pricht aus seinem Gesicht und eine gewisse Härte. Der
alte Dorflehrer empfängt ihn an der Türe. „Herr Lahrer,
wot sollet?“ „Nur mal erst herein“, und dann: „Michel —
hm — hm — da lest mal.“
Michel liest den Brief, lächelt verächtlich. — Der Lehrer
eobachtet ihn genau, sagt noch nichts, eine Weile nichts.
So still ist's im Stübchen, man hört das Ticken der Ahr.
Mächtige Kauchwolken pafft des Lehrers Pfeife. Endlich:
„Na, Michel?“ Da springt der Michel vom Stuhl auf, wirft
den Brief übern Tisch dem Lehrer zu und will zur Türe
hinaus.
„Halt!“ des alten Lehrers Stimme donnert. Michel
hleibt plötzlich stehen. Und nun sausen ihm die Worte nur
so um die Ohren. „Die Sache muß ein Ende haben,
Michel, das sind Eure Kinder; die verlangen nach der
Mutter, mit Kecht! Die alte Frau grämt sich zu Tode
um die beiden Buben, und die Anna hier in meinem Hause
st Ihres Altesten wert. Ich habe das Mädchen jetzt fünf
Jahre im Dienst; ich benne sie. Seid Ihr denn so ein
Unmensch, der sjeine leiblichen Kinder von der Heimat stößt,
ohne sich um ihr Wohl und Wehe zu bümmern? In vier
Tagen ist Weihnachten, das Fest der Familie, der Liebe.
Michel — Mann —“, nun wird des Lehrers Stimme weich
und bittend, „lasset uns alle ein Fest der Liebe und Versöhnung
feiernl Wir beide haben graue Haare; nicht lange mehr
wird's dauern, dann krägt man uns hinauf zu den Tannen;
zielleicht ist's die letzte Meihnachtsfeier diejses Jahr, Michel, und
was dann?“ Des Lehrers Stimme grollt dumpf auf: „Es
gibt doch einen Herrgott, Michel! Michel, einen Heregott,
der uns richtet! Und wo kbönnen wir Verzeihung erhoffen,
venn wir nicht selbst verzeihen, Michel?“
Erschöpft ist der alte Lehrer in seinen Sessel gesunken.
Auch Michel sitzt wieder; die Strafpredigt hat ihn rauh
ingegriffen. Kein Wort bommt über seine Lippen; doch
die wogende Brust verrät den inneren Kampf.
Da geht die Stubentür leise ein wenig auf. „Anna“,
uft der Lehrer freudig. Und nun steht weinend ein
Rädchen vor Michel: „VDerzeihtl!“ Um dieses Mädchen
erstieß Michel seinen ältesten Bub, und weil der jüngere
Zruder das nicht lobte, mußte auch er in die Fremde gehen.
Nichel hört dieses weinende „VDerzeiht“ und senkt den Kopf.
?angsam steht er dann auf und geht zum Lehrer: „Schreibt,
ie jollen Lommen!“ — — —
Weihnachtsabend! Im Lehreesstübchen glitzert ein
dichterbaum. Der alte Lehrer sitzt einsam dabei. Er raucht
oie gewöhnlich die liebe „Lange“ und schaut zum Baum und
»om Baum auf die Photographie seines jüngsten Enbelkindes.
Die Kinder sind fort in die Welt; er hat das Dörfchen,
ie Stätte seiner langjährigen Wirksambeit, nicht aufgeben
nnen. Dong — dong — achtmal schlägt die Uhr. Der
Alte schmunzelt — noch ein Stündchen, dann bommt die
roße Weihnachtsbescherung. Wie er sich des Enbkels freut!
Auf jeinem steifen Knie wird er reiten, seinen weißen Bart
erzausen, tausendmal Großvater sagen. Weihnachten, du
fest der Familie!
Drüben im Nachbarhaus brennt kbein Lichterbaum.
