Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

eute, teils Abenteurer, Seefahrer und Soldaten, teils Bergleute, 
Ingenieure, Geistliche und Gelehrte, den brasilianischen Boden be— 
reten, jodaß die Nachrichten über Deutijche im Lande aus dem 
16. 171. und 18. Jahrhundert nur sehr jpärlich fließen. Dies 
rann auch nicht wüundernehmen, wenn wir uns vor Augen halten, 
vie großen Schwierigbeiten und Gefahren derjenige entgegenging, 
welcher sich damals zu einer Fahrt nach der „neuen Welt Amerika“ 
anschickte, und wenn wir uns ferner erinnern, daß, ausgenommen 
in der ersten Seit der Entdeckung und Erschließung des Landes, 
das portugiesische Mutterland allen Fremden den Aufenthalt in 
der brasilianischen Kolonie fast immer erschwert und wiederholt 
gänzlich verboten hat. Erst seit 1808, seit mit Übersiedlung des 
portugiesischen Königshauses nach Brasilien die Häfen den Schiffen 
aller Nationen geöffnet wurden. kamen Fremde in größerer Sahl 
in das Land. — 
Die Frage, auf welche Weise wohl die Beziehungen unserer 
Landsleute zu Brasilien entstanden sein mögen, läßt sich nur be— 
antworten, wenn wir unsere Blicke auf das Mutterland Portugal 
eichten und des Wanderteiebes gedenken, der den Deutschen inne⸗ 
wohnt und niemals völlig geruht hat. Su allen Seiten und aus 
allen Berufen und Ständen haben Abwanderungen deutscher 
Oolksgenossen aus der Heimat nach fast allen Ländern der be— 
wohnten Erde stattgefunden. so auch nach Portugal. Unter Sancho J. 
bon Portugal, der von 1185 - 1211 regierte, wurden niederdeutsche 
Kolonijsjten zwischen Santarem und Alemquer angesiedelt, 
wo sie die Villa dos Francos (Dilla Franco) gründeten, die später 
n Azambujo umgetauft wurde. Unter demselben Könige fochten 
deutsche, flämische und englische Kreuzfahrer, Teilnehmer des 4. 
Kreuzzuges, die in portugiesischen Häfen gelandet waren. gegen 
hie Ungläubigen, welche noch den Süden des Landes, Algarve, 
in Besiß hielten. Im Jahre 1464 siedelte Jobst von Hutter (José 
de Hurtere, auch Jorge und Joz de Utra, Hutra und Horta) aus 
Flandern als Statthalter der Azoren-Inseln Deuische und Flämen 
auf der Insel Fayal an, weswegen die Inseln bis ins 117. Jahrhundert 
hinein mit dem Namen Ilhas Flamengas, Flämische Inseln, be— 
nannt wurden. Wenn die Nzorianer noch heutigen Tages An— 
zeichen ihrer germanischen Blutmischung aufweisen und durch ihre 
lauen Augen und blonden Haare an die einstige Besiedlung der 
Inseln durch Niederdeutsche erinnern, so gilt dies auch von dem 
Nnamen der Hajfenstadt Horta, die ihre Bezeichnung nach dem 
oben genannten ersten Donatar der Insel Fayal trägt. Auch 
Jacome de Bruges (Brũgge), der ebenfalls ein Fläme und der erste 
Derwalter der zur jelben Gruppe gehörigen Insel Terceira war, 
oll jeit 1450 Flämen nach diesem Eiland gebracht haben. Er 
tarb 1412. — Um die Wende des 15. Jahrhunderts treffen wir, eine 
Begleiterscheinung der portugiesischen Entdeckungofahrten, in 
dissabon bereits Deutsche in größerer Sahl an, besonders Ange— 
tellte der großen oberdeutschen Handelshäuser, die am indischen 
Sewũrzhandel beteiligt waren. aber auch Angehörige anderer Berufs 
tãnde, wie 3. B. deutsche Buchdrucker, die sich nachweislich im 
Jahre 1498 in Leirio niederließen. — D. Manoel von Portugal 
aͤberhäufte den deutschen Buchdrucker Joh. Cromberger, den er ins 
Land berief, mit Wohltaten und stattete ihn 1508 mit besonderen 
ODorrechten jür die Ausübung seiner Kunst aus. Auch der Nürn- 
erger Patrizier Martin Behaim, ein Schwiegersohn des oben 
Jenannten Jobst von Hutter, hat einen großen Teil seines Lebens 
n Portugal zugebracht. Er war in den Jahren 1480.84 Mitglied 
der von König Johann I. berufenen Kommission, welche ein In- 
trument herstellen sollte, mit welchem man den Stand der Sonne 
rufnehmen bonnte und das man später mit dem Namen Astrola- 
dium bezeichnet hat. Behaim nahm als Kosmograph an der Keise 
des Diego Cao nach Guinea teil (1484.86) und begleitete 1481 
Fernäo Dulmo und J. M. Estreito auf ihrer Fahrt nach Ameriba. 
