Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

das Original aufwies. Diese Abbildungen bilden in ihrer naiven 
Auffassung, die das Gesehene auf das wirksamste wiedergibt, eine 
ausgezeichnete Ergänzung des Textes; da sehen wir Schiffe auf 
hoher See bei gutem Wetter und im Sturme oder im Gefecht, 
sehen marokkanische und brasilianische Landschaften, Eingeborene 
im Kampfe und in ihren Niederlassungen. Wir erblicken die 
Indianer bei ihren Tänzen, bei den bannibalischen. Menschen- 
schlachtungen und ihren Hantierungen. Den gefangenen Hans 
Stade erkennen wir unter ihnen an seinem langen Barte; wir 
jehen ihn im Tanze springend vor seinen Peinigern, bniend beten 
vor einem Kreuze oder mit flehenden Gebärden im Wasser neben 
dem französischen Boote, das ihm die Aufnahme versagte. Der 
eigentlichen Keisebeschreibung hat Stade einen Anhang beigegeben, 
in welchem er in Wort und Bild die Sitten und Gebräuche 
der Tupinibins beschrieben hat. Er zeigt darin zuerst seinen Lesern, 
wie man zu Schiffe nach dem Lande Prasil gelangt, wie beschaffen 
die Gegend ist, und erzählt dann anschaulich die Art und Weise. 
wie die Wilden ihre Hũtten errichten. wie sie durch Keiben von 
Hölzern Feuer anmachen, wie sie in Hängematten schlafen und 
wie geschickt sie im Jagen und Fischen sind. Wir erfahren von 
ijhm auch, wie die Indianer aussehen, wie beschaffen ihre Werb⸗ 
zeuge und welcher Art ihre Lebensmittel und deren Subereitung 
ind. Nichts entgeht unserem Keisenden; die Töpferei der Tupini- 
kins und die Herstellung ihrer berauschenden Getränkbe, der Schmuch 
der Frauen und die Sierate und Waffen der Männer finden 
ebenso ihre Darstellung wie Heiraten und Taufen unter den 
Wilden oder die Beschreibung der Seremonien, welche ihre Menschen 
schlächtereien begleiten. Den anschaulichen Schilderungen sind 
ebenso sprechende Seichnungen beigegeben, die vielleicht nicht von 
Hansen selbst herrühren, aber sicherlich an Naturtreue nur schwer 
ũbertroffen werden Lönnen. Eine burze Beschreibung der Tier⸗ 
und Pflanzenwelt des Landes schließt das Buch unseres Hans 
Stade, der am Ende demjenigen Leser, der durch seine Schilderungen 
nicht zufriedengestellt sein sollte, den Kat gibt, sich Gottes Schutßz 
zu empfehlen und selbst die Reise zu unternehmen, damit ihn nicht 
fernere Sweifel plagen! 
Damit verlassen auch wir den wackeren Hans Stade, der vor 
dritteinhalb Jahrhunderten als ein unerschrockener und gottes- 
fürchtiger deulsche Mann im fernen Lande dem deutschen Namen 
Ehre gemacht und nach seiner Heimbehr viel zur Kenntnis der 
neuen Gebiete und seiner Bewohner beigetragen hat. Doch wollen 
wir noch ein wenig auf dem Schauplatze verweilen, auf den Hans 
Stade uns geführt hat und auf welchem durch ein eigenartiges 
Zusjammentreffen ein anderer deutscher Abenteurer, dessen Name 
die Jahrhunderte überlebt hat. zur selben Seit auftauchte, ale 
Hans Stade in der Gejfangenschaft der Tupinikins schmachtete 
Vir haben bereits in den einleitenden Worten den Namen Alrich 
Schmiedels erwähnt, der sich mit 150 deutschen Landsbnechten der 
panischen Expedition des D. Pedro de Mendoza im Jahre 1534 nach 
dem La Plata angeschlossen hatte und fast zwanzig Jahre lang 
Teilnehmer ˖ an der Erschließung neuer Länder und Seuge der 
Hründung zweier südameribanischer Hauptstädte gewesen ist. Schmie⸗ 
del war eine ähnliche Figur wie diejenige Hans Stades, und wenn 
diesem eine der ersten Beschreibungen des brasilianischen Landes 
und seiner Bewohner zu verdanken ist, so ist jener einer der frühesten 
Schilderer der La Plata-Länder und ihrer Eroberung geworden 
Kein geringerer F der argentinische General Mitre hat Alrich 
Schmiedel zur gebührenden Anerbennung im spanischen Süd— 
