Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Die Reiter lockten die Gegner auf das freie Feld, töteten viele, 
viele wurden verwundet, und der Rest wurde ins Wasser“) gedrängt. 
(So weit die Geschichte.) Hier hat sich das Schicksal des Fähnrichs 
entschieden, der zweifellos die Kolle des Anführers übernommen 
hatte. Mit fast gleicher Bestimmtheit läßt sich auch annehmen, 
daß wir in dem Fähnrich den vormals adligen Besitzer des genannten 
) Wahrscheinlich in die Ohm. 
)ofes vor uns haben; denn nichts liegt näher, als daß dieser, da 
ir mit den Dorfeingesessenen die Lasten und Leiden des Krieges 
eilte, bei Belästigungen und Aberfällen die wehrfähigen Dorf⸗ 
ewohner in ihrem und seinem Interesse aufrief und sie durch sein 
ignes Beispiel zu heroischer Selbstverteidigung hinriß. Und daß 
der Todwunde sich die ziemlich lange Dorfstraße hinab zu jenem 
hofe schleppte, ist schließlich nicht Sufall und spricht auch dafür, 
aß Hofbesitzer und Fähnrich ein und dieselbe Person fsind. 66i4 
A imat 
uf Heimatwegen. 
Durchs Ohetal zum Buchenbach. 
VDon Heinrich Ruppel. 
Die Nacht hatte Regen gebracht, den ersten Sommerregen 
seit Monden. Der Morgen war köstlich. Alie Kreatur akmete 
wie erlöst. Der ewig blaue Himmel war wolbenverhangen. Die 
Kegenwolben hingen tief, tief auf Wälder und Felder herab. Die 
bleierne Schwüle der Hundstagshitze war einer erquickenden Feische 
gewichen, die den Schritt des Wanderers belebte. 
Auf der Braunbohlenzeche Frielendorf, die so vielen fleißigen 
Arbeitern aus unseren Hessendorfchen Brot gibt, war Schichtwechjel. 
Arbeiter blingelten in schneller Fahrt 
die Straße von Kopperhausen heräb, 
um nicht zu spät zu Lommen. Hohe 
Abazien geleiten die Straße zur Höhe 
hinauf, wo sie zierlichen Birben weichen. 
Die haben sich trotz des Regens noch 
nicht von der anhaltenden Sürre er. 
holt. Ihre Blätter hängen noch wie 
verwellt und verbrümelt am schwanben 
Gezwoeig. 
Hof Schachtebach träumt am 
Waldrand in weltabgeschiedener Ein- 
sambeit. Durch Wiesen und Felder 
läuft der Weg in den Wald hinein 
Aus den Buchenbronen fallen noch 
schwere Tropfen. Kleine Wasser 
spiegel stehen auf der Straße. Linke 
bieten sich oft Ausblicke in das Wiesen 
tãlchen und auf den Schemberg, dem 
die graue Regenmütze über die Ohren 
hängt. 
Kopperhausen am Ohebach bommt 
in Sicht. Wieder blingeln Käder. 
Bergleute sind es, die von Schicht 
Lommen. Bauern haben Schippe und 
Hacke geschultert und gehen hinaus 
auf ihre Acker, zu sehen, ob der 
stürzende KRegen Verwüstungen an— 
gerichtet. ÜUber den Giebeln des 
Dorfes ragt eine Ruinec. Die lockht 
den Fremden hinguf. Kärgliche Mauerreste sind Seugen ent— 
schwundener Herelichbeit. Alles zerfallen, und Gras und Garten— 
baume fanden, zwischen Steinen eine Statt. Doch das Geschlecht, 
das als Erbe hier oben herrschte, blüht noch, wenu ihm der Weli— 
brieg auch drei hoffnungsvolle Sweige zerschlug. 
