Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

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»eimat · Schollen 
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Blätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatbunst 
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Die Enbkeltochter der Hex 0 Von Joh. H. Schwalm. 
Erzählung aus dem Schwalmtal. 5. Fortsetzung. 
Als die Kinder noch so da standen, kam Helwig Schmitt- Da ergriff sie eine irrsinnige Wut. Mit z3wei, drei 
henner, der Dater, von dem Geschrei herbeigerufen, rasch Sprüngen stand sie an seiner Seite, riß ihm Bärbchen aus 
aus seinem Hofe gegangen, der dem Platze unter der Linde der Hand und zischte, indem ihre Augen Funben sprühten: 
gerade gegenüberlag. Das ist mein Kind — meins ganz allein....*“ 
Kind, was weinst du denn so?“ fragte er gutmütig. Sie wollte Bärbchen an sich reißen, aber da hatte sie 
„Schäfers Oring hat's gebratzt.“ „So?“ Er nahm nit Helwig, dem jungen, micht gerechnet. Der Zerrte auf 
BSärbchen an die Hand. „Komm, wir wollen's abwaschen. — her andern Seite. , Das Siut muß abgewaschen werden 
Wie heißt du denn?“ Hater muß das Blut abwaschen,“ behaupfete er eigensinnig. 
„Bärbchen Berg heißt's, Dater. Ist dem Pfarrer seiner And da auch Bärbchen nach seiner Seite hinzog, und Amm 
Köchin ihres,“ antwortete jedesmal Helwig an Stelle Bärb— janz baff war, so waren die Kinder, ehe sie sich's versah, 
chens. Er war in seiner Aufregung mundfertiger als sonst. 5 Schmitthenners Hof verschwunden. 
„Bärbchen Berg?“ mechanisch sagte es Helwig Schmitt- Ann und Helwig Schmitthenner standen sich allein gegen- 
»enner. Sanft neigte er sich zu dem Kinde und streichelte iber — nach Jahren wieder zum ersten WMal. 
hm beide Wangen. Es ging wie ein Strom durch ihn hin: „Ja, Ann, es ist dein Kind,“ sagte Helwig ganz ruhig, 
Bärbchen Berg — sein Kind .... ast traurig — „aber es war mir so, als ob ich's um Ver⸗ 
Gerade in diesem Augenblicke löste sich von der Garten— eihung bitten müßt' — um etwas, das ich ihm angetan 
ktür des Pfarrgartens, der sich auf der andern Seite der ab', und die.“ 
Dorflinde ausbreitete, eine Frauengestalt, Ann, die im Garten Ann sah ihn flammend an und Helwig fuhr fort: „Du 
gesessen und an dem Herrn Pfarrer jeinen Strümpfen aus- ast viel gelitten — ich noch mehr, noch viel mehr. Von 
gebessert hatte. Es war so still dort gewesen, und die nir ist's Glück davongesiogen, zu dir ist's hingeflattert. Du 
Sienen hatten so friedlich gesummt im Lindenbaum, und ast Kuh gefunden im stillen Pfarrhaus. VBon mir ist die 
Dater Star hatte so froh auf dem Scheunendach geblappert Zuh gewichen — bei Tag — und' bei Nacht. Ich hatt' 
und geplappert — und dazu der Kindergesang. Da war ijne bravbe Frau — ein Kind — hin. Kein Glück — Ann. 
sie in die Gedanken gebommen, die waren-weit, weit weg- pollen wir nicht Frieden machen?“ 
geflattert in das Land der Träume. in dem's beine Tränen „Frieden machen? — mein Lebtag nicht — für die 
und kein verfehltes Leben gibt . ... Schmach — bezahlt — ausgestoßenl — —“ Ann drängten 
Da — der Kindergesang war plötzlich verstummt. Einer ich bei ihrem raschen Wesen die Gedanken in solcher Fülle 
Lurzen Kauferei folgte ein herzzerreißendes Geschrei, und die iuf, und ihr Herz pochte so, daß sie nur einzelne Worte 
da so gellend schrie, das war ihr Bärbchen! luszustoßen vermochte. 
Ann eilte fliegenden Fußes aus dem Garten und sah noch „Ann, ich bitt' dich um Gottes Willen um Verzeihung, 
gerade wie Helwig Schmitthenner, der Dater, ihr Kind streichelte. und noch heut geh' ich zum Pfarrer“
	        
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