Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

nach Homberg verschluckt hat. Dem Tunnelmund entquillt dicker 
Qualm wie dem Mund eines starken KRauchers. 
Wie friedsam kuschelt sich Forsthaus Wüstelirche in die Wald— 
ꝛcke! Still und geborgen liegt es unter den alten Föhren, die das 
Idyll umschirmen. Hier oben soll einst eine Kirche gewesen seim. 
Die Sage nennt Heinz von Lüder als Stifter des Gotteshauses, 
das im Vreißigjährigen Kriege der Serstörung anheim gefallen sei. 
Serade auf der Grenze zwischen Oberbeisheini und Kemsfeld 
hütete einst ein Schweinehirt 
seine Borstentiere. Da wühlten 
sie eine vergrabene Glocke aus 
dem Boden. Den Streit, der 
sich zwijschen beiden Gemeinden 
um die gefundene Glocke ent— 
pann, ließ man durch ein blindes 
Pferd entscheiden. Das wandte 
ich mit dem Wagen, darauf die 
Blocke lag, Kemsfeld zu und 
entschied jomit für diese Gemein⸗ 
»e. Die tauschte die gefundene 
Slocke gegen eine bleinere von 
Harle um. 
Eine weite Sicht lohnt hier 
den Rückblick des Wanderers. 
In die flache Mulde unter ihm 
hat sich das stattliche Dorf Ober- 
deisheim gebettet, das Philipp 
der Großmütige Heinz v. Lüder, 
dem wackeren Hüter der Feste 
Ziegenhain, schenkte. Von ihm 
dam es an das Geschlecht derer 
oon Hund und später an die von Falbenberg. Aus beiegerischen 
Seiten vermag uns wohl der mauerumhegte Wehrkirchhof inmitten 
des Dorfes mancherlei zu berichten, vielleicht noch mehr der von 
Berndshausen, das hinter der niedrigen Hügelwelle im Norden 
liegt. Dem Berndshäuser Wehrlirchhof sollte jeder Heimatfreund 
einen BSesuch abstatten. Swei uraltie, balkengestüßte Sinden vbor 
dem Kirchhof, das bugeldurchlöcherte Tor aus Eichenbohlen und 
das hohe Mauerviereck geben einen starken Eindruck. Sie erinnern 
an Seitläufte, die Kaub, Mord, Brand und Plünderung mit sich 
brachten, und zeigen uns noch heute, wo die drangsalierien Dorf⸗ 
eute mit ihrem Vieh Schutz und Anterschlupf suchten. Wer da will, 
daß ihm die Steine lebendig werden sollen, der lese auf einem solchen 
Wehrfriedhof „Wallensteins Antlitze von Walter Flex, besonders die 
erste Erzählung vom Tod der Almuth Petrus. Doch heute almet 
die Landschaft Sonntagsruh und Frieden. An dem Feldweg Sipper⸗ 
hausen — Dagobertshausen ragt auf bahler Hügelkuppe die weithin 
ichtbare „Sipperlinde“. Weiter rechts erheben sich jenseits des Beise⸗ 
tales der Beiseberg und sein größerer Bruder, der Eichelskopf. 
Das Auge wendet sich wieder dem Naheliegenden zu. Wald 
nummt die Wanderer auf, zuerst Nadel-, dann Laubwpald. Da und 
dort trifft der Blick schon auf bunte Herbstfarben. Die ersten 
gilbenden Slätter im grünen Laub der Baumbronen sind wie erste 
silbergraue Fäden im Baarschopf eines tatenfrohen Mannes. Ihre 
Entdeckung yflegt von gemischten Gefühlen begleitet zu jein. Ohne 
namhafte Steigung führt der Höhenweg mit dem Wegezeichen H 
tiefer und tiefer in den Wald hinein. NAuf einer der einsamen 
Waldwiesen hũtet ein Bäuerchen am lieben Sonntagmorgen seine 
Kühe. Er muß aus Lichtenhagen sein, das da zur Liuben irgendwo 
in einem weltentlegenen Tälchen liegt. In der Volkssprache heißt 
das Döorfschen „Lichtenhääng“. Heuer ist das Futter knapp. Da 
treibt das Kuhbäuerchen sein Vieh hier herauf. Ein freundlicher 
Sruß wird den vorüberwandernden Fremden. Hier gönnt einer 
dem andern noch einen „Guten Morgen!“ Möge es so bleiben. 
Vor dem Aschenberg öffnet sich der Wald und bietet einen 
iberraschend schönen Blick auf Homberg, die Stadt am Boerge, 
ind seine Umgebung. Der Himmel hat sich erhellt und läßt sein 
Slau hervorschimmern. Milder Sonnenglanz liegt auf den hoch· 
tãmmigen Buchen des Aschenberges, der 521 Meter Hohe erreicht. 
