Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Südosten vorgelagerte Dorf im Efzegrund.) Die Straße, die von 
hier zum Stadtmittelpunkt führt, heißt Hoizhäuser Straße. 
Im Süden (bei e) lag das Freiheiter Tor. Nach einer Ansicht 
Dilichs von unserer Stadt aus dem Jahre 1501 Pönnen wir uns 
eine Vorstellung von beiden letztgenanũten Stadttoren machen. 
Sehen wir uns im Plan alle die Nebengassen an, so finden 
wir, daß sie nur den Swweck haben, von den Hauptstraßen und 
vom MWarkbt her die Wohnviertel erreichbar zu machen. — 
Der letzte große Krieg schnitt, wie wir alle erfahren haben, 
tief in den Gang unseres täglichen Lebens ein; und doch berührte 
er Leben und Gesamtbild unserer Landstädte nicht so durchgreifend, 
wie es die mittelalterlichen Fehden getan haben, die unsere uneinigen 
VDollbsstämme miteinander durchzufechten hatten. Die Befestigungen 
bilden die schönste Seistung des Mittelalters auf dem Gebiet der 
Saubunst. Sie übten überall den bedeutendsten Einfluß auf den 
Stadtgrundriß aus. 
Unsere Heimat ist besonders reich an Bruchstücken alkter Wehr- 
hauten, nach denen wir uns einen lebendig-anschaulichen Begeiff 
von ihrem dereinstigen Sustand bilden bLönnen. Es sollte jeder 
dazu beitragen, diesen geschichtlichen Schmuck würdig zu erhalten 
und vor weiterer Verwüstung zu schützen. 
tätisch braust der Sturm über das Land. Die junge Saat läßt er 
n, Wellen fluten. Das Kleefeld peitscht er hellgrün. AUnd jetzt 
ährt er durch die hundertjährigen Eichen auf jenem Hügel. Volle. 
nächtige Abborde werden zu mir getragen, stärber und jchöner als 
on der größten Orgel. Himmelsbrausen für mein Ohr. 
Eine bönigliche Nacht beginnt. Ich hole meinen Mantel und 
Stock und wandere hinaus in den Sturm. Drunten im Seulings— 
vpald toben Gewitter, zwei, drei auf einmal. Drüben am westlichen 
sNachthimmel leuchtet es rot auf. Aber weit weg. Man hört fast 
leinen Donner. Feuerballen zerreißen die beginnende Nacht und 
rleuchten auf Sebunden das Land taghell. 
Es wird dunbler. Plötzlich stehe ich in einem Feuermeer. Und 
chon deckt die Nacht wieder ihren schwarzen Mantel über Flur 
ind Feld, Berg und Tal und den Naturfreund da unten, der einsam 
ind allein im Rabenwäldchen steht. 
Die Feuerballen werden stärker, der Donner rollt näher. Lang- 
amen Scheittes gehe ich nach Hause. Mit den ersten Tropfen für 
ie Nacht Lommoe ich unterm schützenden Dache an. Meine Haus 
ame ist ganz entsetzt, daß ich bei dem Wetter und in der Nacht 
erumlaufen kann. Sie ist erregt, daß die Haustür bei einem so 
furchtbaren“ Wetter geöffnet werden muß. Ich erzähle ihr vom 
Brausen des Hochwaldes, vom majestätischen Kollen des Vonners 
ind dem wildschönen Serreißen der Nacht durch Feuerschlangen. 
entsetzt und mit bleichem Angesicht stöhnt sie: „A böw!“ was so⸗ 
iel heißen soll als: „Gehe mir weg mit deinem Spukl!“ 
Noch lange stehe ich an meinem Fenster, und noch in meinen 
Schlaf hinein singen Donner und Sturm ihr gewaltiges, schönes 
died. Ein Lied ungezügelter Freiheit, mächtigen Schaffens. GEswie 
lein sind wir Menschen gegen dich, böniglicher, alles bezwingender 
turm! Wir liegen gefesselt am Boden. Du aber fährst frei und 
tarlb wie ein Titane über die Erde, das Morsche, Alte zerstörend, 
ber zugleich auch das Starbe, Gesunde fördernd und aufbauend, 
Srause weiter, göttergleicher Sturm! Aber Hessen, unser siebes 
Ddeutschland und die ganze Erde. Fege alles Unwahre und Falsche, 
llen Haß und alle Verblendung der Bölber unserer Zeit zur Hölle! 
