Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Auf der Heimatwarte. 
Die Historijche Kommission jür Hessen und Waldeck 
hielt in Marburg ihre diesjährige Hauptversammlung ab. Aus den 
Serichten ergibt sich, das trotz ungünstiger Finanzlage bedeutende 
Unternehmungen gefördert worden sind. Keimers Historisches Orts 
lexikon für Kurhessen ist nunmehr, mit 84 Bogen vollständig ge⸗ 
druckt. Einige Nachträge und Berichtigungen sind noch anzufügen, 
sodaß das Werk demnächst abgeschlossen ist und in Buchform aus- 
gegeben werden bann. Gundlachs „Catalogus prolessorum Mar· 
— jãämtlicher Marburger Hochschullehrer 
nit lebensgeschichtlichen Angaben von 1521- 1910, ist bis zum 
Sogen 18 gedruckt. Die Srucklegung des ersten SBandes der 
uͤellen zur hessischen Reformationsgeschichte“, deren Einleitungs⸗ 
hand seit 1915 vorliegt (W. Sohm, Territorium und Keformation 
in der hesfischen Geschichte 1525 bis 1555) wird Archivhilfsarbeiter 
De. 8 borbereiten, und die von Reimer bearbeiteten Kegesten 
her AÄrkbunden des Klosters Haina in der Abteilung „Klosterarchive“ 
sollen von Staatsarchivrat De. Gutbier druckfertig gemacht werden, 
borausgesetzt, daß die jür den Druck ersorderlichen Mittel auf- 
gebracht werden bkönnen. Über die im Rahmen der „Quellen zur 
Zechts und Verfasjungsgeschichte der hessischen Städte“ geplante 
Oeroffentlichung der Rechtequellen der Werrastädte Witzenhausen, 
Allendorf, Eschwege und Sontra berichtete Peivatdozent Dr. Eck⸗ 
hardt aus Goͤttingen. Die Arbeit ist für die beiden erstgenannten 
Stadte bereits in Angriff genommen. Wie zahlreiche ausgelegte 
Zarten beweisen, ist das geschichtliche Kartenwerk unter Leitung 
bon Prof. Dr. Stengel im vergangenen Jahre erheblich weiter 
Jefördert worden. Vor dem Druck stehen Arbeiten uüͤber die Graf⸗ 
schaft Wittgensein (Dr. G. Wrede) und die VODerwaltung der kur⸗ 
mainzischen Amter in Hessen und auf dem Eichsfeld (Dr. H. Falb); 
bgeschlossen oder nahezu fertig sind AUntersuchungen ũber Siegen⸗ 
hain (5F. Brauer), Hersteld (E. Siegler), Frankenberg (E. Anhalt) 
And die solmsischen Territorien (D. Ahlhorn), in Arbeit sind einige 
niederhessische Amter, Nidda und Fuida. Näheres und weitere 
Plane enthält der Bericht Stengels „Dom geschichtlichen Atlas für 
Hessen und Rassau* im „Hessenland“, 81. Jahrgang (Casjel 1925), 
Hest d. Über die Abgrenzung der einzelnen Arbeitsgebiete haben 
die beteiligten Kommissionen von Kurhessen und Hessen · Darmstadt 
ein Abbommen getroffen. 
AUm das Marburger Kunsthaus. 