amerika verholfen, indem er im Jahre 1805 eine Lebensbeschreibung 
unseres Landsmannes veröffentlichte, in welcher er ihm den ehren 
vollen Titel des „ersten Geschichtsschreibers des La Plata“ zu— 
gestanden hat. Wenn wir aber im Susammenhange mit dem 
Charabterbilde Hans Stades die Figur Ulrich Schmiedels hier 
durz beleuchten, so geschieht dies nicht, um auf die Geschichte der 
Eroberungen der La Plata-Länder einzugehen, sondern nur uwn 
den eigenartigen Susammenhang zwischen den beiden Persönlich 
beiten zu streifen, die, jeder für sich, in der jüdamerikanischen Ent— 
deckungsgeschichte fortleben und, ohne sich wahrscheinlich persönlich 
gebannt zu haben, doch immer im selben Atemzuge genannß 
werden, wenn von diesen Entdeckungen die Rede ist. Alrich 
Schmiedel wurde um 1510 in Straubing in Bayern geboren. Er 
war im Jahre 1534 in Antwerpen in einem Handelshause 
tätig, als ihm die Kunde von der geplanten Expedition Mendozae 
zu Ohren kbam, die er mitzumgchen beschloß und zu der er im 
panischen Hafen Cadiz stieß. Nach der Anbkunft auf dem süd— 
amerikanischen Kontinent hat Schmiedel unter Mendoza und 
Ayola, unter Irala und Cabeza de Dacca gegen die Eingeborenen 
gefochten, welche die Gebiete bewohnten, aus denen die heutiger 
Kepubliben Argentina, Paraguay, Bolivia und Peru hervor⸗ 
gzegangen sind, und jelbst bis in brasilianijsches Gebiet wurden die 
Kämpfe vorgetragen. Wir müssen es uns versagen, im einzelnen 
uuf die Erlebnisse Schmiedels während jeiner langjährigen Streif- 
zũge einzugehen, da uns hier nur der letzte Teil seiner Abenteuer 
nteressiert, der sich auf seine Heimfahrt bezieht. Im Juli 1552 
atte Ulrich einen Brief Sebastian Neitharts erhalten, der ihn zu 
ascher Rückkehr nach Deutschland aufforderte. So trat er vor 
den General Martin Domingos Irala und bat, ihm nach treu 
rfũllter, an unzähligen Gefahren reicher Dienstzeit den Abschied 
u bewilligen. Nach einigem Widerstande entsprach Irala dem 
besuche des deutschen Landsbnechtes, stellte ihm ein sehr ehren⸗ 
olles Dienstzeugnis aus und ũbergab ihm einen Brief an den 
xönig von Spanien mit einem Bericht ũber den Stand der Dinge 
im La Plata zur Beförderung. Als Schmiedel dabei war, sein 
Zũndel zu schnüren, trafen in Asuncion Leute aus Brasilien ein, 
velche berichteten, daß in Sao Vicente ein Schiff von Lissabon 
ingelangt sei, und daß es einen Landweg gäbe, um diesen brasi- 
janischen Hafen zu erreichen. Ulrich beschleunigte seine Keise⸗ 
orbereitungen, um dieses Schiff noch vor der Rückfahrt anzu— 
»effen und brach am 26. Dezember 1552 mit 2 Kanoes und 20 
idianischen Begleitern zu der weiten Reise auf. Noch auf dem 
daraguayflusse wurde die kleine Expedition von vier deutschen 
andsknechten eingeholt, die von der Truppe desertiert waren, um 
ait Ulrich die Gesahren des Weges zu teilen, der nach der fernen 
deimat führen sollte. Die Geschichte hat uns nicht überliefert, 
die viele von den ausgezogenen 150 deutschen Söldnern die hei— 
nische Erde wiedergesehen haben, aber wir kLönnen uns denken, 
aß nicht viele die Kämpfe gegen die feindliche Bevölberung 
ind die Strapazen und Entbehrungen in den weltfernen Gebieten 
inter der heißen Sonne überstanden haben mögen. Und ebenso 
eicht ist zu verstehen, daß vier von dem Häuflein, von Sehnjucht 
ind Heimweh getrieben, die Gelegenheit ergriffen, um trotz aller 
rohenden Gefahren in Begleitung ihres Landsmannes Schmiedel 
ach der Heimat zu entlommen. Mit den deutschen Flüchtigen 
tießen auch 3weĩ Soldaten portugiesischer Nationalität zu der 
kxpedĩtion Alrichs. die den Paraguayfluß hinab und sodann 190 
Neilen weit den Parana hinauf bis zur Iguassu Mündung ruderte. 
