Auf der Heimatwarte.
Hessischer Geschichtsvereĩn.
Im allmonatlichen wissenschaftlichen Unterhaltungsabend ge⸗
achte man der vor 150 Jahren erfolgten Umbenennung der
asseler Strahennamen. Landgraf Friedrich II. durchaus deutsch.
Jesinnt, schloß sich dem damaligen Seitgeschmack an und erließ
im 20. Sezember 1715 eine Verordnung, nach der eine Anzahl
Straßen mit alten sinngemäßen Namen, mit Namen batholischer
heiligen, bezeichnet wurden. 3. B. wurde aus der Mittelgasse
ine Dionysiussiraße, die Oberste Gasse zur MWartinsstraße, der
Zack zur Ambrosiusstraße ujw. Diese Namen bürgerten sich jedoch
nemais ein. Erst 1861 ließ man dieje jremden Bezeichnungen sallen.
Sodann hieit Geh. Rat Scheibe einen vollendeten Vortrag
iber den vorreformatorischen Humanismus. Der Gelehrte widmete
seine Ausführungen dem Lebensbilde des Mucianus Rufus. Conrad
Muth, mit deutschem Namen, stammt aus Homberg, wo jein
ater Katsherr war. Nach vorzüglicher Ausbildung in der be—
hmten Schule des Alexander Heglus bezieht Mutianus schon mit
5 Jahren die Universität Erfurt. Eine große Erbschaft gibt ihm
die Moͤglichkeit, in Italien seine Studien zu beenden. 1495 er⸗
angte er in Bologna den Dr. juris. Sodann finden wir ihn als
Kanonikus in Gotha, nachdem er eine Lehrstelle an der Erfurter
Universität ausgeschlagen hat. Mutianus wird dann zum Führer des
ungeren Humanismus. Es verbinden ihn Beziehungen mit allen
edeutenden Personlichkeiten der damaligen Seit. Seit 1519 ver⸗
laßte infolge Bürgerzwist, Bauernkrieg und Pest auch jein Ruhm.
Er stirbt 33jãährig am 830. März 1526. Mit ihm geht ein glänzender
Charakter unter den vorreformatorischen Humanisten dahin.
Der gesprengte „Hahn“ beĩ Holzhausen.
Der allen Wanderern und Naturfreunden bekbannte Basalt-
legel, der „Hahn“ bei Holzhausen, ist durch eine 400 Sentner
schwere Spreugladung zerstört worden. Gleich dem Scharfenstein
und Maderstein gab er der Landschaft ein charabteristisches Gepräge.
Ein Drittei des Berges ist verschwunden. Die nach Gudensberg
gelegene Sũdjeite ist ein wildes Durcheinander von Steintrümmern
die ein Steinbruchunternehmer für seine Swecke ausbeuten wird.
Schmerzlich getroffen fũhlen sich alle hejsischen Naturfreunde; auch
die jungen wie aiten Bauern der Umgegend beblagen sich bitter
darüber, daß behördlichersjeits nicht eingescheitten worden ist.
Der hessijche Gebirgsverein hat sich erfreulicherweise sofort
der Sache wärmstens angenommen und man will wenigstens ver⸗
uchen, dem weiteren Serstörungswerb Einhalt zu tun. Der rũhrige
Horsitzende Wenning eichtet daher einen Appell und eine Anfrage
in die Regierung und an die maßgebenden Stellen, in der die
Sprengung näher beleuchtet und die Forderung aufgestellt wird,
den Berg jchnellstens unter Naturschutz zu stellen. Die Schönheiten
der Natur, die Allgemeingut sind, müssen vor der Ausbeutung
Einzelner geschũtzt werden. Bei dieser Gelegenheit wird auch der
Kuf nach der Verabschiedung des längst ausgearbeiteten Natur-
schutzgesetzes wieder laut.
Eine hessische Grönland-Expedition.
Die beiden hessischen Gelehrten K. K. E. Krũger, Assistent
im Geologischon Instiiut der Technischen Hochschule in Darmstadt,
ind Professor Feitz Kiute, Ordinarius jũr Geographie an der Landes-
aniversität Gießen, sind wohlbehalten von einer viermonatigen
arktijchen Expedition durch Grönland mit außergewöhnlichen Erfolgen
und großer Ausbeute an wissenschaftlichenn Material zurückgekehrt.
Die beiden Forscher bamen Ende Juli mit einem dänischen
Kegierungsdampfer in Umanak in Grönland an, wo das Schiff
erlassen wurde. Sowohl bei den dänischen Behörden, wie in
Bröniand selbst fand die Expedition das weitestgehende Entgegen⸗
sommen. Hauptaufgabe der Exrpedition war die geologische Er⸗
orschung der Westhüste Grönlands. In Booten sowie zu Fuß
ind im Schlitten wurden in vier Monaten über 1000 Kilometer
rönländischer Landschaft durchreist und systematisch erforscht. Die
jroße Halbinsel Nugsuaß wurde im Sommer durchquert, ein Unter⸗
iehmen, das bisher noch nie versucht wurde, da bisher die Halb—
injel nur im Winter mittels Schlitten als begangbar galt. Unter
großen Schwierigheiten wurde in Begleitung zweier Grönländer
diese Aufgabe glänzend gelöst, wobeĩ die Forscher, mit einem
Zentner Gepäck auf dem Rücken einen T00 Meter hohen, starb
hergletscherten Paß ũberschreiten mußten. Darauf wurde eine
Keije in das Innere der Insel unternommen.
