Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

attichblatt verschiedene Speisereste vor sich liegen, daneben 
eine Supfgeige, auf der Bank den Rucksack. Neben ihm 
auf dem Kasen saß ein Hund auf den Hinterpfoten und 
nachte „schön“. Das heißt, er bewegte bittend die Vorder— 
ofoten, und der Mann und das Mädchen hörten, wie der 
Junge zu dem Hund also sprach: „Hier hast du die Hälfte 
hon der Wurst, die mir die alte Dame ungebeten gab, als 
ich die Straße entlang ging, ihre Schattenmorellen musternd 
— und hier nimm den Brocken Speck, den eine andere gab, 
als ich in ihren Vorgarten krat, Leine guten Absichten im 
Schilde führend. Du gehörst in diese Landschaft, du ver— 
drehtes Hundevieh! Statt mir in die Waden zu fahren, 
machst du „schön“. — Weiß der Himmel, hier verliert man 
alle Lust am „Mitgehenheißen“. Weiß der Himmel —.“ 
Der Junge verstummte, denn er haͤtte die Beiden be— 
merkt, die auf ihn zukamen. Das Mädchen legte neben 
ein karges Abendbrot einige rotbäckige Apfel, die der Mann 
in einem Handkorb trug. „Das löscht den Durst“, sagte 
ie. „Sie lieben Tiere?“ fragte der Mann. auf den Hund 
zeigend. 
„Nein, nicht im mindesten; sie waren mir stets gleichgültig, 
venn es sich nicht um solche im gebratenen Sustand handelte. 
Ich hätte auch diesen Spitz einfach mitgenommen und im 
nächsten Ort verkauft — aber“ — er lachte kurz auf — 
es ist schon so — hier ist alles festgemacht. Die Wäsche 
iegt ohne Wächter auf der Bleiche, obgleich die Nacht 
erauf zieht — verdammt noch mal — ich bringe es nicht 
ertig, mir ein reines Hemd zu nehmen, obgleich sechs dort 
ängen —.“ 
Der Mann fragte: „Ihr braucht ein Hemd. Wahrscheinlich 
nuch Strümpfe. So bommt mit, ich gebe es Euch gern.“ 
Da legte der Junge seinen Kopf auf den Steintisch und 
hluchzte laut auf. 
Dann sprang er empor, rief, halb verzweifelt, halb sich 
2lbst verspottend: „Ihr gebt mir vielleicht auch das Geld 
ur Heimreise, ehe mir die Landstraße das Marb aus den 
znochen gesogen hat? Oder macht mich fest — —.“ 
„Ja — dein Herz möchte ich festmachen — welches 
jeschieht durch Gnade —.“ 
Dies ist wirblich geschehen — auf die allereinfachste 
Veise. Der Mann nahm den Jungen mit in sein Pfarr⸗ 
aus, gab ihm von dem Wenigen, was er besaß, einen Teil 
ind fand Mittel und Wege, ihn in sein Elternhaus zurück⸗ 
uführen — sozusagen vor Toresschluß — es war wirbkblich 
illes ganz einfach, weil der Mann verstand, „Sich-ins-Kechte- 
u·denken“, denn die Liebe war für ihn das Grundgesetz 
er Welt. And der Alte? Er ist weitergewandelt — Gott 
gebe ihm ein friedvolles Ende. — 
Lieder vom Tod õ Von H. Breul.— 
l. Weggenoss'. 
Den letzten Weg, auf falbem Koß, 
Den letzten Weg, Freund Weggenoss', 
Behutsam. ohne Worte ... 
Mein Weggenoss', das ist der Tod 
Dom Hahnenschrei zum Abendrot 
Und durch die schwarze Nacht. 
Ich grüß' ihn jeden Morgen neu 
Und dank' ihm seine Wegestreu 
Und freu' mich. wenn er lacht. 
2. Am Meilenstein. 
Hätt' nimmer gedacht, daß du möchtest so lustig sein! 
Mir saßen zusammen auf einem Weilenstein 
So Rücken an Rücken. 
Spanntest über ein dürres Hölzelein 
Altweibersommerfädelein, 
Und mit knöchernen Krücken J 
Kratztest du kläglich aus der närrischen Fiedel 
Fin jenseitigtiefes, ein sonderbar Liedel — 
Mich fror's übern Rücken. 
Denn wenn er lacht, der Tag ist mein, 
Des Segen will mich noch erfreu'n — 
Ob Worgen nicht schon weint? 
Heut reicht er mir das Feuer noch 
Auf mein verkohltes Pfeifenloch 
VNie er's wohl nächstens meint? 
OHerdächtig wippt sein Eisenzahn, 
Die lange blanke Sensenbahn 
Just über meinem Nacken. 
Freund Weggenoss', ich benne dich, 
Du lächelst — heute willst du mich 
Noch nicht ins Drehbein hacken. 
3. Kirchweih. 
Don deiner Mütze wippt die lange Feder — 
Juchheijal wie dein Mäntlein flappt im Wind! 
WMie schwenkst du toll das bänderbunte Kind, 
Daß dich umschwillt des ganzen Dorfs Gezeter. 
Doch kbommst du eines Morgens 
Das Auge gradeaus und dumm, 
Dann geht's zur dunklen Pforte 
tumm, 
Wild fährt dein Odem durch die alte Linde, 
Und welke Blätter fallen in den Tanz. 
ODerdorrt ist deiner Tänzerin voller Kranz — 
Auf ihrem Grab bald schütteln ihn die Winde. 
Unsere Haustiere im Spiegel der Grimmschen Volksmärchend. 
VDon Olga StäckrathStawitz. 
Das Schaf. 
Auch das Schaf ist in der Reihe unserer Haustiere im Märchen 
ertreten. Gemäß seiner außerordentlich geringen Intelligenz 
ppielt es eine durchaus untergeordnete Rolle und tritt selten ein— 
zeln, fast nur in der Herde auf. Der Schäfer mit seiner Schar 
illerdings ist ein sehr beliebtes Märchenbild und in den Märchen 
„Der liebste Koland“, „Der singende Knochen“, „Der König vom 
goldenen Berg“ zu finden, besonders stimmungsvoll aber in dem 
Maärchen von der Nixe am Teich. 
*Giehe Heimal·Schollen Nre. 2. 3 und 10. 
In dem Märchen „Das Bürle“ kommt ebenfalls ein Schäfer 
nit seiner Herde vor. Doch das schlaue Bürle betrügt ihn, indem 
s ihm vorspiegelt, er wũrde Schultheiß, wenn er sich an seiner Statt 
n ein Faß setzen wollte. Der Schäfer geht darauf ein und wird 
in Stelle des bösen Bürle in dem Faß ins Wasser gerollt. Den 
eimkehrenden Bauern begegnet das Bürle mit der Herde des 
zchãfers und erzählt ihnen, die in dem Glauben sind, soeben das 
Zürle getötet zu haben, er sei fief bis auf den Grund gesunken, 
us dem Fasse gekrochen und habe dort unten auf schönen Wiesen 
iele Lämmer weiden jsehen; diese Herde habe er sich mit herauf- 
jebracht. Nachdem er den Bauern versichert hat, daß noch genug
	        
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