Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Aus alter Seit. 
Die Hainer Höfe.d 
VDon A. Woringer. 
n Hessen das Kloster Haina säbularisiert wurde, bestimmte Land⸗ 
raf Philipp der Großmütige den Hof und die zugehörigen Güter 
zuur Anterhaltung der Aniversität Marburg. Damadle brachte der 
dof jährlich etwa 2000 Gulden ein, von denen nach Abzug der 
Besoldungen, Baubosten, Armenunterstühungen und anderer Aus— 
aben noch etwa 800 Gulden an die Aniberfität abgeführt wurden. 
zchon nach burzer Seit trat der Landgraf aber den Hof allein, 
Hne die der Aniversität verbleibenden Grundstücke und Einkünfte, 
in den damaligen Landesheren Fritzlars, den Mainzer Kurfürsten 
ind Erzbischof Daniel Brendel von Homburg ab. Dieser ver⸗ 
aufte den Hof am 4. August 1578 für“ Aoo Gulden an die Slaͤdt 
fritzlar unter der Bedingung, daß diese das baufällige Gebäude 
urch ein neues ersetze, welches der Stadt zur Feier bürgerlicher 
jeste, als öffentlicher Hufzüge, großer Hochzeiten, Kindtaufen ujw. 
ienen sollte. Dieser Neubau wurde alsbaid begonnen und war 
ereits 1581 fertiggestellt. Er bostete die Stadt 8300 Taler. Das 
)aus wurde mit eigenem Hausgerät, Leinenzeug zu Gedecken, 
zinn⸗, Kupfer- und sonstigem Küchengeschier ausgestattet, und zwar 
adurch, daß nach der 1651 erlassenen Hochzeilsordnung des Rat⸗ 
u Fritzlar wegen der Hochzeiten auf dem Hochzeitshause,“ jedes 
ẽhepaar, das seine Hochzeit oder eine Kindtaufe im Haujfe feierte, 
in Geschenb in Geloͤ oder in Leinen zu stiften verpflichtet wurde. 
dafür hatte das Ehepaar das KRecht, den Kest des für die Fest— 
ichkeit besonders gebrauten BSieres, der bei der Hochzeit oder der 
rindtaufe übrig geblieben war, nachher im Hochzeitshause öffentlich 
uszuschenken. Der 80. jährige Krieg spielte dem Hause übel mit, 
eshalb es 1662 ausgebessert werden mußte; 1681 mußte aber 
hon wieder eine Ausbesserung am Dachstuhi vorgenommen werden. 
zm T-jährigen Kriege wurde das Haus als Lazarett verwendet, 
ei welcher Gelegenheit jein ganzes reiches Invenkar verschwand. 
Auch wurde das Gebãude jelbst so baufällig, daß es in den nächsten 
Jahrzehnten nur als Holz- und Fruchtmagazin verwendet werden 
onnte. 1821, ließ es die Stadt mit einem Kostenaufwande von 
ooo Taler als Menage für das damals in Fritzlar in Garnison 
egende burhessische 1. Husaren-Kegiment einrichten. 1834, nachdem 
ie Stadt die Garnison verloren hatte, beabsichtigte man, das 
Sebäude als Schulhaus einzurichten, gab den Plan aber wieder 
suf. Das Haus diente dann bis 1863 als Rathaus und Gerichts⸗ 
ebäude, bis es in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts 
ls Artilleriebajerne eingerichtet wurde. Nach Erbauung der neuen 
Taserne dient das Gebäude seit 1903 als Schuse 
Als der Sweigverein Caßel des Vereins für hessijche Geschichte 
uind Landesbunde bei seinem Ausfluge nach Fritzlar am 22. Obtober 
20 nach der Besichtigung des Doms auch den stattlichen 
grauen Turm und die Keste der Stadtmauer besichtigt hatte und 
von dort zum Bahnhof zurückbehrte, zeigte Herr Dombaumeister 
Dr. Becker in der 
Geismarstraße 
noch im Vorüber⸗ 
gehen das Hoch— 
zeitshaus, einen, 
vie die Abbil⸗ 
dung 1 Zeigt, 
recht stattlichen 
Bau, den Hoerr 
Dr. Becber als 
früheren Hainer 
Hof bezeichnete. 
Wenigen der da— 
bei anwesenden 
VOereinsmitglie⸗ 
der wird wohl 
über die Hainer 
Hofe etwas Nähe⸗ 
res bebannt sein; 
ich darf mir des— 
halb wohl erlau⸗ 
hen, über diese 
Höfe einiges mit⸗ 
zuteilen. 
