Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

und ging zuerst auf eine Gruppe von Rhedern (armadores) und 
darauf an eine private Unternehmung über, welche bald die ganze 
Kohrprodubtion der Umgegend aufarbeitete. Die Suckersiederei 
hieß zu jener Seit, um 1550,. Engenbo de Sao Jorge dos Eras— 
mus, nach dem Deutschen Erasmus Schetz (auch Schetzer, Schettler, 
Schette, Schatz, Esquetes, Esquertes). der in Antwerpen ein Banb. 
und Handelshaus betrieb und gemeinsam mit einigen Verwandten 
das Engenho von Martin Affonzo und der Rhedergruppe ge 
bauft hatte. Die Fabtorei führte auf eigenen Schiffen Waren 
aus Brabant und Flandeen in die Kolonie ein und Sucker, Brasil- 
holz und Baumwolle nach Europa aus. An dieses Unternehmen 
zelangten auch die ersten Haustiere, Kinder, Pferde und Schafe, 
welche von Portugal herbeigeschafft wurden. Die Leitung der Ge⸗ 
schäste lag in den Händen des Fabtors Peter Kösel. Die Fabtorei 
blieb bis Anfang des 114. Jahrhunderts im Besitze der Antwerpener 
Familie und ging von Erasmus Scheß auf seinen Sohn Kaspar, 
dann auf dessen Söhne Melchior und Lancelot über. Die flämischen 
Handelsherren haben allerdings wenig Freude an ihrem äber⸗ 
eeijchen Unternehmen erlebt. Ungetreue Verwalter haben ihnen den 
Sesitz verleidet und veränderte Verhältnisse in Europa schließlich 
den Entschluß zum Verbauf der Pflanzung gefordert, der in einer 
am 18. Juni 1593 an Geronimo Maya erteilten Vollmacht zum 
Ausdruck bommt, aber nach einem Briefe der Schetz vom 15. Mai 1603 
an die Jesuitenpater in Sao Vicente bis dahin noch nicht erfolgt 
gewesen zu sein scheint. — In der erwähnten Vollmacht wird als 
derzeitiger VBerwalter des Engenho Paul Werner genannt. — 
Neben der Suckersiederei der Schetz entitanden bald weitere 
Engenhos in Sao VDicente. Leiter einer Suckersiederei, die den 
Adornos, Edelleuten von Genuejser Herbunft, gehörte, war unser 
Landsmann Heliodoro Eobanus. ein Sohn des berühmten Ge— 
—I 
Heimat für tot galt, hat bis zum Jahre 1565 in Sao Vicente 
gelebt. In diesem Jahre ist er an der Spitze von 800 Eingeborenen 
und Mamelucken nach Rio zur Unterstützung Estancios de Sa 
marschiert, des Begrũnders und Verteidigers Rio gegen die 
Franzosen, wo Heliodoro darauf seinen Wohnsitz genommen hat. 
kr hat sich später noch einen Namen bei der Erschließung und Er— 
oberung der Gebiete im Sũden der heutigen Staaten S. Paulo 
und Parana gemacht. 7 
In die aufblühende portugiesische Niederlassung von Sao 
Oicente führt uns unser Landsmann Hans Stade aus Homberg 
in Hessen. dem die Nachwelt eine der ersten Beschreibungen des 
neuen Landes und seiner Bewohner verdankt, die etwa zwanzigmal 
gedruckt, viel gelesen und sogar in fremde Sprachen übersetzi 
vurde, sodaß der Name dieses Deutschen für immer mit der Ge⸗ 
schichte der ersten Besiedlung des Landes verbunden bleibt. Hans 
Stade hatte, vom Drang nach Abenteuern getrieben, den Ent— 
schluß gefaßt. Indien zu besuchen. Um diesen Vorsatz auszuführen. 
reiste er von Bremen nach Holland und fand in Kampen Schiffe, 
die Salz für Portugal luden. Auf einem derselben gelangte der 
junge Deutsche nach einer vierwöchigen Reise am 20. April 1547 
nach dem portugiesischen Hafen Setubal und von dort nach Lissabon. 
