der Meinung, daß bei der heiligen Handlung, die die beiden
Menschen, die das Leben gekrennt und nach Irrnissen und
Virrnissen wieder zusammengeführt hatte, heute miteinander
begehen wollten, selbst er, der treue alte Pfarrer Leutewein,
überflüssig jsei.
„Liebe Ann,“ sagte Helwig Schmitthenner weich, „zum
drittenmal gilt's — willst du?“
„Ja, du schlechter Kerl.“ And da bkriegte sie ihn so bei
beiden Ohren, wie sie das einmal dem Herrn Pfarrer vor—
gemacht hatte.
Aber der „schlechte Kerl“ verstand das ganz anders. Er
eugte sich zu Ann nieder und umschlang sie mit beiden
Armen, und da fanden sich ihre Lippen wieder zum Kuß
vie in den seligen Tagen im Lenz des Lebens. And in
ieser Umarmung schmolzen Leid und Kummer, mit denen
hr Lebensvormittag und mittag ausgefüllt waren. Helwig
schmitthenner und Ann vergaßen, was weit, weit dahinten
ag, und hoben ihre Füße auf und schritten Hand in Hand
»em Nachmittag und Abend des Lebens entgegen und dem
eligen Lande unwandelbarer Liebe und reinsten seligen Glückes.
Mein Königtum.
Mondhkranbk.
zch liege oft Tage träumend umher
Im Grase ... im Sande am grünen Meer,
Wo einst die Winde und Wolken, die schnellen,
Mir Jagdgespielen und Fahrtgesellen,
Die fernsten Dinge vor vielen Jahren
Oertraut und meine Diener waren
Und ich — ein König — mit starker Hand
Buͤrgen und Brücken baute ins Land.
O Sommerglück! O lichter Tag,
Da jedes Geheimnis noch offen lag
Und Sonne schien. — Ach, nun ist Nacht!
Wer hat meine Augen so blind gemacht?
O Jugend! Wo bliebst du? — Mein Königtum!
Oerschüttet ist mir Keich und Ruhm,
Zerbrochen liegen Kron' und Klinge,
Und Kätsel sind mir ale Dinge.
Otto Slũse.
Fin guter Arzt muß sein,
Wer von Liebe will lösen,
Muß Lbennen all' Arzenein,
Die guten und bösen.
Jammert dich, blick fort!
Kranke wollen geschont sein.
Nur bein lautes Wort: —
Wie sie wandeln im Mondschein.
Schreiten auf schwindelnder Bahn
Sinnlos sicher die Schwachen:
5chweig! O ruf sie nicht an!
Tod ist ihr Erwachen! —
WVer Schmerzen lindern will,
Muß Schmerzen gewohnt sein.
deide und schweige still:
Denn sie wandeln im Mondschein. —
Aus „VDom Herzschlag der Stunden“.
Karl von Berlepsch
Kitter Kiedesel. ¶ DVon Heinrich Ruppel.
Im Bergwald — o welch frisch Gejgidl
Forellen in den Bächen
Und auf den Feldern Brotgetreid
O Glüũck. nicht auszusprechen!
Und als der Ritter abends spät
Ans dunkble Burgtor pochte,
Hrüßt er des Kaners Wajestät.
Vie's sich geziemen mochte.
Ei, was ein Eulenspiegel-Kitt,
Als trieb man Fastnachtpossen!
Und Troß und Ingesind läuft mit,
dacht heimlich und macht Glossen.
Auf einem Eselsrücken hockt
Ihr stolzer Herr — o Wunder!
Das Grautier aber stutzt und bockt
Und würf ihn gern herunter.
—A
Und spornt es ohne Treiber.
Und mit den Knechten hinterdrein
3wei Laijerliche Schreiber.
So geht's den Berg hinab, hinan.
Die Schreiber müssen schwitzen,
Dieweil der hochgeborene Mann
Darf auf dem Eisel sißen.
Das war mir eine Prozession
Durch Feld und Wald und Auen!
Ihr vorneweg wie Davids Sohn
Auf Eurem frommen Grauen!“
Der Ritter lachte hell darob
Und ließ sich nichts verdrießen.
Und manch ein Scherzwort, fein und grob.,
Tät in die Rede fließen.
Ein froher Umtrunk ward getan.
WVie schmunzelte das Pfäffchen!
Der Kaiser und der Edelmann,
Die hatten fast ein — Afsfchen.
Der Kaiser blingelte ans Glas
Und sprach zur Edeldame:
Es sei — vergönnt mir auch 'nen Spaß! —
Kiedesel Euer Name!
Und führt fortan im Wappenschild
— Das laßt mich, Fraue, bitten! —
Danbbar des sanften Grautiers Bild.
Darauf das Land erritten!“
Und Edelfrau und Edelmann,
Als noch der Kaiser spaßte,
Oersprachen: „Ja, so sei's getan!“
Und neigten sich dem Gaste. — — —
zhr Burgbesitz im Hessenland
Trägt über allen Toren,
Wonach sich ihr Geschlecht benannt:
Das Tier mit langen Ohren.
Er reitet durch die Wälder quer
Nun schon drei Sommertage,
Sich selbst zur Lust, den Schreibern sehr
SZum Rrgernis, zur Plage.
Der Ritter ist des Kaisers Wirt.
Er fand ihn vor drei Tagen,
Als der sich hier im Wald veriret
Beim undestümen Jaden.
Der Kaiser sprach: „Nun bin ich quitt
Des Danbes, mein Getreuer!
Was Ihr umzirbt auf langem Ritt,
Das bloib auf ewig Euce.
Ihr sollt, Herr Secretarius,
Die Schenbung gleich verbriefen.
Ihr seid noch höllisch gut zu Fuß
Auf Höhen und in Tiefen
Er reckt sich auf dem Eselein:
Bald zeig ich's meinem Weibe!
Das alles hier soll unser sein.
Mir lacht das Herz im Leibe.
Auf Heimatwegen.
Durch die hohen Heimatwälder—
Don Heinrich Ruppel.
In Oberbeisheim führte das Bähnchen die Wandergefährten
usammen, den einen aus dem Efzegrund, die anderen aus dem
Fuldafal. Rotenburg sollte das Siel des Tades sein.
Herbe Kühle, fast ungewohnt nach der wochenlangen Hitze-
velle der Sommermonde, haucht die Frühe des Septembersonntags
us. Schiefergraue Wolben ziehen am Himmel hin. Aber dem
hegeholz bei Welferode, das von der Höhe grüßt, hängt eine
eine, weiße Wolkenflocke, durchsichtig wie ein Flor. Waldentlang
ührt der Weg über den Tunnel hin, der eben den Personenzug