Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Orten unserer engeren Heimat folgen. Es wird sie interejsieren, 
was tin benntnisreicher Mann vor 200 Jahren als ,‚Merkwürdigkeit 
ansah. 
Siegenheim. Eine Stadt und considerable Vestung, hat vor 
diesem seinen eigenen Grafen gehabt, davon der letzte Duno 1453 
Graf, Johann der Große so starb gewesen, daß er einemals zu 
Frankenberg ein Fuder Wein, so ihm im Wege gestanden, beyseits 
gehoben, und als ihn seine Mutter hierum gestraft, daß er seine 
Leibesstärbe nicht so liederlich mißbräͤuchen solle, jeye er alsbald 
hingegangen, und habe es wieder an seine vorige Stelle gejsetzet 
Hirschfeld GHersfeld), die Hauptstadt dieses Fürstentums 
daselbst ist die Dohm-Kirche remarquabie, welche sehr hoch und 
groß, ruhet auf 16 Pfeilern, und hat die Fenster gantz zu oberst, 
ijt dennoch so helle, daß man nicht leicht ihresgleichen antreffen soll. 
Sei Spangenberg werden eine große Menge kleine runder 
Steine gefunden, die alle von Natur das Seichen wie eine Spange 
auf sich haben. (Es sind Encriniten, fossile Stengelglieder der See 
lilie, gemeint.) 
In Homberg ist ein Schloß, von welchem man über 100 Städte 
und Dörfer zehlen Lann. Daselbst ist auch ein Brunn. der 80 
Klafter tief. 
Sei dem Flecken BSerstadt ist eine milchwarme Quelle, deren 
Ablauff sich mit dem vorbeyrinnenden Bach vereinigt, in welchem 
Krebje gefangen werden von sonderbarer Eigenschaft, sintemahl die 
so ob der Quelle gefangen werden, roth, die aber, so man unter 
derselben bekommt, im Sieden gelb werden. 
Der hohe Berg Weisner genannt, welcher oben einen Kaum 
und Ebene hat, fast drei viertel Meilen lang, darauf etliche tausend 
Acker, Wiejen, auf welchen das schönste Graß wächst, so fast ginen 
Menschen bedecket; auch sind allda schöne Beunnen uͤnd Quellen, die 
mit großem Geräusch zwischen den Steinklippen herunterfallen.n. 
Amöneburg. 
Eine unter den hessischen Burgen ist die stolze Amöne— 
burg bei Kirchhain. Wie ein großer Altar erhebt sie sich aus 
Wiesengrün zur Himmelsbläue. NAuf ihrem altersgrauen Kücken 
trägt sie das Städtchen gleichen Nameus. Ihren Fuß umwindet 
das Silberband der Ohm. Im Spätherbst steht sie jchon oft im 
winterlichweißen, glitzernden Hermelinmantel da, wenn noch das 
weite Ohmtal im fahlen, herbstlichen Schlummer ruht. Ehedem 
war die Felsenburg uneinnehmbar. In uralten Zeitken spie dieser 
OHulban Feuer und KRauch über die gesegnete Ohm⸗Ebene. 
Der wechselnde Anblick dieser riesigen Bafaltkuppe zeigt oft 
Silder von entzückender Schönheit. 
Wenn die Sonne im Westen den Abendhimmel goldrot auf · 
strahlen läßt, dann hebt sie sich gar manchmai in ihren massigen 
Umrissen malerisch vom Himmel ab. Wie auf Goldgrund erscheint 
dann ihr Kiejenhaupt, ein Bild voll Sehnsucht und Friede, wies die 
alten Meister geschaut und gemalt haben. 
Wenn matter Sternenschein und silbernes Mondlicht die Gegend 
in nächtlichen Zauber einspinnt, dann erscheinen ihre dunklen. 
geschwungenen Umriß-Linien weich und jchwermütig am Nacht 
Himmel. Stundoenwoit in der Umgébund erschauen wir den Bera. 
riesen. Ein malerischer Durchblick, eine weitblaffende GEffnung 
weier Bergzüge zeigt uns dann das Städtchen im verschwimmenden 
Slau, des Himmels wie eine ferne, ferne fata morgana, ein 
Märchen aus Tausend und eine Nacht. 
Du lieber, stolzer Heimatberg, wie lieb ich dich so sehr! 
Auqust Knoch-Kirchhain. 
Storchschicksal in Deutschland. 
besonders in Hessen. 
Der in Ost. und Norddeutschland noch ziemlich allgemein 
erbreitete Storch ist bei uns in Hessen schon recht selten geworden. 
Ursprünglich war der Storch ein Baumbrüter, wie ich ihn auch 
eutzutage noch vereinzelt auf Pappeln und —A 
and, 3. B. bei Wollmar und Sarnau in der Warburger Gegend. 