Das Kloster Haina, richtiger die Cistercienserabteĩ zur heiligen 
Maria in Haina, ist allgemein als jetziges Landeshospital Haina 
»elannt. Das Kloster wurde, aber nicht an seiner jetzigen Stelle, 
ondern in dem nahe gelegenen Aulesburg, von Graf Poppo J. 
»on KHeichenbach aus dem Geschlechte der Grafen von Siegenhain, 
der 1114 bis 1156 lebte, zwischen 1138 und 1141 gegründet und 
1150 mit Cisterciensern aus dem Kloster Altenburg im Kheinlande 
—D 
zu haben. Die neuen Insassen verließen das Kloster wieder, das 
aun von Prämonstratenser Mönchen und Nonnen bezogen wurde 
die aber auch bald abzogen. Nun bamen zum zweitenmale Cister 
cienser aus Altenburg, die aber dann nach Michagelstein im Braun— 
schweigischen gingen; neue Anbömmlinge aus Altenburg kehrten 
dorthin zurück. Erst als Graf Heinrich III. von Siegenhain im 
Jahre 1188 das Kloster aufs neue mit Mönchen aus Altenburg be— 
etzte, erhielt das Kloster Bestand, wurde aber nach Altenhaina 
und 1214 endgültig nach Haina vorlegt. Bebanntlich überkrafen 
die Cistercienser an unermüdlicher Landarbeit alle übrigen Orden. 
So gelang es ihnen denn auch in Haina zu Wohlstand zu 
gelangen. Ansere Abbildungen 2 und 3 geben die stattliche, um 1230 
erbaute Kirche des Klosters wieder. Sie erwarben bei Haind 
jelbst größere Besihungen und begannen bald auch außerhalb 
ihres Wohnsitzes Güter und Höfe anzubaufen. In zahlreichen 
Städten und Dörfern Hessens, aber äuch über dessen Grenzen 
hinaus hatten die Haĩnger Mönche ihre Niederlassungen, in denen 
hre Vögte saßen, welche die dem Kloster zuständigen Gefälle 
in der Umgegend zu erheben, die Sehnten zu sammeln und die 
Uberschüsse nach Haina abzuführen hätten. Diese Höfe führten 
den Vamen,„Hainer Höfe“. 
Ich gehe auf die einzelnen dieser Höfe näher ein und zwar 
zunächst auf den bereits erwähnten Hainer Hof in Fritzlar. Diesen 
Hof hatte das Kloster Haina bereits im 13. Jahrhundert erworben 
und durch ein als Renterei dienendes Gebäude vergrößert. 1314 
schenkte der ·Cantor des Fritzlarer St. Petersstiffes, Hermann 
d. Grune?), dem Kloster Haind bedeutende Güter in Kleinenglis, 
Holzheim, Altendorf, Sohne, Dorla und AUnseligendissen?). Dafür mußte 
der Abt von Haina versprechen, auf eigene Kosten wöchentlich 
an drei Tagen allemal einen Scheffel Korn verbacken und durch ein 
Mitglied des Rats, wenn die Meßglocke läutet, im Hainer Hofe 
zwei Brote an die Hospitaliten, die übrigen an die sich einfindenden 
Armen austeilen zu lajsen. Als bei Einführung der Kesormation 
1), Vortrag im Sweigverein Cassel des Vereins für hessische Geschichte und 
Zandesbunde. 
2) Jetzt Grohnde bei Göttingen. 
3) Wüstung bei Dissen. 
Abbildung 1: Fritzlar. Hochzeitshaus. 
Abbildung 2: Haina,. Kirche und Kreuzgang. 
In der alten, einst durch ihren Wohlstand hervorragenden, aber 
urch den großen Brand von 1476 verarmten oberhessischen Stadt 
frankenberg besaß das Kloster Haina seit 1269 einen Hof mit einer 
Zapelle, der sog. Heidebirche. Der hier wohnhafte VDogt des 
Zlosters verwaltete dessen Einkünfte aus den Gemeinden Frankben⸗ 
erg, Röddenau, Bringhausen, Battenberg, Sachsenberg und Holz⸗ 
»ausen. Die Kapelle wurde 1822 abgebrochen und an ihrer Stelie 
ie Kleinkinderschule erbaut. Der Hof blieb dem Kloster Haina 
ils Einnahmequelle bis 1810, dann wurde er von der Lönigl 
vestfälischen Kegierung eingezogen. 
Ein anderer Hainer Hof befand sich in Wetter am Antertore. 
Der dortige Klosterarzt erhob die Einbünfte des Klosters aus den 
Hemeinden Wetter, Sarnau. Simtshausen. Münchhaufsen. Stor
	        
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