Nichel sitzt stumm am Tisch, und die gichtgelähmte Mutter
uht im Ofenstuhl. Und mit einem Male bnarrt die Tür
suf. Zwei hohe, schneebestäubte Gestalten stampfen herein,
enen ein blasses Mädchen zitternd folgt. „Mutter —
dater.“ Die gichtgelähmte Frau springt vom Stuhl, in
hren Armen hält sie den Jüngsten, ihren Lieblingsbub,
ind Michel drückt des Altesten Schwielenhand, und dann
aßt er des Mädchens Kechte: „No, dann met Gott!“
Die reichen Klänge eines Harmoniums schwellen durch
ie Winternacht. Vom Lehrerhause tkönt es leise: Stille
Nacht — Heilige Nacht ... Deutlich hört man die einzelnen
5timmen. AMuch ein silbernes Kinderstimmchen ist zu hören.
Das muß wohl der. bleine Enkel sein, auf dessen Kommen
ich der alte Großvater so gefreut hat.
Die Weihnachtsmette õ Von Ella Gonnermann.
Sie gleiten über Fels und Fluh
Mit grũnbeschuhtem Fuße,
Nachtvögel schreien ihnen zu,
Jed' Wahjer braust zum Gruße.
Der Berg selbst läßt die starre Ruh',
Die Bäume tief sich neigen,
Das Moos, der Stein kũßt stumm den Schuh
Dem Volk vom blassen Keigen.
Zur Weihnachtszeit in allem Land
Dem Boden sie entsteigen,
Hält jedes seines Nachbarn Hand
Zum Tanz voll Todesschweigen,
Trägt auch ein Lichtlein manche Hand
Zur stillen Weihnachtsfeier,
ODann faßt der Nachbar das Gewand,
Die schloßeweißen Schleier.
Dom Hüunengrab im dunkeln Hain
Kommt's her auf Geisterflügeln —
kEs pochen blasse Fingerlein
An längstverges'nen Hũgeln —
ẽ?s weblt und geistert Lichterschein
Um Totenmal und Wasen —
Es schwebt heran und reiht sich ein
In Wald wie Städtestraßen.
Der Sug schwingt auf sich, janft und leis,
Mit ungezählten Lichtern,
— Gehl aus ein Leuchten, rein und weiß,
HOon tausend Angesichtern ·
Sie heben sich zum Himmelsbreis
In höchste Erdenfernen
Und stimmen an die Wunderweij'
Mit Engeln und mit Sternen.
Ist jedem Menschen anverwandt
Die endelose Kette, —
Auch dem Licht wird einst angebrannt
zu dieser Weihnachtsmette; —
Die Christnacht lost, was liegt gebannt
In tiefem Todesschweigen:
Sein Gloria singt an Himmelsrand
Das Volk vom blassen Reigen.
Aus altoer Seit.
Hans Stade von Homberg, der
Festungskommandant von Bertioga.
Schluß.) Von Friedreich Sommer.
Hans behielt seinen Wohnsitz in dem besten Hause auf der
Injel Sto. Amaro, wo ihn schließlich sein Geschick ereilen sollte.
Als er eines Tages den Besuch Heliodoros, mit dem eer sich seit
den ersten Tagen seiner Ankunft in Sao Vicente angefreundet
hatte, und eines Spaniers erhielt, die beide von der Oetschaft
herübergekommen waren, eilte Stade in den Wald, um nach seinem
Sblaven zu sehen, den er am Tage vorher auf die Jagd geschickt
atte. Hans wollte seinen Gästen etwas auftischen, und dazu
rauchte er die erwartete Jagdbeute, denn anderes Fleisch als
Vild gab es damals nicht zu den Mahlzeiten. Aber kbaum hatte
mjer Landsmann den Wäld betreten, als er sich von Indianern
mringt sah, die ihn zu Boden warfen, ihn völlig entbleideten und
efesseit durch den Wald in ihre Boote schleppten. Wohl wurden
on der Feste Bertioga aus, wo man der Wilden und ihrer
Zeute ansichtig geworden war, einige Kanonenschüsse auf die
flũchtigen abgegeben und einige Boote bemannt, um den gefangenen
dommandanten zu befreien, aber alles war umsonst, und Hans
zurde von den Wilden nach ihrer Niederlassung geschleppt, die in
lbatuba, 30 Meilen nordlich von Bertioga, belegen war. — Hier-
ait begann für unseren Landsmann die Seit eines Martyriums,
as 10 und einen halben Monat gewährt und während dem er
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