Dder Abergang zum Horsten auf Gebäuden erfolgtke, wie der 
frankfurter Soolsoge Dr. Schnurre in seinem allen“ Ratur, umd 
dogelfreunden zu empfehlenden Buch „Die VOoõgel der deutschen 
Zulturlandschaft“ (Derlag Elwert, Marburg) ausführt, wohi so, 
aß einzelne Paare zunächst die bei einem Gehöft stehenden Bäume 
esiedelten. Wurden leßtere gefällt, so lag es nahe, daß die 
Störche ihr Nest auf ein nahes Dach bauten. Die Kultursteppe, 
esonders der Wiesenbau, hat dem Siorch eine starke Vermehrung 
emöglicht. Seine Abnahme neuerdings ist durch Anderungen der 
hn früher begünstigenden menschlichen Kultur bewierbt; für sein 
Aussterben sind neben dem Abschuß durch gedanbenlose Schützen 
die veränderte Bauweise ländlicher Häuser und die Trockenlegung 
der Wiesen, also Kulturveränderungen, voerantwortlich zu machen. 
Durch Schutz der Vögel und Horste, Sefestigen von großen Wagen- 
ãdern auf Dächern und starben Bäumen, sowie Erhaltung von 
Tümpeln und anderen stehenden Gewässern, in denen Frösche, des 
lapperstorchs Lieblingsnahrung, leben, vermögen wir den bei Alt 
ind Jung beliebten langbeinigen Sumpfvogel, den sagenumwobenen 
Adebar“ zu hegen, der eigentlich wie der Kiebitz zu jeder deutschen 
Miesenlandschaft gehört und schon von unseren Vorfahren geschützt 
ind verehrt wurde. Davon legen alte Kinderlieder und Bolee 
närchen Seugnis ab. Im Altdeutschen hieß er Odebero, das 
eißt Glücksbringer: ein Haus, auf dem der Storch nistete, galt 
ür geschützt gegen Blitz und Feuer. Hat man Geld in der Tasche, 
venn man den ersten Storch sieht, so wird man das ganze Jahr 
zjut bei Kasse sein. Von dem Storch als Kinderbringer“ handelf 
unter anderen Chamissos Gedicht: 
Was blappert im Hause so laut? Horch, horch! 
Ich glaube, ich glaube, das ist der Storch. 
Das war der Storch. Seid, Kinder, nur still 
And hört, was gern ich erzählen euch will 
Er hat euch gebracht ein Brüderlein 
And hat gebissen die Mutter ins Bein — — 
Sur Erlangung eines Überblickes über die jetzige und frühere 
Derbreitung des Freundes Storch erbitte ich Nachrichten über 
ein Auftreten. besonders in Hessen, an meine Anschrift. 
Merner Sunkbel. Marbura in Hessen. 
Dom Pulsschlag der Heimat. 
BSohneburqsaqe. 
Ein dunbler Winterabend. Der Sturm heult in den Sweigen 
der entlaubten Bäume und fegt um die höohen Mauerreste der 
Boyneburg. Vom Tal herauf blingen leise und zerrissen die zwölf 
Schläge einer Turmuhr. NAus dem finsteren Gemäuer tkritt lautloe 
und unsicher eine weiße Gestalt und entschwindet ins Tal. Woe 
sie dort tut, man weiß es nicht genau. Man jagt, sie besuche die 
Hütten der guten und edlen Menschen und erfeile dort gebeim 
ihren Segen. 
Es ist jenes der drei Ritterfräulein von Boyneburg, der der 
Tod durch Blitzesschlag bestimmt ward. Ihr träumte einst, eine 
der Schwestern müsse jterben und freitwillig in den Tod gehen. 
Am Morgen erzählt sie den Traum den Schwestern. — Dunkles 
Gewoölk zieht auf, die Wolken ballen sich zu drohenden Massen, 
Slitze zucken und Donner rollen. Die älteste der Schwestern 
nimmt Abschied, denn sie wähnt sich als die Totgeweihte und geht 
hinaus in das tosende Wetter. Sieé wartet eine NMacht und einen 
Tag, sie bleibt unversehrt. Der zweiten ergeht es ebenso. Sagt 
die jüngste: „Nun ist es gewiß, daß ich sterben soll.“ Sie läßt den 
Pfarrer aus dem nächsten Dorfe kommen, nimmt das Abendmahl 
und bestimmt. an ihrem Todestaade solle alliährlich den Armen 
eine Spende gereicht werden. Sie umarmt die Schwestern und 
erschwindet in dem düsteren Unwetter. — Ein jäher Blitzesschlag. 
ein laut schmetternder und langsam verrollender Donnen, Dann 
vricht die Sonne durch die Sweige und lacht über die Landjschaft. 
— Es gab fürder nur noch zwei Fräulein von Boyneburg ... 
Dem Vermächtnis getréeu wird am Gründonnerstag den Armen 
der Umgegend Brot und Spack gereicht. Walten Holxapfol⸗Eschwege. 
De glässerne Scheeje. 
ne gruseliche Geschichte, die awpwer wohr sin sall. 
(Melsunger Mundart.) 
Om Wengesberge wor's, emme Meddernochd, 
Es gingk en Schtorm wie off Deiwel on WMord, 
On duster hingken de Wolben on schwarz 
Ewwer der Fohle her. Awwer wos maͤcht's, 
Wammeé doch hem muß noch emme die Sidd. 
Ra schließlich eß jo der Wegk net so witt 
Sis Melsongen — en halwes Schtindchen bloß. 
So dohcht ech, on demmelte forsch droff los 
Ech bomb öh werblech hebsch dapper vom Fleck, 
Dann owwer den Hoppel wor ech schond wegg.
	        
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