Steinpilze, groß und ungestalt, locken den Pilzfreund und verschwinden 
chleunigst im bunten, abgrundtiefen Familienpilzbeutel. An einem 
Sasaltbruch vorũber erreichen wir ein freies Triesch. Der Slick 
ns Tal wird frei. Kengshausen mit dem segensreich wirbenden 
Burschenheim Beiserhaus tritt hervor. Bie Wälder dahinter 
stehen in blauem VBuft. Die Sonne wirbt weiche Schleier in die 
Luft. Herbststimmung! — Aber das Triesch hinüber zu dem „Gropßen 
Fenster“, durch das sich das Efzetal mit der Eisenbahnhochbrücke 
und Homberg in entzückendem Rahmen darstellt. Vom hohen 
Knüll, unter dem Oberhülsa liegt, schweift das Auge über zahllose 
Valdberge, wie Eisenberg mit Borgmannsturm, Holsteinsuppe, 
Oberste Liesbura und Alheimer. Da schweigt der Mund. 84 
lingt das Herz: O Täler weit, o Höhen! O schöner, grüner Wald! — 
cinjam stehen auf dem Triesch einige zerzauste Wetterföhren, die 
ch jedes Sonnenblickes freuen, um im Winter desto mutiger dem 
xchneesturm aus Nordost standzuhalten. Im Wai blühen hier 
Arnikasterne und Hasenpfötchen mit taujend anderen Slumen- 
eschwistern. Jetzt sind nur noch blaßrote Heide, später Thhmian 
ind Larminrote Steinnelken zu finden. Aber was leuchtei denn 
ort? Ist's ein Thymianteppich? Nein, ganz junge Heide prunkt 
noch mit frischem Rot. — Sur 
KRechten schauen wir auf den 
nahen Ecksberg hernieder, auf 
dem die Sage eine Sibylle hausen 
ließ. Als die Christen die heid⸗ 
rijchen Götter aus dem Chatten- 
ande verdrängt hatten und den 
Dom Sanbt Peter zu Fritzlar 
auten, da schleuderte die Sibylle 
rinen gewaltigen Felsblock nach 
dem erstehenden Gotteshause. 
Der Felsblock fiel aber schon weit 
oor'm Siel in eine Schlucht 
um Eichelsbopf bei Kelbehausen. 
Diese Sage findet sich in man— 
herlei Gestalt auf den Bergen 
des Hessenlandes. 
Nach Aberschreitung der 
Straße Nausis — Menterode, an 
der vor dem Walde Forsthaus 
Gläjserbach liegt, wird eine Wald⸗ 
blöße auf dem Hasenbopf erreicht, 
die einen Fernblick auf Rengs 
ausen, Niederbeisheim, Elfershausen in 330 Meter Höhe vor dem 
falbenbopf (404 Weter) und auf den Heiligenberg gestattet. Kechts 
nten im Talbessel liegt Nausis, von dem nur einige Säuser zu 
ehen sind. Dort ließ man noch vor zwei Jahrzehnten zu Ostern 
das Feuerrädchen“, das Symbol des erwachenden, siegenden Lichtes 
on den Hängen zu' Tale rollen, ein alter, sinnvoller Brauch, der 
n den Sonnwendfeuern des Wandervogels wieder lebendig geworden 
jt. Wieder tut sich der Blick auf das schön gelegene Gberhülsa 
nd den Knüllkopf auf. 
ODom Klosterstein führt der Weg nach dem Bärenwinbel, dessen 
lame uns an die Seit erinnert, da noch Meister Braun, der Bär, 
1den heimatlichen Wäldern hauste. Sur Rechten lockt der Aus 
lick ins Breitenbachtälchen und auf mild übersonnte Buchenhänge. 
Zräunliche Farne im herbstlichen Kleid jsaäumen den Weg, und in 
er Nähe der Straße nach dem Pommer stehen sie auf einer 
ꝰchonung in zierlichen Wäldchen beisammen. Wir überqueren die 
otraße, die vom Pommer über Ersrode nach Kotenburg führt, 
nd verlassen im Forstort Kirchrück das Wegezeichen H, das nach 
)ersfeld geht, um dem Kreuz zu folgen, das von Treysa über 
en Knüll nach Rotenburg geleitet. 
Anter hohen, lichtdurchbrochenen Buchenbronen steigen wir 
is Malbkustal, das Tal des Friedens, nieder. Bald säumen freund- 
che Buchen, bald finstere Tannen das schmale Wiejental. Am 
ãgerhãuschen reocken sich riesige Klefern empor; darunter laden Tische 
ind Bänbe zum Verweilen ein. Einige bleine Blautannen bringen 
inen ungewohnten Wechsel in das stumpfe Grün. Der steingefaßte 
Zduell am Waldrand drüben ist versiegt. So hat der heiße Sommer 
as Erdinnere ausgepreßt. Nur noch nach dem WMalbusteich 
ieselt das Sächlein hinunter. Dessen Spiegel liegt jetzt anderthalb 
Neter tiefer als im Vorsommer. Da sah ich ihn zwischen das 
elle Grũn der Birben und Erlen gebettet, mit dem dusteren Grůn 
er Tannen im Hintergeunde. Blühender Wasserhahnenfuß lag 
ie Silberschmuck auf schimmernden Wellen, die vor dem Winde 
erliefen und sich im Schilfe des Teichwinkels versteckten. Auch 
im sonnigen Septembertag hat der Malkusteich seine Keize, die 
r wohl zu jeder Seit des Jahres haben mag. Wie der Damm 
m Nordufer beweist, ist der Teich eine künstliche Anlage von 
Nenschenhand, vormutlich als Fischteich angelegt, aus dem die 
erren auf Ludwigseck ihre Fastenspeije bezogen. An dem Damm— 
»ege erheben einige gewaltige Buchen ihre Kronen wie Dom— 
uppeln zum Himmelsblau. Eine runde Köohlerhütte, fast in 
Vigwamform, birgt Hamen und andere Fischergeräte. Auf den 
Zänben liegt Stroh; in der Spitßze ist ein Rauchabzug. Bänkbe 
ind Tische neben der Hütte bedürften der Ausbesserung. 
Unterhalb des Teiches erfreut uns ein eigenartiges Landschafts⸗ 
ild: hohe Einzeltannen und Wacholderbüsche geben dem Talgrund 
ꝛin besonderes Gepräge. Im Sommer standen da zwischen 
Ameisenbüppeln fleischrote Knabenkräuter, prächtige Farnwedoel, 
elbes Fingerkraut und feines Frauenhaar. Jetzt bräun die Heide 
en Talgrund. in den von Norden Schloß Ludwidgsecc bhereinschaut.
	        
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