Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

sttanden und aus Sand und Asche das helle Glas bereiteten. Kleine 
und kbleinste Glasscherben siehst du in großer Sahl am Boden 
liegen; wenn du Glück hast beim Suchen und Nachgraben, stößest 
du wohl auch noch auf ein unversehrtes zierliches Fläschchen. Sieh 
da die glasierten Steine, die Trümmer der Schmelzöfen oder Häfen, 
in denen das Gemenge, auch „Fritte“ genannt, zum Schmelzen 
gebracht wurde. Und dort die Schlacken in gar wunderlichen 
Formen und mancherlei Farben. Sie reden von einer Kunst, die 
zinst auch in den Wäldern des Knüll geblüht, während sie heute 
in weitem Umbreise nicht mehr bekannt ist. Du mußt schon bis 
zum Kaufunger Wald wandern, wo sie seit Jahrhunderten bis auf 
diesen Tag geübt wird. Vergessen liegen jetzt die Scherben unter 
den hohen Tannen am Malkbusteich, nur die Kinder aus den 
Dörfern in der Nähe wissen davon und graben danach an den 
ichönen Sonntagnachmittagen, um damit zu spielen und sie in den 
Teich zu werfen. In dieser vergessenen Ecke stand vor 200 Jahren 
eine Glashütte, in der Hüttenmeister Johannes Strecker und 
Johannes Hofmeister mit ihren Gehilfen manch Glas verfertigt 
haben. Ob sich durch eine planmäßige Ausgrabung die Größe der 
ehemaligen Anlage noch feststellen läßt, ist schwer zu sagen. In 
solcher Waldeinsamkeit hat wohl der Kriegssturm beine Ruinen 
geschaffen, wie einst dort auf Ludwigseck, das er 1630 in Trümmer 
legte. Das vermodernde Laub und der vom Regenwasser fort— 
geführte Sand, dazu der neu angelegte Holzabfuhrweg bonnten nur 
geringe Veränderungen an der früheren Bodengestaltung hervor— 
eufen. Aber so fest wie die stolze Burg dort oben ist auch die 
Blashütte nicht gebaut gewesen. Da sie jedoch nachweislich von 
zwei, jahrelang sogar von drei Familien zu gleicher Seit bewohnt 
war, auch in den Wintermonaten, so bönnen wir wohl annehmen, 
daß außer dem Glasofen auch ein festes Wohnhaus vorhanden 
gewesen ist, dessen Grundmauern sich vielleicht noch aufdecken ließen, 
wenn es ihnen nicht ergangen ist wie den Mauerresten der Kapelle, 
die eine halbe Stunde weiter oberhalb im Malkustal am Kirchrück 
stand, deren Steine von den Bewohnern der Nachbardörfer zum 
Bau der Häuser und Straßen noch vor 80 Jahren weggeholt 
worden sind. Wahrscheinlich wohnten außer den Hüttenmeistern 
mit ihren Familien auch noch ein oder zwei ledige Gesellen oder 
Sehilfen auf der Glashütte. Außerdem mußten Stallungen vor— 
handen sein für die Ochsengespanne oder Pferde, die notwendig 
varen, um die großen Holzmengen, die der Glasofen verschlang, 
aus den umliegenden Waldungen herbeizufahren oder zu schleifen. 
Kühe oder Siegen, Schweine, Hühner und Gänse werden auch 
hre Behausung dort gehabt haben, da ohne solche Küchenlieferanten 
rin Leben in dieser Einsamkeit nicht wohl möglich war. 
Die Glashütte am Malkbusteich ist nicht die älteste im Hessen- 
jau gewesen. Etwa 800 Jahre vor ihr, im 15. Jahrhundert, 
verden schon Glashütten in Hessen erwähnt und zwar im Kaufunger- 
ind Reinhardswald. Wann die Kunst des Glasmachens zuerst in 
Hessen bekannt geworden ist, weiß man nicht genau. Die hessischen 
Hlashütten gehörten mit denen der Nachbarländer zu einer großen 
Sunft, deren Bundesstätte zuerst am Spessart. später in Groß— 
almerode war, das wohl lange Seit die 
Führung hatte. Dort gab es verschiedene 
Hlashütten, denn dort fand man den vor— 
züglichen, heute noch weltbekannten Ton, 
aus dem die Glaser von ganz Mittel- 
deutschland ihre Schmelzöfen und Ofen— 
teine bereiteten. Auch lieferte der Boden 
bei Großalmerode den zur Glasbereitung 
notwendigen Sand für viele Hütten, 
odaß von allen Seiten reger Verkehr 
dorthin unterhalten wurde. Vermutlich 
hat die Glashütte im Malkusgrund ihren 
Sand nicht so weit hergeholt, da nur 
venige hundert Meter von der Hütte ent— 
ernt brauchbarer Sand in reichen Lagern 
dorhanden war. 
Für den Betrieb der Glashütten und 
ie Mitglieder der Glasmacherzunft gab 
2s eine ganze Keihe gesetzlicher Be— 
timmungen, deren Übertrektung streng 
pestraft wurde. Die Hütten durften nur 
pon Ostern bis Wartini betrieben werden und mußten von Martini 
bis Ostern balt liegen. Es gab genaue Vorschriften darüber, wie- 
piel Trinkgläser täglich angefertigt. wieviel Sentner Fensterglas 
gemacht werden durften. Waer mehr herstellte. mußte es wieder 
erschlagen. 
Auch die Preise für die einzelnen Gläser waren genau vor— 
geschrieben. Das Glasmachen durften nur solche lernen, deren 
Dater auch Glaser gewesen war und zu dem Bunde gehört hatte. 
