durch die Mitte schlängelt sich die Abflußrinne wie eine offene
Ader. Auf einem Pfaähle hängt ein Kranzgewinde und zeigt die
Stelle, wo ein junger Mensch, der mit den Wanderfreunden froöhlich
tagen wollte, sein Leben in der Flut des Teiches lassen mußte.
HDom Wald steeicht Krähenvolk herüber und schwingt sich mit
zerjchlitzten Flügelrändern durch die Nebelluft. Vom hohen Teich-
damm an der Straße geht der Blick zurück zum Haus im Werden.
Ja, wo der Rohbau steht, da muß es stehen, nicht anderswo hier
»ben. Die Straße senkt sich von der Höhe nach Schwarzenborn
»inab und führt an einsamen Mühlgehöften vorbei nach Greben—
»agen, das durch die Autolmie; Homberg — Kaboldshausen dem
Veltgetriebe näher ist. Früh bricht die Nacht herein. Freudig
degrüßt der Wanderer die gluhen Augen des herannahenden Autos
und läßt sich durch das Dunkel heimwärts tragen.
VDom Buchertische der Hoeimat
Der dunkle Weg. Balladen von Heinrich Ruppel. Heimat-
jchollen-Oerlag, A. Bernecker, Melsungen. Preis Me. 5.—.
Heinrich Ruppel, eme der stärkbsten dichterischen Persön-
lichkeiten, deren Schaffenskraft nach Beendigung des Weltbkeiegs
hoffnungweckend in Erscheinung getreten ist, hat in seinen bis-
herigen Veröffentlichungen dargetan, daß zu den für ihn charabte⸗
eistischen Eigenschaften neben der entschieden epischen Begabung,
die sich in mehreren novellistijchen Büchern kundgab, eine durchaus
ursprüngliche Fähigkeit zur versmäßigen Gestaltung gehört. Da
diese beiden Eigenschaften Grundelemente der Balladendichtung
sind, konnte es nicht wundernehmen, daß in den Gedichtbücheren
Ruppels von Anfang an balladeobe
Prägungen bemerkbar waren. So
darf es auch als folgerecht bezeichnet
werden, daß der Dichter nun mit
einem Werk vor die GEffentlichkeit
tritt, das ausschließlich Balladen ent⸗
hält und mit dem Anspruch erscheint
in der Balladendichtung der Gegen—
wart, die ja mehrere markante
Charaktere aufweist, einen beacht⸗
lichen Platz einzunehmen. Denn es ist
nicht zu leugnen, daß die bünstlerische
und geistige Wesenheit Ruppels in
diesen Dichtungen einen besonders
konzentrierten Ausdruck gefunden
und dazu beigetragen hat, daß Werke
entstanden, die in ganz besonderer.
höchst eigener Weise auf die zeit—
genössische Menschheit zu wirben be⸗
sttimmt sind. Weit mehr als die Hälfte
dieser Balladen spielen in der Gegen⸗
wart. Wie auch in den Prosa-
Erzählungen Ruppels, sind auch ihre
Motive größtenteils dem Landleben.
in dem ja der Dichter selber wurzelt,.
rntnommen und gehen fast in jedem
Fall auf sächliche Begebenheiten
zurück. Das gibt dem Buch nakfüelich
eine Note, die es von der Mehrzahl
ʒzeitgenõssischer Balladenbũcher unter⸗
jcheidet, denn in denen handelt sichs
zumeist darum, die alte Form auch mit
altem Stoff zu füllen. Kuppel will aber, wie immer, auch hier dem
Leben dienen. das um ihn ist und ihn innerlich beschäftigt. und es
mag bei dieser Gelegenheit bemerkt werden, daß der Ballade,
einer an sich „veralteten“ Kunstform, nur auf diese Art wirkliches,
warm pulsierendes Leben zugeführt werden bann, ein Leben,
das mehr aus ihr macht als ein literarisches Experment, das auch,
wonn es noch so gut gelingt, Literatur bleibt, des Susammenhanges,
nämlich mit dem fließenden Dasein, ermangeind. Dieser Susammen-
hang ist es eben, der den Ruppelschen Balladen ihre ungemeine Wir⸗
kungskraft verleiht und ihe Erscheinen in vorliegender Form als em
geistiges Ereignis von Kang empfinden läpt. Es kann natürlich
beinem Swoeifel unterliegen, daß einem Künstler, dem es gelingt,
neuzeitliche Motive, wie etwa den Sturz eines Kindes aus dem
Zimmerfenster auf den Bahnhofsperron, oder das Schicksal eines
Srubenpferdes, oder den Untergang eines Hochzeitszuges polnischer
Erntearbeiter in einem deutschen Fluß, dichterisch zu gestalten, auch
geschichtliche Vordommnisse, Motive aus der Vergangenheit, zu
meistern versteht, wobei denn freilich festzustellen ist. daß er vor
allem legendäre Vorgänge mit bemerkenswertem Erfolg zu ver—
werten weiß. Bei alledem bommt die Fähigkeit des Dichters, die
Umwoelt des jeweiligen Geschehens anschaulich und stimmungstief
darzustellen, zu einem die Wirkung des Ganzen glüchlich fördern—
den Ausdruck. Anschaulichkeit aus der einen und Stimmungstiefe
auf der anderen Seite sind ja ebenso, wie das epische und das
ehhthmische Element, Grundkräfte der Ballade, und so ist es am
Ende beine Vermesjenheit. Heinrich Kuppel anläßlich seines neuen
Buches als einen der stärksten Verteeter der neuzeitlichen Ballade
zu begrüßen. Hiervon abgesehen aber darf „Der dunble Weg“
ils ein Werk angesprochen werden, das unker den Buch ⸗Erschei⸗
iungen der gegenwärtigen Adventszeit mit an erster Stelle ge—
nannt und allen Freunden lebendiger Dichtung nachdrücklichst emp⸗
ohlen zu werden verdient. W. SG.