Ein deutscher Gastwirt namens Leuhr jr. belehrte unseren Hans, 
daß so bald beine Gelegenheit wäre, nach Indien zu reisen, da 
zrit bürzlich eine Kgl. Flotte dorthin abgesegelt sei, verhalf ihm 
aber zu einer Anstellung als Artillerist auf einem Schiffe. das 
Jagd auf Freibeuter an der marobkbanischen Küste betreiben und 
zann Brasilien zu Handelszwecken aufsuchen sollte. Der aut aus⸗ 
gerũsteten Expedition, die aus einem größeren und kleineren Begleit- 
chiffe bestand, schlossen sich außer Hans Stade auch die Deutschen 
Hans von Bruchhaufsen und Heinrich Brant aus Bremen an. 
Nach erfolgreicher Tätigkeit an der berberischen Küste wurde die 
Insel Madera angelaufen und schließlich nach einer langen Fahrt, 
auf welcher Windstille mit Stürmen abwechselte, der Hafen von 
Pernambuco erroeicht, wo die Seefahrer nach 88 Tagen zum ersten 
Male wieder Land erblickten. Da die Eingeborenen gerade auf⸗ 
jäsig gegen die portugiesischen Kolonisten waren, wurden die An⸗ 
ommlinge gebeten, sich an der Niederwerfung der Ausständischen 
zu beteiligen, was auch geschah. Mit Danbk verabschiedeten sich die 
Ansiedler von den Seefahrern, die darauf wieder in Soe gingen 
und burz nachher einen Kampf mit einem französischen Freibeuter 
zu bestehen hatten, der an der Küste Brasilholz lud. Es delang 
dem Franzosen zu entweichen, nachdem er dem porftugiesischen 
Schiffe den Großmast abgeschossen und ihm Tote und Verwundete 
beigebracht hatte. Da der Wind aber ungünstig war, bonnte die 
brasilianische Küste nicht wieder angesteuert werden, sodaß die 
Räckfahrt nach Portugal beschlossen wurde. Die Lebensmittel waren 
inzwischen so knapp geworden. daß die Mannschaft fast dom Hunger⸗ 
tode erlegen wäãre, als endlich nach 108 Tagen, am 12. August 1548. 
die Azoren Insoln erreicht wurden. Hier bonnten die Seefahrer 
sich erholen und schließlich noch ein Piratenschiff aufbringen, ehe 
sie Anfang Obtober 1548 in Gesellschaft einer großen Flotte von 
Schiffen. die alle aus Amerika und Indien gekommen waren, in 
dißabon einliefen. 
Die Erlebnisse dieser ersten Keise hatten aber den Durst 
Hhans Stades nach MAbenteuern noch nicht gestillt. Nach einer 
urzen Kast in der portugiesischen Hauptstadt machte er sich nach 
»em bastilijchen Hafen Sta. Maria und von dort nach Sevilla auf 
den Weg, wo Stade drei Schiffe fand, die nach dem La Plata 
»estimmt waren und auf denen er sich anmustern ließ. Am vierten 
Tage nach Ostern 1549 ging es wieder in See. Die kleine 
panische Flottille lief Lissabon an und segelte darauf nach den 
Zanarischen und den Kap Verdischen Inseln und nach Sao Thomé. 