Die burhessische Landesuniversität Marburg feiert 1927 ihr 
loojahriges Bestehen. Anlaßlich dieses Jubiläums ist unter den 
Semeinden und Einwohnern Kurhessens eine Sammlung veran⸗ 
faltet worden zu dem Sweck, der Alma water Philippina ein 
Kunsthaus zu schenken. Dieses Geschenk ist nun Gegenstand eines 
heftigen Meinungskampfes der heimatlichen Cffentlichkeit mit dem 
preußischen Finanzminister geworden. Der Minijter will nämlich 
nicht gestatten, daß das — aus privaten, nicht aus staatlichen — 
Mitteln zu erbauende Kunsthaus in den Mittelpunkt eines freien 
Detibewerbs der deutschen Architekten gestellt wird. Der Ent⸗- 
purf soll vielmehr aus der Hochbauabteilung des preußischen 
Fmanzministeriums hervorgehen. Es erscheint demnach verständ⸗ 
— Anterschied der poluischen 
xuistellung gegen diesen ũbrigens höchst fadenscheinig begrũndeten 
Fingriff Berlins in die (ohnehin sehr begrenzten) Rechte der 
Probinz auf das Entschiedenste protestiert und im einzeinen sogat 
bor Drohungen nicht zurũckschreckt. Augenblicklich liegt die weitere 
Herfolgung der Angelegenheit in den Händen der Lurhejsijchen 
Abgeordneten zum preußischen Landtag. Hoffentlich gelingt es 
hnen, die Freiheit des Kunstschaffens wirkjam zu jschũtzen und dem 
Seschenk des Landes für seine Hochschule die ihm gebũhrende 
elbstãndige Verwirklichung zu sichern. W. G. 
Ausstellung hessischer Künstler. 
Der Casseler Kunstverein bietet in seinen Räumen gegen- 
wärtig eine Ausstellung hessischer Künstler, die sich im wejentlichen 
qus den Verken von Augehörigen einiger Veebände zusammen- 
jetzt. Es handelt sich nicht um die jogenannten Peominenten, sondern 
um äaltere und jüungere Käünstler und Künstlerinnen, wie sie sich 
in ähnlicher Susammensetzung alljährlich vor Weihnachten an das 
Publikum wenden. Seigte die vorjährige Ausstellung ein äußerst 
schwaches Niveau, so steht es mit der diesjãhrigen wenigstens inso⸗ 
fern besser, als durch die Jury des Kunstvereins der ãrgste Kitsch 
ausgeschieden worden ist. Die so getroffene Auswahl kann aber 
kroß einzelner guter Sachen, wie sie etwa von Franz Rieger, 
Georg Höhmann, Berta Wartin beigesteuert wurden, auch nicht 
doll befriedigen, da die Mehrzahl der vorhandenen Bilder keinen 
jeferen Eindruck hervorzurufen vermag. Es muß im übrigen 
eiont werden, daß die Ausstellung als solche durchaus nicht das 
ejamthessische Kunstschaffen repräsentiert, jondern nur einen Aus- 
chnitt daritellt, wie er sich aus der Sugehörigkeit der Künstler 
u den Interesjenverbänden ergibt. Es handelt sich also nicht um 
ine organische, sondern lediglich um eine solche Repräjentation, 
ie sich aus äaußerer Susammengehörigkeit ergibt. Es sind deshalb 
us der NAusstellung beinerlei veraligemeinernde Räckschlüsse zu 
iehen. W. S. 
SBuũhnenerfolg eĩines hessischen Dichters. 
Der unter den hessischen Dramatikern der Gegenwart an 
ester Stelle stehende Alex von Franbenberg, der zumindest 
inem Teil unserer Leser aus dem ersten Band von Will Scheller: 
Hessische Köpfe“ bebannt sein dürfte, hat, nachdem er bereits 
m vorigen Jahr mit seinem Drama „Leuchtfeuer“ einen starken 
krfolg verzeichnen bonnte, jetzt mit der Uraufführung seines neuen 
dramas „Die Bettler“ in Aachen wiederum einen tiefen Eindruck 
rzielt. Bas Werb gibt einen packenden Ausschnitt aus der Seit 
er religiosen und politischen Kaͤmpfe der Miederlande im 16. Jahr- 
undert. Die Szenen sfind straff aufgebaut. Plastisch treten die 
andelnden Personen hervor. An der meisterhaft behandelten 
zprache ist der berufene Dichter zu erkennen. Frankenberg bonnte 
en dankbaren Beifall eines interessierten Publikums persönlich 
ntgegennehmen. VBie Buchausgabe des Dramas ist im Oerlag 
es Bühnenvolksbundes erschienen. K. 53. 