vo sie portugiesisches Gebiet erreichte. 
Hier begann die Fußreise durch dichte Wälder, über Fläüsse, 
kãler und Hügel, immer bedroht von der feindlichen Tupibe⸗ 
»õlkerung und von reißenden Tieren. Oft mußten die Reisenden 
den Angriffen der Wilden in großer Übermacht Stand halten, 
enen zwei der Begleiter zum Opfer fielen, jselten hatten sie dus- 
eichend zu essen, bis sie nach der Durchquerung der Gebiete des 
eutigen Staates Parana und des Südens von Sao Paulo nach 
ielen Wochen in der Gegend des heutigen Itu den Tieté- 
luß erreichten, der ihnen den Weg bis zur ersten Niederlassung 
er Portugiesen, Santo André da Borda do Matto, wies. Dieser 
Ort lag in der Nähe des heutigen Sao Bernardo im jetzigen 
faate Sao Paulo. Er war von Ioao Kamalho begrũndet und 
burde später verlassen, nachdem die neue Ansiedlung Sao Paulo 
e Piratininga entstanden war, wohin Joao Ramalho und seine 
eute ũbersiedelten. Nach Schmiedels Urteil, das allerdings von 
rasilianischen Geschichtsschreibern nicht anerbannt wird, waren dies 
vilde, zügellose Gesellen, sodaß die Keisenden, trotß guter Auf- 
ahme, die ihnen in Santo André widerfuhr, Gott dankten. als 
e den Staub der Siedlung von den Füßen schütteln und den 
hzten Teil ihrer Landreise nach dem Hafen Sao Vicente antreten 
onnten, wo Alrich und seine Begleiter am 24. Juni des Jahres 
553 eintrafen. Genau ein halbes Jahr hatte also diese ungeheure 
deise gedauert, die noch heute, nach dritthalb Jahrhunderten, so 
iel Gefahren, Strapazen und Entbehrungen in sich schließt, daß 
oleicht nicht jemand, am wenigsten ein Ausländer, sie zu unter⸗ 
ehmen wagen wũrde, und die zu Schmiedels Seiten ein Maß von 
Tollkühnheit vorausseßte, für das nur im Rahmen jener wilden 
kpoche eine Erblärung zu finden ist. — Aber Schmiedels mutiger 
Internehmung blieb auch der gute Ausgang nicht versagt. Nach 
aum achttãgigem Aufenthalt in Sao VDicente bonnte er auf einem 
zchiffe. das Peter Rösel für das Handelshaus Scheß mit Sucker 
md Saumwolle beladen hatte, und das für Johann Hülsen in 
disabon, ebenfalls wie Rösel ein Beamter des Antwerpener 
dauses, bestimmt war, die langersehnte Heimreise antreten, gerade 
iim die Seit, wo Hans Stade wenige Meilen entfernt die Se⸗ 
reiung aus der Gefangenschaft der Wilden herbeisehnte, die er 
m Jahre darauf erlangte. Während Hansens Nbenteuer aber 
chon drei Jahre später im Druck veröffentlicht und der staunenden 
Ritwelt bebannt wurden, hat Schmiedei erst zehn Jahre nach seiner 
deimkehr die Niederschrift seiner Erlebnisse begonnen. An dem 
Hause in Kegensburg, in welchem Schmiedel später gelebt hat. 
hefindet sich eine Gedenbtafel mit der Inschrift: 
Hier wohnte Alrich Schmiedel von Straubing, Mit · Ent 
decker Srasiliens und Mit-Begründer von Buenos Aires 
Wenn diese Sezeichnungen. wenigstens was Brasilien anbo— 
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