Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Schmied von einem scharf ausgeprägten Gefühl seines Wertes und 
einer Bedeutung erfüllt, der seine Schmiede in Bahlhorn bei 
Lasjel mit den Dersen schmücken ließ: J 
q. „Der Schmied arbeitet für Stahl und Eijen. 
Die Schmiedekbunst muß man nicht billig preijen. 
Kaiser, Könige, Fürsten und Herren 
Können beinen Schmied entbehren. 
Bauern, Bürger insgemein 
Können ohne Schmied nicht sein.“ 
Fromme Töne schlägt sein Berufsgenosse in Amönau an, 
der an jeiner Werbstatt die Worte anbringen ließ: 
13. „Gott, fördere du die Werbe meiner Hände, 
Hesegnet sei der Anfang und das Ende. 
Bib guten Rat, damit, was ich vollbringe, 
Mir wohl gelinge“. 
porunter der ländliche Künstler die Handwerksembleme Hufeijen, 
Hammer, Sange und Bohrer in wappenartiger Anordnung setzte. 
Ein Schmiedemeister in Biedenkbopf, der bei seiner Arbeit 
nicht gern durch müßige Schwätzer gestört sein möchte, wurde nach 
einer Angabe durch den Krieg verhindert, an seinem Häuschen 
n der Stadtgasse Ne. 21 den Spruch anbringen zu lassen: 
14. „Seit ist Geld, das merbe die, 
Nur geschäftlich komm zu mir. 
Willst du unterhalten sein, 
So stelle dich des Abends ein.“ 
nicht sonderlich höflich blingt die Schlosserinschrift: 
4 a. „Wenn an jedes lose Maul 
Ein Schloß müßt angeleget werden, 
Dann wär' die edle Schlosserkbunst 
Die beste Kunst auf Erden.“ 
Die in der Volks⸗ und Kunstpoesie so oft besungenen und ver⸗ 
herrlichten Mũhlen und ihre Besitzer, die jüũr den Bauer so wichtigen 
Müller, spielen auch in den Keimen der Hausinschriften eine ge— 
wvisjse Koille. Mühleninschriften mit Mülleriprũchen gibt es auch 
m Hessenlande hier und da. 
Am Wohnhaus der Rauchmühle bei KReimershaufsen im 
beren Salzbödetal (Kreis Marburg) steht der Spruch: 
9. „Die Müũller, die sein wacker, 
Die Mähle ist ihr Acker, 
Ddie Welle ist ihr Pflug, 
Damit verdienen ssie Koͤrn und Weizen genug.“ 
Nach den Ausführungen des Gießener Professors Hepding 
n den „Hessischen Slättern für Volkskbunde“ liegt diesem Mäller- 
pruch der alte Schreiberspruch zu Grunde: 
154. „Daß Papier ist mein Acker, 
Darumb bin ich so wacker, 
Die Feder ist mein pflug, 
Drumb bin ich so Klug. 
Der Dinte ist mein samen, 
Damit schreibe ich den Nahmen.“ 
Dieser Spruch wiederum geht vermutlich auf eine viel ältere 
niederdeutsche Telierinschreift zurück, die neben der bildlichen Dar— 
sttellung eines mit zwei Pferden arbeitenden Pflũgers angebracht ist. 
Auf der Bartenhäuser Mühle in Rauschenberg bei 
Kirchhain las ich vor einigen Jahren die Inschrift: 
16. ,‚Wenn der Mäller nur immer 
Mahlen täte und das Molter 
Gar nicht nähme, möcht' das 
Mehl jein schwarz oder 
Fein. es würde stets das beste sein.“ 
In Anlehnung an einen formelhaften, Spruch, der eine all- 
gemeine Wahrheit ausspricht, heißpt es auf der Dammühle bei 
Marburg und in Kaldern: 
„Wer ist in der Mäller Sachen, 
Der's einem jeden recht Lann machen? 
Solcher Mensch ist nicht auf Erden, 
Kann auch nicht gebohren werden.“ 
Ahnlich lautet der Spruch in Schönbach bei Herboen. 
