eimat⸗· Schollen
BSlätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst
T / 1925
Erscheinungsweise 2 mal monatlich. Sezugspreis 1,20 Mb. im Vierteljahr. Frühere
Jahrgänge bönnen, soweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-⸗Verlag nachbezogen werden
5. Jahrgang
Das Fest der Liebe õ Von Jos. Hch. Berlenbach.
Es sitzen zwei in rauchiger Schenbe, starren mit trüben
Augen verdrossen einander an und — trinken. Mitternacht
st längst vorbei. Die Wirtin am Schenbtisch hat Schlaf und
gähnt. Sie wartet auf das Gehen der zwei. Die Luft im
Kaum ist herzlich schlecht. Nun rasselt das Kettenwerk der
Ahr, ping — silbert ein Ton. „Ihr Leut', es schlägt 1 Ahr.
macht, daß ihr fortkommt“, sagt die Wirtin plötzlich resolut.
Die zwei erheben sich. „Mas macht die Sech?“ fragt der
Altere. „Hier haste Geld“, sagt er dann und wirft ein
Marbstück auf den Tisch. Der Jüngere blinkt die Türe auf,
und der andere folgt. Draußen nimmt ein Schnecsturm sie
mit um das nächste Häusereck. Die Wirtin räumt noch den
Tisch ab.
Die zwei eilen von Straße zu Straße, ihre Wohnung
iegt weit ab im Arbeiterviertel der Stadt. Sie frieren.
Der Sturm zerrt an ihren dünnen Kleidern, Haufen Schnee
virft er in die frostgeröteten Gesichter. Der Altere flucht:
„Det Laad, wot e Werrer (Wetter).“
Eine lange Mietsbaserne steht an der Straße. Es
knirjcht die Tür. Sweĩ Menschen poltern das Treppenhaus
empor, neunzig Stufen aufwärts. In kbaltem Dachzimmer
brennt ein Kerzenlicht. In voller Kleidung liegt ein Mann
im Bett; ein junger Bursche aber sitzt am Tische und
weint. „Wot flennste?“ „Hu Heimweh, Peter, eich geh
wierer ham.“ „Heimweh? — zom Loche, blos det Licht
aus und schlof.“ Der junge Bursche preßt die Hände vors
Gesicht. „Mir hu ka Heim meh“, tönt es vom Bett her.
„Ka Heim meh“, wiederholt es dumpf. Die Kerze
slackert dumpf, sie beleuchtet eine öde Arbeiterschlafstelle
der Großstadt, wo zwei Menschen wohnen, die kbein Heim
mehr haben.
Der alte Dorflehrer zu Dornbach hält einen Brief
n seinen Händen und sinniert. 's ist heimlich still im Stübchen,
ie blanke Wintersonne lacht hinein. Surrend protestiert
agegen der glühende Kachelofen. Er meint, wintertags hat
ie Sonne nichts zu sagen. Und doch — wie schön ist die
Sonne des Winters! Sie schmilzt Eiskrusten draußen und
kisbrusten drinnen im Menschen selbst, was ein einfältiger
Hfen nicht bann bei all seiner Behaglichkeit. Und die
Sonne zerschmilzt auch jetzt eine Eisbruste — die Eisbruste
uim das Herz des alten Dorflehrers zu Dornbach.
Lange sitzt er in Gedanken. Ja, sogar die liebe lange
Dfeife brennt nimmer. Dessen können sich die ältesten Leute
des Dorfes nicht erinnern, daß dem alten Lehrer seine
Afeife um J1 Ahr mittags beinen Kauch mehr gibt. Sonder—
»ar ist's! Nun aber steckt er sie wieder an, steht auf und
paziert umher. Den Brief aber hält er noch immer in
en Fingern.
„Es muß sein“, sagt er dann' und geht zur Türe.
„Anna!l Annal“ Gleich bommt ein Mädchen, mochte dreißig
‚ählen. „Geh zum Michel, meinem alten Feind, rüber; sag',
er jolle sofort mal kommen“, befiehlt der Alte.
In den Augen des Mädchens glimmt's auf. „Geh“,
agt der Alte nochmals, aber so gepreßt hat's geblungen,
iejes zweite „gehl“ „Es muß sein!“ wiederholt im
„tũbchen ein Mensch seinen Entschluß und „Gott führ' das,
vas es auch werden soll, zu einem glücklichen Ende“, betet
raußen im Hausgang ein anderes Menschenkind, dem harte
kämpfe um Glück und Herzensfrieden die Jugend vergällt
aben. Wer aber will über Menschentum vorschnell rechten?
Der Michel kommt. Ein Mann, der wohl die Sechzig
auf den breiten Schultern krägt. Stolz und Selbstbewußtsein
7
J