Die Ausbeute der Expedition ist derart groß, daß Hessen nun⸗
mehr ũber die zweitgrößte Sammlung von Gesteinen der West⸗
züste Grönlands versügt. Außerdem wurde eine große Menge
wertyoller Schaustũcke mitaebracht. Das Material wied den Samm⸗
ungen der Technischen Hochschule in Darmstadt und der Universi⸗
ät Gießen zugeführt werden. Besonders wertvolle Funde wurden
iuf der Halbinsel Nugsuak gemacht. Auch viele photographische
Aufnahmen bonnten hergestellt werden, die der deutschen Wissen
chaft zugänglich gemacht werden jollen.
Wilhelm Speck und die Nachwelt.
Ein Dichter, desjen tragisches Geschick es war, sein Schöpfer-
um unbvollendet und sein Bestes ungesagt lassen zu müssen, weil
rũhzeitige VBerdũsterung des Gemũts das von strengster bLünstlerijcher
Hewissenhaftigkeit bonfrollierte Schaffen innerlich lähmte, bis es
on außen, durch unheilbare Erbrankung des Körpers, gänzlich
bgesjchnitten wurde — ein solcher Dichter hat mehr als andere
Anspruch darauf, von der Nachwelt in besonders lebendigem An-
enben gehalten zu werden. And freilich nicht bloß in dem Sinne,
aß die paar Bücher, die herauszubringen ihm gelang, die „Swei
ʒeelen“, die als „Suchthausroman“ ein reichlich schiefes Etikett
on seiten der zünftigen Literarhistorie erhalten haben, und die
leineren Erzählungen vom „Joggeli“, von „Ursula“, den „Flücht-
ingen“ und dem „Quartettfinale“, im geistigen Haushalt des deutschen
doibes, vorsichtiger gesagt, der deutschen Lesewelt, ihren ehrlich
eworbenen Plaß behalten. Nein, das ist selbstverständlich und
arum handelt sichs nicht. Die Schuldforderung, mit welcher das
njagbar traurige Schicksal eines der feinfühligsten Menschen und
orgsamsten Projaiker dieser Seit die Nachwelt belastet, liegt in
er Aufgabe, die Persönlichkeit Wilhelm Specks, die mensch-
iche und geistige Gesamterscheinung dieses Dichters festzuhalten,
he sich ihr Biid verflüchtigt. Die überaus liebenswerten, wahr⸗
aft ans Herz greifenden Sũüge diejes Bildes ergeben sich in der
kät nicht bloß aus den Dichtungen, in denen sie ja erst hinter der
darstellung aufzuspũren sind, sondern vor allem auch aus den
Zrießfen, die Wilhelm Speck hinterlassen und in denen er eine
anz eigentümliche Begabung, das innere Erleben zu fixieren.
fenbart hat. Speck war ein Briefschreiber, wie es nicht viele
aehr gibt; es ist in seinen Briefen aber nicht nur die selbständige
form, die erquickt und fesselt, sondern auch, was er zu sagen hat:
enn eben darin gibt sich eine Geistigkeit von ungewöhnlicher
Selbstdurchdringung und Weltverarbeitung bund, eine Wesensart,
ie näher bennen zu lernen die Nachwelt auch im eigenen Interesse
niicht versäumen darf. Heinrich Spiero hat ja mit der Veröffent
ichung von Wilhelm Specks „Briefen an einen Freund“ (Martin
Varneck, Verlag, Berlin) einen dankenswerten Anfang gemacht.
Aber es ist noch viel Material da, das verwertet werden will und
nit den Erzählungen des Dichters zusammen die Grundlage einer
iographischen Synthese zu buden hat, eben jener Aufgabe,
nit deren Erfüllung die Nachwelt, einen geistigen Torso organisch
rgänzend, Wilhelm Specks Bestimmung in der Tat erst noch
»ollenden muß. W. S.
Junghessisches Kunstschaffen.
In den Räumen des Casseler Kunstvereins hat gegenwärtig
die „Malergruppe 1028* ausgestellt, die sich vor zwei Jahren im
zeichen des Protestes gegen eine einseitig expressionistische Kunst
heorie und Kunstpolitiß zujammengeschlossen hat und ein durchaus
mabhangiges Schaffen junger Kräfte repräsentiert. Su ihnen
jehört als männlichfie, lebensvollste Begabuung Heinrich Dersch,
zer, vor allem Landjchafter, auch diesmal Beweise reifen und
varmblũtigen Könnens liefert. Starke geistige Impulse empfängt
ie Gruppe von Rudolf Siegmund, der auf der Ausstellung
nit farbenfrohen Landschaften und figũrlichen Sildern gut vertreten
st. Gerhard Sh, wie Dersch ein Banter-Schüler, hat, wie
mmer, Landschaften und Bildnisse beigesteuert, wäͤhrend ein anderer
hemaliger Schüler der Casjeler Abademie, der jetzt in München
ebende Wilhelm Heise, mit Steinzeichnungen phantastischer
Art seine weitere Entwickelung dobumentiert. Er sowohl wie
friedrich Fennel, der ausgesprochen hessische Landschafter, sind
zãste der Gruppe, der sich auch der hochbegabte Casseler Sildhauer
jritß Wach smuth angeschlossen hat; seine Holzplastil erscheint
edeutender, weil selbständiger und durchgeistigter als die des noch
iemlich im Naturalismus befangenen Weimaraners Arnold
dahlke, der ebenfalls in der Gruppe 23 gastiert. Als Ganzes
eigt die Ausstellung ein Niveau, das den wenig befriedigenden
indruck der Ausstelung im Vormonat auszugleichen und mit der
Dobumentierung ernsten künstlerijchen Wollens und beachtlichen
Aönnens eine Ehrenrettung des heimischen Kunstschaffens zu
ewirben geeianet ist w. S.
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Nachdruch nur nach Abereinkunft mit dem Herausdeber gestattet.
Herausgeber: Konrad Bernechker. Deuck,und Verlag: M. Seernecker. Melsungen.
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