endlich, da meine andere Mundart ihnen auffiel: „Wo sind Sie
denn her?“ Ich sagte: „Aus Sachsen!“ Das war allerdings sehr
vpeit für ihre Begriffe. Da wir gerade unter einem Baume
tanden, erzählte ich ihnen: Bei uns in Sachsen sagt man zu den
Aleinen Kindern, wenn man sie auf den Knieen schaubelt:
„Schacke, schacke Keiterlein,
Venn die Kinder bleine sein, reiten sie auf Steckelein.
Venn sie größer werden, reiten sie auf Pferden,
Wenn sie größer wachsen, reiten sie nach Sachsen,
Wo die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen.“
Das gab ihnen allerdings viel Spaß!l Nun bat ich sie, mir
och einmäl ein Spiel vorzuführen, es würde mir eine große
Freude sein. Erst zierten sie sich ein wenig und wollten nicht so
echt daran. Aber ich hörte nicht auf zu bitten, und so stellten
ie sich denn vor den Stamm der Eiche, der dem lebenden Bild
rine dunkle Folie gab, und spielten sehr niedlich mit gegenseitigem
Händeschlagen: Dumme Liese, hol Wasser, hol Wasser, dumme
Liese ujw., bis die lange Litanei vom lieben Heinrich und der
dummen Liese ein Ende hatte. Anterdes waren noch ein paar
indere Mädchen den Berg heraufgebommen. Durch einiges Su—
eeden führten sie mir dann ihre hübschen Kreisspiele vor. Was
par das für ein farbenfreudiges Bild unter den beschirmenden
Armen der alten Eiche! Als das Spiel mit den Worten endigte:
DOie Mutter ist 'ne Hexe“ — da bhörten wir lieber auf zu spielen.
Mun wollen wir auch einmal ein Lied singen. Wißt ihr vielleicht
zins vom Vaterland und seinen Eichen?“ Sie tuschelten unter
einander, bis sie sich geeinigt hatten auf das Lied: „Ich hab mich
rrgeben.“ So sangen wir es denn zusammen. Alte Eiche, wie
st dir zumut, wenn schon die bleinen Hessenmädchen singen:
Laß Kraft mich erwerben mit Herz und mit Hand.
Zu leben und zu sterben fürs deutsche Vaterland?
„Kinder, ihr wißt, daß heute Sonntag ist. Da wollen wir einmal
inter dieser schönen Eiche noch ein Lied singen, welches auf den
Sonntag paßt. Habt ihe in der Schule vielleicht ein solches gelernt ?*
Vieder beraten sie heimlich miteinander. Dann schlagen sie vor:
„So nimm denn meine Hände.“ „Ja, das wollen wir singen!“
So hielten wir unsern Kindergottesdienst auf freiem Felde unter
der Wieraer Eiche, indem wir die drei Verse des alten, unver⸗
Jjänglich schönen Liedes zweistimmig miteinander sangen. Wo in
deutjschen Schulen noch solche Lieder gelehrt werden, da ist mit
Ddeutschlands Untergang noch nicht zu rechnen, denn über alles
Dunbel siegt doch das Licht der Hoffnung:
„Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht,
Du führst mich doch zum Siele, auch durch die Nacht.“
Nun lebt wohl, ihr lieben Kinder, ihr habt mich sehr erfreut!
Spielt fröhlich weiler! Lebe wohl, du alte, deutsche Eiche! Du
ast mir eine schöne Sonntagnachmittagsstunde beschert. Ein paar
einer Blätter mußt du mir aber lassen, daß ich dem großen Künstler,
er deine Schönheit erkannt hat, ein Andenken von dir beingen kann!
Ich gehe nun mühsam den steilen Abstieg hinunter und gelange
iuf die Fahrstraße. Da höre ich die ganze Schar bleiner Mädchen
nir nachgelaufen Lommen. Die Beherzteste rückt mit der Frage
eraus: „Haben Sie schon den Albstein gesehen?“ „Nein,
en benne ich nicht, was ist mit dem Albstein? Wollt ihr ihn
nir zeigen?“ Sie jũhren mich an einen Abgrund, doch ist der
Veg dahin zu naß, sodaß wir den gewaltigen Block nur von oben
hen bönnen. Und nun erfahre ich von der bleinen Schwälmerin
higende sagenhafte Geschichte: „Dor vielen, vielen Jahren, als es
och Kiesen im Lande gab, lebten deren zwei, einer auf der
'andsburg und einer auf der Amöneburg. Beide pflegten ihr
zrot gemeinschaftlich zu backen und dann zu teilen. Einmal nun
ratzte sich der auf der Amöneburg hinterm Ohr. Das geschah
ber mit solchem Geräusch, daß es jener auf der Landsburg hörte.
zr wurde mißtrauisch, glaubte, der Amöneburger hätte gebacken,
Hne ihm davon gesagt zu haben, und kratze alleweil den Backtrog.
vütend holte er aus und warf einen viele Sentner schweren Stein
egen seinen Nachbar. Der Wurf mißlang aber, denn der Stein
uijchte ihm vorzeitig aus der Hand und fiel in den „Albsteins-
jraben“ beĩ Wiera. Noch heute sieht man dem Stein an, wo sich
zie Finger der Riesenhand eingedrũckt haben.“ — — —
Anterdessen sind auf der Höhe der Landstraße wieder ein
aar bleine Mädchen sichtbar geworden. Wir warten auf die
ieben Freundinnen und gehen nun gemeinsam bergab dem Dorfe
u. Das gibt ein gleichmãßiges tapp tapp tapp, sodaß wir unwillkürlich
n das Lied einfallen: „Ich hatt' einen Kameraden“, und im Warsch-
empo zu Tale gelangen. Die bleinen Schwälmerinnen geben mir noch
as Geleit bis zur Bahn. Mit einem herzlichen „Auf Wiedersehen!“
heiden wir voneinander. — In den fahrenden Sug hinem, der
nich zu weiterem schönen Erleben im freundlichen Hessenlande führt,
zrüßt noch lange mit ihrem ragenden Wipfel die Wierger Eiche!
