 
Nummeern des bommenden Jahres zum vollen Band ergänzen. Der Heimatschollenverlag wird für solche Ganzbände Einbanddecken 
zum Aufbewahren herstellen und der letzten Nummer des Jahres 1022 ein Inhaltsverzeichnis beigeben. Mit alter Treue zur Heimat! 
Schriftleitung und Verlag der Heimat-Schollen. 
Die Pappeln. s Märchen 
Als der Winter im weißen Schneebleide jchon über die 
Grenze stapfte, war der Herbst mit der Ernte noch nicht 
ganz fertig. Eilig raffte er die letzten rotbackigen Apfel in 
seine weiten Taschen, zog den Mantel fest um die Schultern 
und schritt über die leeren Felder dabvon. Es blieb ihm 
beine Seit mehr, die letzten Blätter bvon den Bäumen zu 
jagen und im Lande hübsch aufzuräumen, wie er es sonst tat. 
„Liederliche Wirtschaft!“ schalt der Winter, als er die 
Herrschaft antrat. Er war nämlich eiĩn sehr ordentlicher 
Wann, und es war ihm erst wohl, wenn er die Erde gründ- 
lich gefegt hatte und sein fleckenloses Linnen darübeß aus- 
breiten konnte. „Hedal“ rief er den Sturmriesen zu, die 
auf den höchsten Bergen jchliefen, „Hedal Macht euch ans 
Werb! Säubert mir gründlich das Land! Eilig, eilig! 
Ich habe beine Seit zu verlieren!“ 
Die Sturmriesen gähnten und reckten sich und fühlten, 
wie stark sie waren. Sie standen vom Schlafe auf und 
freuten sich des Auftrages; denn die Kuhe behagte ihnen 
nicht länger. Wilde Lust und Abermut pochten in ihrem 
Blute. Hochauf schwangen sie ihre riesigen Besen und 
sprangen jauchzend über Felsklippen und Abgründe zu Tal. 
Eine Probe aus dem soeben bei M. Beenecker, Meljungen, erschienenen 
Rinderbuche: „Bäumchen, rüttel dich und schattet dihee en i ee 
von Olga Stückrath⸗Stawitz.“ 
Der Winter nickte ihnen zufrieden zu, als sie so ins 
dand stürmten. Hei, wie sie über die Felder brausten! 
Vie die großen Besen hin- und herflogen, daß die welben 
Zlätter hoch aufwirbelten und froh waren, wenn sie nieder— 
aumelnd ein ruhigeres Plätzchen in einem Graben fanden. 
deil wie sie durch die Wälder fuhren und die Wiesen im 
Srunde glatt fegten! Sie machten eine saubere Arbeit, die 
vilden Sturmriesenn Was mürb und morsch war, wurde 
on ihnen fortgerissen. AUnd als sie alles Lahl geputzt hatten, 
am der Winter und deckte sein weites, weißes Tuch über 
ie Erde. 
Die Sturmriesen meinten: „Nun können wir wohl wieder 
gehen, hier ist nichts mehr zu tun für uns.“ Doch bevor 
ie sich auf den Heimweg machten, zupften sie ihre großen 
Besen auscinander und steckten die riesigen Keiser umgebehrt 
n den Boden, immer hübsch in eine Keihe. Dabei lachten 
ie: „Da habt ihr eine Erinnerung an uns, ihr kleinen 
Menschenkinder!“ 
Dann stürmten sie jauchzend nach den Gebirgen zurück. 
3 
— 
— 
Der Winter ging, als der Märzstrahl, der Bote des 
ꝛrwachten Frühlings, die Anbunft seines Herrn verkündete.
	        
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