Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

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Blätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
Nr.9/ 1921 
* 
Die Enkeltochter der Hex õ0 Von Joh. H. Schwalm. 
Erzählung aus dem Schwalmtal. 6. Foetsjetzung. 
6. Kapitel. Herbste freiwillig zum Militär gehen wollte, und Bärbchen 
ine jchlanke Mädchengestalt — ganz wie ihre Mutter mit 
ieunzehn Jahren, zum „Versehen“ ähnlich, nur zarter, feiner: 
Viesenmaßliebchen — Gartenmaßliebchen! 
So standen sie da, die zweĩ, und überlegten, wie's morgen 
jehen sollte, und tausend unschuldige, süße Geheimnisse mit 
enem urewigen Hinneigen zweier Herzen zueinander. von 
dem das Volkbslied so beusch singt: 
Kein Feuer, beine Kohle bann brennen so heiß, 
Wie heimliche Liebe, von der niemand nichis weiß. 
Keine Rose, beine Noelbe bann blühen so schön, 
Wie wenn zwei Verliebte beieinander kun stehn. 
Vie's Waldvöglein singet, wenn's der Frühling anweht, 
So dringt mir ins Herze deine liebliche Ked. 
Und willst du es wissen, wie treu ich es mein, 
So setze einen Spiegel in das Herz mie hinein. 
Und der, Spiegel wird's wissen, es ist nichts darin. 
Als Liebe und Treue und ein ehrlicher Sinn. 
„Daß du aber ja, ja nicht ausbleibst!“ hatte Bärbchen 
um Schlusse dieser ihr so wichtig dünbenden Anterredung 
leflüstert, „ich würde mich totschämen, wenn ich »sitzen« blieb.“ 
„Bärbchen! — ich ausbleiben — ich müßt denn heute 
Nacht noch sterben.“ So hatte Helwig geantwortet. 
And dann waren sie auseinandergegangen — ohne einen 
Zuß. So weoit waren sie noch nicht, der Helwig und die 
Pfarrbarb“. 
Am andern Morgen erschienen dann die drallen Schönen 
m Wirtshaus, und die Schmauserei und der Trunk des 
üßen Branntweins nahmen ihren Gang. Hei, wie wurde 
a gesungen und gejubelt — durchs halbe Dorf schallte es! 
Es war Herbst geworden, und über dem Dorfe Wiesen⸗ 
hach lag strahlender Mondschein und stahl sich zwischen die 
Heimlichkeiten der Häuser, hinab in die Gärten und Höfe 
und auf die Dorfstraßen. 
VDom Wirtshaus herüber aber blangen die quiebsenden 
Töne der Klarinette und das Schrumm, Schrumm des 
Kumbelbasses. 
Ganz Wiesenbach war in Kirmeßfreude eingehüllt. Sie 
ag darüber wie ein einziger froher Jauchzer. Vom Kind 
bis zum Greis fühlte sie jeder Wiesenbacher, entweder wie 
das Morgenrot kommenden Glückes und Genusses, oder wie 
das Abendrot, das noch einmal vor dem Scheiden die schöne 
Welt auf eine Stunde mit seinem Scheine verklärend umgibt. 
Morgen war der Hauptkirmeßtag, der Tag des jüßen 
Sranntweins. Jeder Bursche bestellte sich da heute Abend 
eine, die er „beim Süßen“ rauszuführen gedachte. 
Keine Schöne wagte es, dieser Festlichkeit beizuwohnen, 
die sich des Kausführers nicht versichert wußtke. „Beim 
süßen Schnaps sitzen bleiben,“ das war eine Schmach, von 
der sich Kindeskinder erzählten. Nur solche ließen's darauf⸗ 
ankommen und gingen auf Boff) hin. die nichts mehr zu 
oerlieren hatten. 
Auch an der Gartentür des Pfarrgartens stand ein Pärchen 
und überlegte diese süße Heimlichbeit für den nächsten Tag, 
Helwig Schmitthenner und BSärbchen. 
Wie die Seit verstreichtl Groß waren die geworden, er 
o etwa achtzehn und sie ein paar Monate über neunzehn. 
Der Helwig ein strammer Bursche, der noch in diesem 
1) Auf Puff, ohne Vorbereitung
	        
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