Triff mit deinem Himmelsstrahl alle Habgierigen und Selbstsüchtigen 
mnserer Seit/ Wecke in unseren Herzen wieder die rechte Menschen- 
iebe, die Liebe, die alles versteht, alles trägt und alles verzeiht! 
die allein ist doch das Höchste im Menschen. Brause weiter, du 
ʒturm aus der Höhe! Triff weiter, du zündender Slitz! bis dieses 
ohe Siel erreicht ist. Und dann, o Gott, lasse ein stilles, sanftes 
Sauseln über die Erde dahingehen und alle Wunden heilen! Kichte 
as Gute, das Wahre wieder auf! Belebe wieder die Geängsteten! 
Stärbe wieder die einfachen, ehrlichen Gemũterl Wann wird dieser 
choöne Tag der rechten Menschwerdung Lommen? Wir warten auf 
hn wie der Ertrinbende auf Rettung. 
Sis dahin aber brause weiter, du starber, du mächtiger, du 
eiliger Sturm! Heinrich Schweitzer. 
Sturm und Wetter. 
Ein, wildschöner Tag, der siebente im Monat Mai. Heiße 
Sonne lag bis zum Nachmittage auf der Erde, so dick und voll 
wie im Juli. Da tüermen sich plößzlich Wolken im Westen. Gleich— 
zeitig dunkelt der Himmel im Osten. Ein fernes Kollen wird hörbar. 
Jetzt trifft ein feuriger Strahl das Rabenwäldchen. Tropfen 
fallen. Die Himmelsschlacht tobt. Schwere Wolben rücken vor 
zum Kampfe gegen die Sonnenarbeit, gegen Hitze und Schwüle 
des Tages. Schon bracht und blitzt es in allen Ecken wie in der 
schönsten Schlacht. Noch zeigt sich bein Erfolg. Da brechen ganze 
Wolben auf, und Himmelsströme trinkt die durstige Erde. Ein 
frischer Hauch dringt durch die offenen Fenster in mein Simmer. 
Obwohl Sieger, räumen die Wolken doch das Feld, und bald scheint 
wieder die Sonne. Aber mild und freundlich, jetzt ganz ohne 
Leidenschaft. Die Lerchen singen wieder, und unser Gochelhaͤhn 
zieht mit seinen Damen hinaus in die blare, frische Luft auf die 
Kegenwürmerjagd. 
Es wird Abend. Mit einem Male setzt ein Sturm ein, vor 
dem selbst die hohen Eschen vor meinem Häuse an der Heerstraße 
ich verbeugen. Der Kabenwald singt ein schaurig-schönes Lied. 
Die Fensterscheiben klirren. Warieé, mein braver Hausgeist, rennt 
treppauf, treppab, schließt alle Fenster und Läden und dreht selbst 
den Schlüssel in der Haustüre um, als wenn die Russen bämen. 
Ich lache und trete zum Hause hinaus. Welche Pracht! Majse- 
— — 
VDom Kehrichthaufen der Meinungen. 
Das graue Männchen.“ 
Es war Winterabend. Fahler Mondschein ging über die Erde. 
Kalt funkelten die Sterne... 
So lange hatten sich die Kinder des Dorfes auf dem Eise ge— 
tummelt. und Kurt war einer der Ausgelassensten dabei gewesen. 