Das Eschweger Tütemännchen. Original-Holzschnitt von
Ernst Metz -Eschwege.
Der ulkige Kerl mit Sipfelmũtze, Schlafrock und Hauspantoffeln,
der auf einer so seltsamen Trompete bläst — so hat ihn Ernst
Metz in Holz geschnitten und hübsch bunt abgezogen — ist das
Eschweger Tütemännchen. Tüte-
maännerchen werden ja die Eschweger
jelbst, wenn emer sie uzen will, ge—
nannt, aber das hat seinen Grund,
der, wie ũüberall, in der Geschichte
der Stadt zu suchen ist. Allerdings:
ganz kblar ist er in diesem Falle nicht.
Die einen nämlich sagen, die Esch—
weger hatten ihren Kirchturmwächter
das Tütemännchen genannt, und dieser
Spottname wäre dann im Lauf der
Zeit auf sie selbst übergegangen, wo—
mit aljo gleichsam das Schicksal das
arme Tũütemannchen — Pardonl den
armen Turmwächter — gerächt habe.
Andere sagen aber, am landgräflichen
Schloß zu Eschwege wäre eine bunst-
volle Uhr angebracht gewesen, die
mit der vollen Stunde ein eisernes
Männchen hätte hervortreten und die
Stunde aus einem Horn blajen lassen.
Das wäre das Tütemännchen ge—
wosen, von dem die Eschweger noch
heute den ihnen von losen Vögeln
aufgehängten Namen haben. Wie
dem nun auch sei: das Bildnis, das
Ernst Metz von dieser sagenhaäften
Gestalt gemacht hat und das hier in
einfarbiger VDerkleinerung wieder⸗-
gegeben ist, darf als ein sjehr amũ-
sjantes bleines Kunstwerk angesehen
werden, das in mehrfarbiger Aus—
ũhrung 2.50 Mb. bostet. Vom selben Künstler ist das ebenfalls
nehrfarbige „Stadttor in Sooden“ (S. — Meb.) sowie das Kathaus in
Meljungen (6. — Me.). Die drei Kunstblätter koönnen sowohl vom
Aünstler selbst als auch durch den Heimatschollen DVerlag bezogen
verden. Da von dem Holzstock nicht jsehr viele Abzüge, die ũübrigens
Frenst Metz jselbit anfertigt. gemacht werden bönnen. haben diese
Blätter den Wert von Originalen und bönnen allen Freunden
eimischer Kunst angelegentlich empfohlen werden. W. S6.
Bubenböpfe und Mädchenzöpfe. Ein Kinderbuch von
Olga Stückrath-⸗Stawitz und Otto Stückrath. Bildschmuck von
Kobert Sincke. Hematschollen-⸗Derlag, A. Bernecker, Melsjungen.
Das Dichterehepaar vom Rhein, das der deutschen Jugend
chon mit so manchem schönen Buch, vor allem aber mit dem
„Bäumchen. rüttel dich“‘“ und den „Maärchen der Heimat“, innige
ind beharrliche Freude gemacht hat, legt Kindern und Eltern
iese Weihnachten eine ganz besondere Gabe auf den Feiertisch.
Bubenköpfe und Mädchen zöpfe“* heißt sie und bringt „ein gerüttelt
Naß voll“ Märchen, Gedichte. Schwänkbe und Rätsel von der
eiteren und herzlichen Art, die dem innigen Umgang der Großen
nit den Kleinen entspeicht. Denn wie immer bei diesen beiden
Dichtersleuten werden auch diese neuen und höchst vergnüglichen
Unterhaltungen in der Kinderstube aus der lebendigen Praxis,
ius dem wirkblichen, tagtäglichen Verkehr mit der Jugend, der
janz frischen, versteht sich, hervorgegangen sein, denn sie haben so
jar nichts Eertüfteltes an sich. sondern sind voll Saft und Kraft,
rämlich voll guter Laune und blühender Phantasie. Was da aus
Das Eschweger
Tutemännchen.