ach der Abfahrt aus diesem letzten Hafen verlor man in einem 
zturme zwei der Schiffe aus den Augen. Das dritte, auf dem 
ich Hans Stade befand. mußte vier Monate auf günstigen Wind 
varten und bonnte erst Anfang September die Keije nach Amerika 
ortsjetzen. Am 24. November. nach einer Seefahrt von 6 Monaten, 
eblicᷣͤte man endlich Land. Da der Steuermann aber nicht wußte, 
vo er einen guten Anberplatz finden bonnte, kreuzte er vor der 
Aüste, als sich ein Sturm erhob, der das Schijf an einem Felsen 
eck schlug, jo daß nun nichts ũbrig blieb, als das Land aufs Gerate- 
vohl anzusteuern, wo sich schließlich im letzten Augenblick ein guter 
hafen dffnete. Von ansässigen Portugiesen erfuhren die Spanier, 
aß sie sich in Superaguy, an der Bucht von Paranagua, 18 Meilen 
ãdlich von Sao Vicente und 80 Meilen nördlich von der Insel 
Zanta Catharinad befänden. Nach burzer Kast und der erforder⸗ 
ichen Reparatur des Seqglers ging es mit gutem Winde weiter 
iach Sũden, aber ein neuer Sturm warf die Seefahrer wieder 
urück. sodaß sie erneut vor Anber gehen mußten, diesmal an der 
Insel Santa Catharina und gerade am Tage der Heiligen, welche 
er Insel den Namen geliehen hat. Hier traf schließlich auch nach 
inigen Wochen das eine der verlorengegangenen Schiffe, und 
war das Pilotenschiff, ein, wãährend das dritte für immer ver⸗ 
chollen blieb. Nun wurde gerüstet, um den letzten Teil der Fahrt 
sach dem La Plata anzutreten; als aber alle Vorbereitungen 
Woengen waren, ging das große Schiff im Hafen unter, sodaß die 
Abfahrt unterbleiben mußte. Das kleine Fahrzeug, zu dessen 
SBefahung Hans Stade gehört hatte, das aber zur Aufnahme 
iller Mannschaften unzuréichend war. blieb schließlich zwer Jahre 
n diesem Hafen liegen. Die Spanier hatten hier viele Entbehrungen 
u erieiden, da es an Lebensmitteln mangelte, bis endlich beschlossen 
purde, daß der größere Teil der Leute über Land nach Asuncion 
ufbrechen, wãhrend der Kest versuchen sollte, zu Schiff nach Sao 
dicente zu gelangen. Von denjenigen, welche die 800 Meilen 
peite, gefahrvolle Landreise nach Asuncion unternahmen, sind 
iele in der Wildnis durch Hunger umgekbommen und nur ein Teil 
sat das ferne Siel erreicht. Das kleine Schiff mit den verbliebenen 
Seeleuten, zu denen auch unser Landsmann gehörte, erlitt schließ 
ich noch Schiffbruch bei Itanbaen, zwei Meilen südlich von Sao 
dicente. Hierhin gelangte endlich Hans Stade mit seinen Begleitern 
ind wurde von den ansässigen Portugiesen auf das freundlichste 
ufgenommen. 
Wenn Hans bisher die Gefahren und Abenteuer zur See 
ennen gelernt hatte, so sollte er jetzt die nicht minder gefahrvolle 
Zekbanntschaft mit der eingeborenen brasilianischen Bevölberung 
om Stamme der Tupinibins machen, die in ständigem Kampfe 
nit den porfugiesischen Kolonisten lagen. Da die Aberfälle der 
Vilden auf die Berölberung von Sao Vicente von Norden her 
urch den Kanal von Bertioga zu erfolgen pflegten. hatten die 
Anfiedler einige Jahre zuvor zum Schuße der Kanaleinfahrt ein 
»stes Haus errichtet. das aber nicht standhielt, als die Ein⸗ 
eborenen eines Tages mit T0 Kanoes angriffen. wobei es viele 
ote auf beiden Seiten gab. Darauf beschlossen die Behörden 
ind die Kolonisten, den Ort stärber zu befestigen und auf der 
egenũberliegenden Kanalseite, auf der Insel Santo Amaro, ein 
leinos Fort zu erbauen, das mit einer Besatzung und mit Kanonen 
ersehen sein sollte. Der Bau dieser Befestigung war begonnen, 
ber nicht vollendet worden, denn es fehlte an einom portugiesischen 
Artilleristen, der es gewagt hätte, an dem Platz zu wohnen. 
dans Slade machte sich dorthin auf, und kaum haiten die Kolonisten 
jehdört. daß er ein Deutscher und im Artilleriewesen bewandert 
ei, als sie in ihn drangen, daß er in dem Fort bleiben und ihnen 
eifen mũßte, den Feind in Schach zu halten. wofũr Hans nicht 
ur woitere Mannschaften. sondern außerdem auch einen guten 
Sold empfangen sollte. Die Kolonisten malten unserem Lands- 
nanne aus, wie der Köniq von Portugal ihn für seine Dienste 
elohnen wũrde, denn der Monarch wisse alle diejenigen zu schätzen, 
ie sich in den neuen Ländern mit Rat und Tat wirksam betätigten. 
50 kam denn Hans Stade mit den Ansiedlern dahin üborein, 
er Monate in dem Fort zu dienen. Nachher soilte ein kgal. 
djfizier von drũüben Lommen. und es sollte eine Festung aus Steimen
	        
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