Mit den Leinewebern beschäftigen sich zwei Hausinschristen 
in Dittershausen im Landkreis Cassel. Sur Geduld bei seiner 
mühsamen Arbeit mahnt die eine: 
18. Leinewãwer las dier raten: 
Knifft mit geduld die Faten: 
Und wenn gleich rohr und Vaten pricht, 
So mache doch Lein ärger nicht.“ 
Spott auf das wenig Gewinn einbringende Gewerbe, das 
XX 
19. „Die Leinewäwer nemen Lbeinen Lerjungen an, 
Wenn (er nicht) sechs Wochen Hunger leiten ban. 
Bott wird dir rechen (BSild eines Rechens) an.“ 
Hier wird die Inschrift rebusartig. 
Aber auch städtische Berufe und Stände, mit denen der Bauer 
n Berührung kommt, werden von ihm in seinen Hausinschriften 
urchgehechelf. Allzu hoch denkt der Bauer offenbar nicht von 
en Angehõrigen dieser Berufe, den Advobaten oder Juristen, 
en Dobtoren oder Arzten. Wie in zahlreichen Lustspielen aller 
dölker und Sungen, wie in ungezählten bildlichen Darstellungen 
iuf fliegenden BSlättern aus allen Seiten, die unsern heutigen 
Vitzblãttern entsprechen, wie in so manchen Sprichwörtern der 
erschiedensten Länder und Sprachen werden sie auch in Haus— 
nichriften nicht gerade glimpflich behandelt. 
Sahen wir schon in dem oben unter Neerwähnten Spruch 
den Doktor mit dem Barbierer, der mit Schröpfköpfen und ähn— 
lichen Mitteln seine Heilbünste an der leidenden Menschheit ver— 
uchte, auf gleiche Stufe gestellt, jo blingt die Geringschätzung des 
irztlichen Standes noch viel krasser, wenn man der dritten und 
ierten Seile dieses Spruches die Fassung gegeben hat: 
20. „Vor Dobtoren und Barbieren, 
Das sind gar böse Thieren.“ 
Des Bauers Abneigung erstreckt sich auch auf den Advobaten. 
Daher bekommt der fromme Schutzspruch, der jo manches Bauern- 
ind Bürgerhaus ziert, eine etwas bissige und recht weltliche Fort- 
rhung, die bei abweichenden Reimen und sonstiger Umbildung 
mmer denselben Kerngedanken enthält. 
21. „O Gott, bewahre dieses Haus 
Und lasse Doktor und Advobaten draus.“ 
Dem ' entspricht die niederdeutsche Fasjung: 
212. „Ach Gott, nimm du dit Hus in Hut, 
Dat Dobtor un Apbaten bliewen ut.“ 
Oder es heißt: 
21b. „Dies Haus, Herr Gott, bewahre fein 
AUnd laß keinen Arzt und Juristen herein.“ 
Braunschweigijche Volbsreime, die ich in diesem SZusammen- 
sn erwähnen möchte, bleiden den gleichen Gedankben in die 
orm: 
21c. „Gott, bewahr' uns hũte 
Oor allerlei Lüe, 
Hor en Düwel un vor en Vogt, 
Dor en Afbaten un Juristen: 
Dat sünd ser böse Cheisten.“ 
SZum Hessenlande behren wir zum Schluß zurũck. Bei einem 
einer Söhne, dem nach Riga ausgewanderten und später nach 
dessen zurũckgebehrten Burkard Waldis, dem Verfasser einer Fabel- 
ind Schwanlsammlung, die er 1548 unter dem Titel: „Esopus““ 
ʒerõffentlichte, findet sich schon die Stelle: 
21d. „Man sagt: Gut arzt und gut juristen 
Seind gemeinlich böse Christen.“ 
Wie das Volb denbt, wie es ungeschminkt seine Gedankben 
iusspeicht, wie es frommen Regungen ebenso zugänglich ist wie 
veltlichen Gedanben, das haben uns diese Hausinschriften gezeigt. 
Möchten sie dem Leser einige unterhaltsame Minuten verschafft 
aben! Möchten sie gezeigt haben, daß es sich lohnt, sich auch 
mit diesen Denkmälern der Volkbskunst zu befassen! Wöchten sie 
n Stadt und Land zu eifrigem Sammeln der Hausinschriften 
inregen, damit alles ans Tageslicht gezogen wird, was auf diesem 
ßeblete noch vorhanden ist, und damit es der wissenschaftlichen 
Zehandlung zugäãnglich gemacht werden bann! 
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