Nach der Rückbehr von dieser Reise bonstruierte Behaim den 
ersten Globus, in den er Florida, die Antillen und den Golf von 
Mexiko einteug. Behaim, der ais Begründer der deutschen Kos- 
nographie zu bezeichnen ist. lebte bis zum Jahre 1490 auf den 
Azoren; er ist im Jahre 1506 verstorben. — Ein sehr angesehener 
Augsburger Handelsherr, Lucas Kem, der seit 1503 als Ver⸗ 
roter der Weljer, Vöhlin und Genossen in Lijjabon lebte, unter⸗ 
nahm Keisen nach Madeira, den Azoren, Kanarischen und Kap 
Oerdischen Inseln, wo seine Herren Fabltoreien und Pflanzungen 
esjaßen, die von deutschen Beamten verwaltet wurden. Rem gab 
übrigens auch die Veranlassung zur ersten Fahrt deutscher Kauf- 
eute nach Indien, die allerdings eine dauernde Niederlassung 
Deutscher im Oiten nicht zur Folge hatte. Die Unternehmungen 
»er Ehinger und Welser in Venezuela und auf San Domingo, die 
Amerika- und Indien-Fahrten der Spanier und Portugiesen führten 
eutsche Seefahrer, Soldaten, Bergleute und Abenteurer aller 
Art nach den spanischen und portugiesischen Häsen. Wir wissen, 
daß an der Reise des Fernando Magalhaes im Jahre 1519 vier 
eutsche Matrosen und Artilleristen teilnahmen, daß elf Jahre 
päter zu der zweiten Expedition nach der jũdamerikanischen West- 
ũste Jakob Fugger 10000 und Bartholomäus Welser 2 000 Du- 
aten beigesteuert haben und daß neben einem Veoertreter der 
ugger, Hans Wandler, deutsches Schiffsvolk und Söldner die 
kxpedition begleiteten. Su der Flotte von 14 Schiffen, die im 
Jahre 1534 unter Führung von D. Pedro de Mendoza von Cadiz 
zaach dem La Plata auslief, gehörte eine Besatzung von 2500 
paniern und 150 deutschen Landsknechten, Hochdeutsche, Nieder- 
iänder und Sachsen. In der Flotte befand sich ein Schiff, welches 
as Handelshaus Sebastian Neithart und Jacob Welser in Mürn- 
erg ausgerũstet hatten und das unter der Leitung des Fabtors 
heinrich Paimen stand. Su diesem Schiffe gehörte unser Lands- 
nann Ulrich Schmiedel aus Straubing, dem wir nach seiner Teil- 
ahme an der Gründung von Buenos Nires (1536) und von 
—öXVVV 
hn bis an die Grenze von Peru führten, noch auf seiner Heimreise 
urch brasilianijches Land begegnen werden. — Deutsche Lands- 
mechte bämpften zu Tausenden bei den Unternehmungen Karls V. 
egen Tunis (1535) und Algier (1541) und auf dem Suge der 
Nalteser gegen Tripolis (1550); daß sie auch zweitweilig zahlreich 
n portugiesischen Diensten gestanden haben, möge die Erinnerung 
in den verunglückten Glaubenskrieg König Sebastians von Por- 
ugal gegen Marobko und an die Schlacht bei Albassar, unweit 
langer, dartun, in welcher der König und mit ihm 8300 deutsche 
zoldaten unter Führung des Grafen Thalberg ihren Untergang 
efunden haben (4. August 1518). Natürlich haben auch die durch 
rarl V. geschaffenen. Jahrhunderte währenden engen dynastischen 
ind politischen Beziehungen zwischen den Ländern der Habsburger 
Zrone, zu denen Spanien gehörte, zu einem häufigen Austausch 
hrer Bewohner beigetragen, sodaß der Sufluß Deutscher nach 
er Pyrenãen-Halbinjel, sei es nach Spanien, sei es nach dem 
asitanischen Königreiche, wohl nie ganz gestockt hat, wenn er auch 
eitweilig langsamer geflossen sein mag. 
