Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

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Heimat⸗Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
Nr. 23 / 1025 Erscheinungsweise 2 mal monatlich. BSezugspreis 4,20, Me. im Vierteljahr. Frühere 
r. Jahrgãnge bönnen. soweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-Doerlag nachbezogen werden 
3. Jahrgang 
Das gritzgraue Männlein õ Von Heinrich Ruppel.“ 
Spinnstubenmären raunen gespensterleije. 
Die Eller sitzt mit Mädchen und Burschen im Kreije. 
Die reih'n sich ums Licht und lauschen und zupfen vom RKocken 
Des seidigen Flachses lange, hellblonde Locken. 
Die Schatten bewegen wie spielend sich an den Wänden, 
Hanz breit und plump, mit großen Köpfen und Händen. 
Der Halwind umheult wie ein hungriger Wolf das Haus. 
Kein Christenmensch wagt sich in solcher Nacht hinaus. 
Kein Laut, bein Lachen, bein Hauch ist zu vernehmen, 
Als wenn die Geister allaugenblicks durchs Schlüsselloch kämen. 
Mit wissenden Worten wispert des Hauses Eller: 
„Ich weiß es, Kinder: im Pfarrhaus, da spukt's; im Keller, 
Da geht, wenn's zwölf ist, ein uralter Tambur um. 
Dann rasselt und prasselt die Trommel pumperwumbumm. 
Das ist eine Stund' lang ein Lärmen durchs ganze Haus. 
Deswegen hält's beine Magd in der Pfarre aus. — 
Ihr kbennt doch wohl auch im Haderholz den Mann, 
Der steht ohne Kopf an der blauen Pfütze 
Und machte scheu schon manches Gespann: 
Die Pferde schäumten und rasten davon. 
Und dann: 
Oom gritzgrauen Männchen mit jeiner Mütze 
In unserer Kirche hörtet ihr schon; 
Es grummelt und brummelt wie Orgelton, 
So aus der tiefsten Tiefe heraus, 
Und hat eine Mütze aus Menschenhaut —“ 
O, wie's den Mädchen gruselt und graut! 
Die Burschen freu'n sich an all dem Graus. 
Hus dem soeben im Heimatichollen-VOerlag erschienenen Buch Der dunble 
Weg“, Salladen von Heinrich Ruppel. 
dernach will beine allein nach Haus. 
Dann lassen sie gern sich schützen und führen, 
Tuschelnd und — küssend, bis an die Türen. 
Was weiter, Eller, vom Männchen gritzgrau?“ 
Ihr Jungen, jajal“ nickt die alte Frau. 
„VDon meiner Eller her weiß ich's noch. 
Das Männchen, das wohnt im Schippenloch; 
Ihr wißt, wo Klaus, der die Toten begräbt. 
Die Bahre, Hacke und Schippe aufhebt, 
Sis sie den letzten Dienst uns tun. 
Ich alte Frau, bald werd' ich ruhn!“ 
Sie hat so große Augen, als sähe 
Sie schon ihr Grab — es schüttelt sie jähe. 
Dann ist sie wieder die raunende Eller. 
ODie Käder stocken. Der Herzschlag geht schneller. 
„Don zwölf bis eins in die Kirche zu gehn. 
WDill beine Seele sich unterstehn. 
Das ganze Dorf hat Heidenangst —.“ 
„Ha, Heidenangst!“ lacht MWariekestin. 
„Was ist denn dabei! Ich gehe hin!“ 
Ein Bursche bezweifelt ihren Mut. 
Sie blitzt ihn an: Wenn du's verlangst 
„Dann briegst du meine bunte Kuhl“ 
Schlag einl“ sagt das Mädchen. Der Bursche schlägt zu. 
Die Eller wehrt: „Kinder, das tut nicht gut!“ 
Das Mädchen voll Kraft und ÜUbermut, 
Lacht auf: „Heut abend ersteig ich noch 
Die Treppe über dem Schippenloch.
	        
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