ganze Nacht hocken müssen, als ich Aprikosen stehlen
Polite — eine ganze Gewitternacht lang mit Donner, Slit
und Hagelschlag bis zum hellen Worgen, bis der Dr. Grunde
in den Garten kam, die Hand hob und den Bann von mir
nahm ....“
Der Junge lachte. „So was soll ich glauben. Wie
lange ist das denn her? Fünfzig Jahre, was? Geträumt
habt Ihr das .... abergläubig seid Ihr. Ich nicht ....
Mir kLönnte so was nicht passieren.“
„Nein? Dir nicht? Also versuchs, klettere auf den Baum,
hock oben mit steifen Gliedern, bis einer des Wegs bommt,
der dich herunterholt, einer, der den Sann fortnimmt!
Tu's doch! Klettere hinauf, bommst allein nicht wieder
herunter! Kauere dich auf den Acker, juche Kartoffeln,
lommst nicht wieder hoch —.“
„Sind das nun faule Witze?“
„Ich hindere dich nicht, dasselbe auszuprobieren.“
Der Junge sah unschlüssig auf die rotbäckigen Früchte.
Er ärgerte sich über sich selbst, daß er nicht hurtig —XX
und nahm, was er brauchte.
Auf dem Feldweg, der vom Wald aus auf den Brunnen
zu führte, trieb ein Schäfer seine Herde. Das nahm er als
Grund, jeine Absicht vorläufig nicht auszuführen. Die
Schafe gingen langsam schnurpfend über ein abgeerntetes
Weizenfeld, die Hunde umsprangen die Herde, Ordnung
haltend. Der Schäjfer kam und setzte sich auf die Bank
an der gegenüberliegenden Seite und pfiff den Hunden, die
im Nu die Herde antrieben, ihrem Heren zu solgen, der sie
mit einigen Socktönen: Sick, komm, Sick, komm, begrüßte. —
Der Junge sah das hübsche Bild mit sichtbarer Freude
und mit Siaunen an, das sich jetzt vor jseinem Auge entwickelte.
Die Schafe standen eins neben dem andern an den steinernen
Masserrinnen, die das Quellwasser auffingen, und erquickten
sich an dem silbernen Naß. Die Hunde umbreisten die
Trinkenden — der Schäfer hatte ein Stück Brot aus der
Hirtentasche genommen, das er an der Quelle anfeuchtete
Ind mit den Hunden teilte. Dabei schaute er die beiden
Manderburschen, die er mit kurzem Gruß begrüßt, aufmerbsam
an. Nach einer Weile fragte er den Alteren: „Wenn
mich nicht alles trügt, sehe ich vor mir einen Hainbacher,
der lange fort war.“
Der Altere zögerte erst mit der Antwort, dann sagte
Hast's getroffen, Christel Holstein —.“
„Sleibste oder gehste vorbei?“
Was soll ich neben Gräbern? Ich geh vorbei.“
Schad' um dich“, meinte der Schäfer. „Warst X Auf der blauen Basaltstraße, die am Fluß entlang führt,
irer Bursche .“ Und dann, nach eine⸗ Lleinen Pauje, in zsingen ein Mann und ein Mädchen Hand in Hand. Im
erer den Jungen eingehend gemuͤstert: „Länger Vesten flammte der Himmel blaugolden und purpurfarben,
Jahr sollte beiner der Heimat fern bleiben, die Landstraßen ind zwijchen den Tannen, des Haardtwaldes wurde das
hat der Teusel gesegnet. Wer bein starkes Herze hat, dem erste Diertel des Mondes sichtba.
schwächen sie das Wark in den Knochen.“ J 8* tesen md heiigsen, 33— de darben
Doer Alte sah vor sich nieder, der Junge versuchte verächtlich eu, agte der Mann. „Wie feierlich ist die Stunde, da
7 * Tag und Nacht ineinander zu fließen scheinen. Man joll
—— Oann summte er: „Die Trägen. die zu Hause ucht viel Worte machen, soll andächtig lauschen, wenn der
„Jedes Ding hat seine zwei Seiten —“, meinte der Allmãchtige si in seinem Vere A
Schaͤfer, stand auf und pfiff den Hunden, die neben ihm „Wie glücklich bin ich nebon dir —.