Dom Pulsschlag der Heimat.
Die Roeese näach Cassel—
On enem scheenen Herwesttoge,
De Katüffeln woren schon alle rüß,
Do sät ech vär minn Brurer Schorsche:
„Ech muß ö mol zum Dorfe nüß.
DODe NMerwet es net mieh so decke,
Dos beßchen so derheeme rem,
Dos bunnt dä mol alleen gemachen,
Ech guck mech en der Welt mol em.
Wu vär ben ech dann Borjemeester,
Venn ech de Weit net mol sall sehn!
On heutgen Dages hört's zur Beldöng:
Mänmuß ö mol off Keesen gehn.“
Minn Freö worsch erscht net rächt zefrerre.
Doch wie sä minne Grönde horte,
Do gob jse noh, se wor fortschrettlich
On stolz off mech, de Annemorthe.
Sä packte mä den Schnappfack voll
Met Brot on Worscht on Sierenschenben
On mennte, wenn de in Cassel best.—
Kannste derzu 'nen Schnaps getrenben.
Den Owed gung ech frieh ens Bette,
Ech wull den Morjen doch frieh off,
On krechte doch en rächten Schrecken,
Wie mech minn Brurer Schorsche roff.
Ech machte mech ganz sex zerächte,
Ech wull doch met der erschten Post.
Es wor ö wunderscheenes Wetter
On ze marschieren ne rächte Lost.
Om Isensteensbreckchen hull de Post.
fch saßte mech behaglich renn.
Wie wor me's Herze doch so lichte!
Vie wor me doch so froh em Senn!
In Wobern steg ech en de Bohne
On kbom en Cajssel glecklich on;
ẽch glöwe, 's wor so gegen ochte.
ẽs hatte beener sinnen Hohn.
Stolz güng ech derch de Bohnhobstroße,
Vor heflich gegen alle Liere
On zog ö öftersch minne Kappe;
Doch beener goch no minner Siere.
Do docht ech: Leckt mech doch im Armel!
Ver es dann Borjemeester? Häl!
Venn dä net bunnt gun Morjen gesprechen,
Zann ech ö 's Mull gehalen — däl“
Minn Mogen fing mä on ze bnorren. .
do güng ech in en Gasthob nenn,
—AD
Nech on den erschten Tesch dohen.
Ech packte minnen Schnappsack ũß
In füng glich on ze schnabbelieren.
do gocken alle glich noh mä,
Vie ech den Schenken wull obschnieren.
Wie alle nu so noh mä gocken,
Do bom mech's doch wie Metleed on:
Ech frogete glich miun Gegenüber,
ẽbb (ob) hä õ will en Stecke hon.
Der hatt nu so 'n verflextes Lachen
In sät, hä dankte wirklich sehr;
Denn in so früher Morgenstunde.
Do wär emme Speck noch viel zu schwer.
Do füngen alle on ze grinsen
dom Ober bis zum Lehrjönge rôb.
Ech dochte bloß: „Sum Schwerenöter,
Ver dos net honn well, na, der hot!“
Do gũng ech off der Bohnhobstroße
On schwenbete ganz stolz den Stock,
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On kom derleste on's neue Rathũs
On gock, on gock, on gock, on goch.
Ech sob de scheenen neuen Hisser,
deubauten, och, gefährlich groß!
ẽch gũnk als reckwärts, on ech stolperte —
fzs dot n Krach — wos wor dann los?
Ech spärt's dann glich on minnem Koppe
n gock mech em, du liewe Seit!
Vos host dann nu gemacht, Borjemeester?
ẽch glöb, du best net mieh gescheit!
Ech packte glich no minnem Koppe
OIn gock mo fex zum Laren venn.
Do läg je minne Kappe drenne;
Do wor mä doch ganz schwül em Senn.
Ech hatte värher mä beim Pfau
nen finkelneuen Hut geköft.
Der wor nu eße minne Rettöng —
Ech zog 'n off. Mu sucht on löft!
Nu sucht ũch doch den Abeltäter,
den Schiewenzerbrecher! Löft roff on rob
Ech ben der Berkheemer Borjemeester
On honn 'nen gröndgescheiten Kopp.
Do kunnten se noch lange gesichen.
Ech machte, daß ech on de Bohne kom
On dampete ob on bom ö glecklich
Met der Post eme fenfe en Berbheem or
Minne Liere woren rächt verwöngert
On sären: „Best je schon werre do!“
ẽch säte: „Ach, dã liewen Kenge,
dankt Gott on sid von Herzen froh!
Dos Reesen es als rächt beschwerlich.
Ver net de Gretze hat wie ech,
Ddem werd de Bolezei gefährlech,
Dder muß bezohlen sinn ejenes Pech.“ *