„Oberhalb der Trümmer breitet sich auf dem Hügelrücken das 
stille Reich des Todes aus: das Erbbegräbnis derer von Baumbach 
und der Gottesacker der Gemeinde. Wie eigen berührt der Anblick 
der vielen fast in der Erde versunkenen Grabsteine. So vorsinbt 
alles Leben langsam, aber unaufhaltsam im Vergessen, im Gewesen⸗ 
jein. Und zu seiner Seit wird beine Spur mehr zu finden sein, 
wie auch von dem Erbauer der schmucklosen Gruft, die einer 
bahlen, turmlosen Kapelle gleicht. Swischen den Baumbachschen 
Wappen mit dem feinen Sichelmond und den Sternen auf des 
Mondes Sacken findet sich eine Inschrift über dem Eingang. Sie 
bejagt; Hans Ludwig von Baumbach Obrister über ein Kegiment 
zu Fuß und seine Ehefrau haben dieses Gebäu für sich und ihre 
Nachbommen zu ihrer Ruhe Stette erbauen lassen. — Innen sieht 
es so wüst aus, daß es dem Heimatfreund, der auch dem geschicht 
lich Gewordenen gern nachgéht, leid tut. Su beiden Seiten des 
Eingangs stehen einige alte Grabsteine mit den Wappen derer von 
BSaumbach, von Dassel u. a. Die Inschriften sind noch fast mühelos 
zu entziffern. J 
Im, Dorf beweisen viele bleine Häuser, daß in Ropperhausen 
viel Arbeiterbevölberung beheimatet ist. 
Kechts an der Straße nach Seigertshausen hat auf einem 
freien Platze die Gemeinde ihren Gefallenen ein Ehrenmal Lrrichtet. 
zntworfen und ausgeführt von Daniel Greiner aus Jugenheim a. d. 
Bergsteaße. Greiner, der nicht nur Bildhauer und Maler, sondern 
ruch Dichter von Buf ist, hat hier wieder einmal sein sicher es 
ünstlertum bewährt. Von graublauem heimischen Basalt, fest 
Jefugt, hebt sich eine Namentafel aus grauweißem Sandstein wirbungs 
»oll ab. Darüber bniet ein Feldgrauer in voller Küstung, von 
hwerer Trauer nĩiedergebeugt, niedergebeugt auf die 20 Ramen 
er gefallenen Helden. So leidvoll sollte unsers Volkes Seele sich 
siederbeugen über seine Söhne, die in fremder Erde schlafen. 
Dieses bleine Hessendorf hat seinen würdigen Söhnen ein würdiges 
Denkmal gegeben. 
Seichnung von J. Schulz. 
Die Sonne bricht durch und überglänzt die Kiesenbäume des 
Darls hinter dem Baumbachschen Gutshof. Steil steigt die Straße 
in, die zwischen Judenstein und Bärberg ins Grenzebachtal führt. 
Aus den Ebereschen leuchten schon die bernsteinhellen Beerendolden. 
Zald brennen sie borallenrot. Der Herbst mischt schon die Farben 
Tief im Tal liegt Seigertshausen, ein echtes Schwälmerdorf. 
VMeibsleute schaffen in den Gärten. Mannsleute regieren das 
sespann. Ein alter Auszüger betrachtet sich die Welt von seinem 
cammerfenster aus. Auf allen Gesichtern glänzt helle Freude über 
»en Kegen. An der neuen Kirche steht das Denbkmal, das diese 
Dorfgemeinde ihren Gefallenen und Vermißten errichtet hat. Auf 
nassigem Anterbau ragt ein Basaltbloch. An seiner Vorderseite 
rãgt er einen gebuckelten Schild aus Erz mit dem Hessenlöwen 
n der Mitte. Und die beiden Felder des Ehrenschildes tragen 
ange KReihen schmerzlich teuerer Namen. 
Weiter treibt es den Wanderer. Mühlen träumen im Steina- 
al. Die Räder stehen still. Die rauschenden Wasser schliefen 
a ein in all den regenlosen Sommertagen. Im Gras der Afer⸗ 
viese liegt des Müllers graue Katze lang und träg und läßt sich 
ie Sonne auf den Pelz breennen. Am Wegrand blühen Slucf 
veiderich, Thymĩan und Johannisbraut. 
Wieder nimmt der Wald die Straße auf. Das dichte Gezwoeig 
iebt die Sonnenstrahlen und mildert die Gluk. Dann geht es 
ibwärts nach Neubirchen. In den Roggenfeldern rauscht die Sense 
Es ist Erntezeit. 
Reubirchen, dem wie Schwarzenborn die Grafen von Siegen⸗ 
ain Stadtrecht erwirkten, macht einen freundlichen und sguberen
	        
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