Posto gefaßt hatten, zum Aufbruch. „Sich finden ist Fügung.
„Wartet einen Augenblick“, bat der Junge und ging Selig durch die Liebe, Menschen Göttern gleich —.“
um den Tisch herum auf ihn zu. „Was ist das mit dem Der Mann zeigte mit der Hand Zuf den Steintisch unter
„Festmachen“, von dem mir mein Gefährte erzãhlte?“ den Baumen an der Wegkreuzung: Dort sitzt ein Einsamer.“
„Euresgleichen ist zu aufgeblärt, um das in sich aufzʒunehmen. Sie blieben stehen. Ja, da jaß der Junge, der auf den
Probierts selber aus, ob fremdes Eigentum auch für Euch Alten wartete. Er hatte auf einem großen grünen Huf-
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vie für jeden ehrlichen Menschen „Festgemacht“ ist und tragt
die Folgen.“
Der Alte fiel ein: „Als du kbamst, wollt ich ihm
gerade erzählen, daß Pfarrer Schwedler, der die Salzquellen
jor mehr als hundert Jahren in Betrieb brachte, das Land
ingsum — den großen wie den kleinen Hain, das der
Zammerbach durchfließt, mit dem flachen Kreuzzeichen festge⸗
nacht hat. Niemand bann, soweit der Bann reicht, stehlen.
ohne zu erstarren. Ist es nicht jo?“
„Ja, so ist es, und es Lommt noch etwas hinzu: beiner,
der in diesem Gau wohnt, schlägt einem BSittenden etwas
ib. Das sind die Stillen im Land hier, die wahrhaft
rũderlich leben. Das Stehlen ist ganz überflüssig.“
Der Junge wollte lachen und eine freche Bemerbung
nachen, aber dann lief ihm ein Schrecken über den Kücken
woem glich denn der Hirte? Einem Heilandsbild, das er
inlängst im Schaufenster eines BSilderladens gesehen? AUnd
vem sjah sein Weggenosse ähnlich? Dem Lucifer? Auch
iesen Blick — unergründlich wollte er ihm damals scheinen —
zatte er früher an einem gemalten Bild gesehen — Judas
Ijchariot? Lucifer? Er schüttelte sich und machte eine
bwehrende Handbewegung und stammelte das Wort:
„Unsinn.“ —
Der Schäfer war weiter geschritten — eintönig klang
»as Getreppel und Schnürzen der weidenden Tiere und
azwischen aufmunternd das burze Gebell der Hunde. Der
Junge hatte sich an seinem Rucksack zu jschaffen gemacht,
ser Alte erhob sich plötzlich und meinte: „Junge, mich
ackt, ob ich will oder nicht will, die Sehnsucht nach dem
hainbacher Gottesacker. Da hängt in der Kapelle die
jungfrauenkrone meiner bleinen gestorbenen Schwester —
sie will ich noch mal sehen, ehe ich im Schlamme versinke.
Bleib' hier und wart' auf mich, oder geh' eine ODiertel ·
vegstunde voraus und warte dort vor dem Ostertor von
dainbach auf mich. Steht ein Steintisch dort unter Linden
ind Weiden; nur daß beine Quelle vorhanden ist — ich
nöchte allein durch den Ort wandern.“
„Ich bin kein Anmensch,“ antwortete der Junge mit
ĩnem schwachen Versuch, die Sache ins Lächerliche zu ziehen.
Gehst rechts, ich gehe links — mir scheint, mein Weg führt
in Sandhäusern vorbei, in denen reiche Leute ihre trägen
Tage verleben — wer weiß, was es da zu ernten gibt —
ielleicht findet Ihr mich auch irgendwo „Festgemacht“.
Zollte ich nicht an dem Steintisch sitzen, seht Euch nach mir
uml“
——