Ldehrlinge mußten mindestens zwölf Jahre alt sein, ehe sie ange- 
Judgendherberge 
ommen werden durften und jeder von ihnen wurde sofort auf den 
Zundesbrief verpflichtet. Keine Hũtte durfte zwei Strecköfen, auch 
eine mehr als einen Ofenstein haben. Welche Bedeutung die 
lasmacherzunft einst hatte, Lann man unter anderem daraus ersehen, 
aß Landgraf Philippder Großmütige 1534 das Amt des Ober— 
ogts übernahm. Alljährlich am Pfingstmontag wurde in Groß—- 
lmerode großes Bundesgericht abgehalten, das mit allen Glocken 
ingeläutet wurde. Su ihm mußten alle Hüttenmeister mit ihren 
nechten und Lehrlingen erscheinen. Alle Vergehen gegen den 
Zundesbrief wurden dort vor dem Bundesmeister verhändelt und 
ach Gebühr bestraft. Schwerste Strafe war die Ausstoßung aus 
em Bund. 
Da die Glashütten sehr viel Brennstoff nötig hatten, wurden 
e in der Kegel mitten in großen Waldungen angelegt, denn 
kijenbahnen und Kohlenzüge waren noch unbekannte Dinge, die 
derfeuerung von Holz das gegebene. Selbstverständlich bedurfte 
s zur Anlage einer Hütte der Genehmigung des Gruͤndheeren. 
zie ist wohl meist gegeben worden, weil man auf diese Weise bei 
em früheren Holzreichtum und den geringen Absatzinsglichkeiten 
ch eine feste Einnahme sicherte. Für jede Hütte mußte ein 
astimmter Sins bezahlt werden, der im 15. Jahrhundort 13 Gulden 
etrug, bis zum Jahre 1516 auf 120 Taler stieg. Weiter mußten 
ie Hütten, die sämtlich freies Beholzungsrecht hatten, ein bestimmtes 
sorstgeld entrichten, das z3. B. 1582 im Kaufunger Wald auf 
0 Taler für jede Hütte festgesetzt war. Auch für Sand und Ton 
außte durchschnittlich jaähriich ein Gulden vergütet werden. Außer— 
»em war jede Hütte verpflichtet. eine bestimmte Menge fertiger 
Vare abzuliefern. (Schluß folgt) 
Die Jugendherberqge in Niederaula. 
Müde nun bin ich am Siel, von der sinkenden Sonne beleuchtet, 
Ladet das qastliche Dach ein mich zu Kuh' und Genuß“ 
Dieser Wandspruch, der an einem Bild in der Hamburger 
unsthalle sich findet, RLam mir in den Sinn, als ich, auf froher 
erienfahrt der Großstadt entronnen, mit meiner kleinen, jugendlichen 
char nach herrlicher Wanderung durch die Wälder des Knülls, 
om Eisenberg her, vor der Jugendherberge des Knüllgebirgs— 
ereins in Niederaula stand. In einem nah am Dorf gelegenen 
zarten, dessen Uberwucherung mit Gras und Buschwerk den Keiz 
ur erhöhte, öffnete uns der Herbergsvater die Tür eines freundlichen 
ʒartenhauses. „Hier ist's fein!“ riefen meine Jungens, und für- 
»ahr das war's auch. Mit einem wohligen Gefühl fiel unwill 
ürlich unjser Blick zunächst auf die sechs ruhespendenden. mit hoch⸗ 
efüllten Strohsäcken und mit Decken ausgefiatteten Betten, und 
ann ließen wir uns behaglich am großen Ecktisch nieder. Aber 
inge sitzen blieben wir nicht, denn wie waren nicht nur müde, wir 
aren auch hungrig. „Es ist ja alles dal“ rief Heinz, der Mund— 
och. als er den Kessel auf dem Ofen gewahrte. Bald war Wasser 
geholt und Feuer gemacht, und während 
die Suppe bochte, hatten wir Muße, uns 
den freundlichen Hoerbergsraum noch 
näher zu betrachten: Den alten Bauern— 
chrank, der allerlei nũtzliches Gerät 
»irgt, die Bilder und Landkarten an 
den Wänden. And als wir dann wohl- 
gesättigt waren, da zog es uns in's Freie. 
Wohl schien der Ausenthalt auf der im 
Buschwerk versteckten bleinen Deranda 
aach der Straße hin verlockend, wir aber 
treckten die Glieder auf dem Grasplatz 
an der Giebelseite, an dem die Aula 
kräge vorüberfließt, und von wo aus 
der Blick über den Wiesengrund schweift, 
hinüber zu üppigen Feldern und zu 
waldigen Höhen. Friedliche Stille über— 
all! Nur auf der Landstraße ist noch 
etwas Leben, Erntewagen werden noch 
eingefahren, und die Dorfkinder treiben 
die Gaänse heim. Wir holen die Supf- 
Lieder. bis die Nacht uns zur Ruhe 
n Niederaula. 
zeigen und singen unsere 
reibt. 
„Hier bleiben wir noch länger!“ hieß es am andern Tag. 
Und so wurde es gemacht. Wir gaben noch einen Tag zu für das 
tnüllgebiege, dessen Lieblichkeit und Innigkeit es uüns angetan 
atte, besuchten den Kimberg und Herzberg und behrten am Abend 
wch einmal in Niederaula ein, um dann andern Tags frohgemut 
‚ur Rhön hinüberzuwandern. 
Habt Dank. Ihr lieben Niederaulaer, für Euere Gastlichbeit!
	        
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