Christoph von Grimmelshausen, 
er aus Gelnhausen stammende Verfasjer des „Simplizius Simpli- 
issimus“, dessen 300. Geburtotag in diesem Jahre gefeiert wurde 
nud dessen 80. Todestag in das bommende fällt, ist Gegenstand 
iner literarhistorischen Studie, die Arthur Bechtold im vierten 
hefte des ausgezeichneten „Inselschiff“ (Seitschrift für die Freunde 
es Injel· Verlags, 6. Jahrgang) veröffentlicht. Er berichtet darin 
ber den außerordentlichen Erfolg, den das Hauptwerk des Dichters 
eim Erscheinen hatte, und zwar in allen Kreisen der Sevölkerung, 
iber die Vergeßlichkeit der Nachwelt und die Mühen, die es 
gebostet hat, Werk und Personlichbeit Grimmelshausens nachher 
vieder festzustellen und aus dem unsicheren Bereich der Mut- 
naßungen zu befreien, woran die Komantiker des neunzehnten 
ahrhunderis besonders beteiligt waren. Interessant ist, zu erfahren, 
AP es im preußischen Abgeordnetenhaus einmal eine scharfe 
debatte ũber den „Simplizissimus“‘ gegeben hat, der damals von 
inigen Parteien gänzlich verdammt wurde, während ihn der 
dunusminister in die Schulbibliotheken einführen wollte. Das 
eben Grimmelshausens, der den Beruf des Militärbeamten mit 
em eines Gastwirts zu vertauschen und diesen mit dem eines 
ʒchriftstellers zu verbinden wußte, wird von Bechtold nicht minder 
eutlich nachgezeichnet, sodaß am Ende ein blares Bild der ganzen 
Jersönlichkeil vor dem inneren Auge des Lesers erscheint. w. 6. 
Hans Stades Keisebuch „Wahrhafftig Historia“. 
Einer der ersten und wichtigsten Reiseberichte über die Veue 
Velt, von dem Seefahrer Hans Stade aus Homberg a. d. Efze 
erfaßt, wird nach der Franbfurter Seitung vom 8. November neu 
erausgebracht und zwaär in einer fabsimilierten Wiedergabe der 
zestausgabe zu „Marpurg uff Fastnacht 1551* mit Begleitschrift 
on Kich. N. Wegner, Verlag Wüsten 8 Co., Frankfurt a. M. 
zleichzeitig kündigt ein KRundschreiben von „Der Welthreis, 
Zücher von Entdeckungsfahrten und Reisen“, Herausgeber ODr. 
dans Kauders, eine in Vorbereitung befindliche Ausgabe der 
deise Hans Stades nach Brasilien im Verlag der Philosophischen 
Abademie, Erlangen, an. Sodann erwähnen wir noch, daß „Aus 
zatur und Museum“, 55. Bericht der Senckenbergischen Matur⸗ 
eschenden Gesellschaft in Frankfurt einen Beitrag „Mittelalter⸗ 
che Tierdarstellungen?“ von Rich. N. Wegner bringt, der von 
zans Stade handen, zwei Tierabbildungen aus seinem Keisebuch 
iedergibt und einen Hinweis auf die oben erwähnte fabsimilierte 
Ausgabe enthält, woraus hervorgeht, daß diese Ausgabe auf 
deranlassung der Frankfurter Gejellschaft für Anthropologie, 
ẽkthnographie und Urgeschichte erscheint. Unsere nächste Nummer 
dird sich in einem ausführlichen Beitrag Friedrich Sommers näher 
nit Hans Stade und seinen Reisen befassen. 
F — — —— —— —— —— 
Nachdruck nur nach Abereinbunft mit dem Horausgober gestattet. 
derausgeber: Konrad Bernecher. Deuck und Veelag: A. Bernecker, Melsungen.
	        
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