Nun erst fiel ihm das Nachhausegehen beblemmend ein, denn 
der Dater verstand in der Beziehung beinen Spaß und schlug un— 
barmherzig und ohne Verhör darauf „wie auf alt Eisen“. Kurt 
dam darum unter bösen Vorahnungen bis ans Elternhaus. 
Kichtig, da sah er auch schon die Trage neben der Haustür 
hängen, das Warterinstrument, das ihm bisher einzig und allein 
Furcht eingeflöst hatte. Andre Furcht bannte er nicht, nein. die 
war Kurt völlig fremd. 
„Die Trage hängt dir lange gut,“ dachte er, und bog in einem 
großen Bogen ums Daterhaus dem Walde zu. Dann führte sein 
Weg durch „Hessen⸗“ und „Kichards Garten“, weiter durch den 
„Schulgarten“ und endlich in „Schmerers Garten“. 
Dort stand er am Kande einer kleinen Vertiefung. Doch halt, 
vas sah er da im blassen Mondschein baum acht Scheritt vor sich? 
kin graues Männchen. Grau waren seine Hosen, grau war seine 
jacke, grau sein tausendfach durchfurchtes Gesicht, grau seine Sipfel· 
nütze, die es trug. 
Nun zog der Kleine die graue Jacke aus und legte sie neben 
ich auf einen Baumstumpf bei einem Weidenbaum, ergriff eine 
leine Hacke und fing emsig an, ein Loch zu hacken. 
Kurt sah deutlich die sonderbar geformte Hacke im Mondschein 
linben, sah wie die Erde über den kleinen Hügel kullerke, der sich 
iach und nach bildete, sah das alles verwundert ohne jedes Furcht- 
jefühl und auch, wie das Loch immer tiefer wurde, aber er hörte 
nichts, es herrschte lautlose, unheimliche Stille dabei. 
Wie lange Kurt das alles so bestaunt hatte, wußte er hernach 
elber nicht anzugeben; aber jedenfalls haite er das Ganze nicht 
lüchtig gesehen, sondern eingehend betraächtet ohne die geringste 
Angst, nur mit staunender Verwunderung im Herzen. 
Endlich ging er langsam und stillschweigend zurück und legte 
ich, um der väterlichen Süchtigung zu entgehen, in den Holzschuppen 
ruf Waldstreu, nicht ohne auf dem Rückwege noch verschiedene 
Mal stehen zu bleiben, um dem eifrig arbeitenden kleinen Arbester 
uzusehen. 
Angefähr eine Stunde mochte Kurt auf seinem Lager gelegen 
aben, da kam ihm der Gedankbe: „Willst doch 'mal jehen, vb das 
zraue Männchen noch da ist, und was es macht.“ 
Leije schlich er der Stelle zu. Aber sie war — leer und von 
»em Loche beine Spur mehr zu sehen. Nur der Mond überdeckte 
vie immer die kleine Mulde im Gelände und die abgestorbenen 
) Die unter dem Titel „Das graue Männchen“ zusammengefaßten Begeben⸗ 
heiten sind Erlebnissen nacherzählt. Es liegt darum kein Grund vor, diese Tatsachen 
oon vornherein abzustreiten. Der Berichterstatter hat vielmehr tatjächlich die Er⸗ 
cheinungen gesehen. Wie weit das objektive Vorhandensein des „grauen Männchens“ 
und der „großen Schwarzen“ anzunehmen ist. muß eine offene Frage bleiben. Der 
Oerfasser gehört weder zu den Allesleugnern, noch zu den Allesglaubenden. Es würde 
aber zur Klärung der ängeschnittenen Frage über Geistererscheĩnung und Geistersehen 
in etwas dienen, wenn weite Kreise durch Beiträge mit ihren Erlebnissen wider 
und für auf den Plan träten. Deeen sind zu richten an die Schriftleitung 
in Melsungen, oder den Verfasser, Schwalm. Kreisschulrat, Ziegenbain.
	        
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