Im 18. Jahrhundert ist es der portugiesische Staatsminister 
Narquis von Pombal, der als RKeformator des Schul- und Heer⸗ 
pejens einen neuen Anstoß zur Abersiedlung Deutscher nach 
)ortugal gibt. Er gewann den Grafen Friedrich Wilhelm von 
zchaumburg⸗Lippe (14124 77) für die Reorganisation des portu- 
iesischen Heeres, eine Aufgabe, die vom Grafen Lippe auf das 
dlãnzendste gelost worden ist. Er bommandierte die englisch-portu⸗ 
iesischen Truppen während des Feldzuges von 1762 gegen die 
»panier und leitete mit großer Sachbenntnis die Arbeiten für 
ie Grenzverteidigung. Ein mächtiges Fort der Feste Elvas trägt 
och heute den Namen dieses deutschen Generals. Wie Graf Lippe 
ine Keihe deutscher Offiziere und Gelehrter nach Portugal ge— 
ogen hat, so sehen wir auch noch im 19. Jahrhundert, in den 
dämpfen um das Jahr 1830, deutsche Offiziere in das portugiesische 
heer eintreten; auch deutsche Kaufleute und Industrielle haben 
nmer ein dankbares Arbeitsfeld in Portugal gefunden. — 
Alle dieje mannigfaltigen und weit zurũckreichenden Beziehungen 
deutscher zu Portugal mußten auch zu frũhzeitigen Beziehungen 
nserer Landsleute zu der brasilianischen Kolonie führen. welche 
n Jahre 1500 von Pedro Alvares Cabral entdeckt war und deren 
kzrschliepung seit 1350 in Angriff genommen wurde, nachdem 
Nartin Affonzo de Souza zum Gouvorneur der Terra do Brazil 
rnannt worden war. Aus fünf Schiffen bestand die Flotte, mit 
er Martin Affonzo am 83. Dezember 1530 den Tejo verließ und 
us etwa 400 Personen die Besatzung, unter der sich neben 
ortugiesischen Seeleuten, Soldaten, Edlen und Handwerbern auch 
Abenteurer, und zwar nicht nur portugiesischer, sondern auch 
ꝛanzõsijcher, italienischer und deutscher Herbunft befanden, was in 
em Schiffstagebuche des Pero Lopes de Souza, emes Bruders 
es Oberbefehlshabers, ausdrückliche Erwãhnung gefunden hat. Su 
en Edlen gehörte Antäo Leme aus vornehmem flämischen Ge— 
hlecht (Lem), das aus Handelsinteressen von Brũgge nach Por⸗ 
ugal ũbergesiedelt war und dort, wie später in Brasilien, weiter 
eblüht hat. — An Stelle vereinzelter Stũtzpunkte an der Küste, 
ie bisher französischen und spanischen Schleichhändlern für ihren 
»andel mit den Eingeborenen gedient hatten, traten nun bald feste 
liederlassungen der Portugiesen, als erste Sao Vicente, im heutigen 
vüstengebiet des Staates S. Paulo, wo auch bald die ersten 
faktoreien und Pflanzungen erstanden. Das Hauptinteresse nahm 
ie Anpflanzung von Suckerrohr in Anspruch, das von der Insel 
Nadeira nach Brasilien gebracht worden war und auf Sucker und 
zranntwein verarbeitet wurde. Um das Presjjen des Kohrs und 
ie Sucker- und Branntwein-Gewinnung zu erleichtern, ließ der 
zouverneur in Sao Vicente ein sogenanntes „Engenho“ errichten, 
as durch Wasserkraft betrieben wurde und von allen Pflanzern 
enutzt werden durfte. Dieses Engenho führte ursprünglich den 
lamen „do Governador“, hieß dann „Engenho dos Armadores“
	        
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