Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

furt), Hegewoge (Hegewage) und Wegebach, einem Distribt bei 
Ziegenhain. Ein deutlicher Fingerzeig, daß wir bei diesen Ge— 
wäßern nicht immer an etwas blar Fließendes denken dürfen, ist 
auns der Eitterbach (Eidracha), in dessen erstem Teil Aitar geboten 
wird, d. i. Eiter; doch hatie dies jrüher die Bedeutung von Gist; 
gistig konnte es aber wohl nur als faules, sumpfiges Wahser sein. 
Struth ist ein mit Gebũsch bewachsener Sumpf; wir finden es wieder 
in Eschenstruth und dem Struthgraben auf dem Schöneberg. Schlade 
bedeutet Schlamm. Pfuhl, in Entenpfuhl, lateinisch palus, spricht 
für sich; ebenso die heute allerdings ausgestorbenen Meljunger 
Sezeichnungen: Bruch, Bruchgasse, Bruchwiese und Bruchborn, 
worin wieder auf Morast hingewiesen wird. 
Neben diesem ungeheuren Reichtum an WMasser begegnen uns 
riesige Waldungen. Das zeigen uns Endungen wie Wald, Hain, 
Loh (Loch), Hoiz. Grũn, Hart, Kot (d. i. Nadelwald); ich erwähne: 
Habichtswald, Eiterhagen (Eyterhayn), Lingenloh, Kesselloch, 
Steinholz, Grünerweg, Haar (früher Kodenhard), Rotenburg u. a. 
Darauf weisen uns aber auch die gerade in unserer Gegend über 
reich vertretenen Ortsnamen auf Rode, eigentlich eine Stelle, wo 
der vorhandene Urwald abgerodet worden ist. Beispiele lasen 
sich hier ja häufen; ich führe nur Hesserode (Hasenrothe) an. 
dessen Anfang has, d. i. grau, heißt. 
Gfter werden auch die Namen einzelner Bäume genannt, 
5. B. die Esche, früher Ask, in Eschenstruth und Eschwege, die 
Eiche in Eichhoiz bei Schwarzenberg, die Buche in Büchenwerra 
(Suͤhcehenenuuird), die Erle in Ernstberg (Erlisberg), die Linde 
in Lindenberg und Lingenloh (Lyndenloe), die Ulme, früher Elm, 
in Ellenbach, den Ahornbaum, früher Maz, in Mosheim (Mazheim). 
Sonst wird noch die Binse in Binsförth und das Kohr in Röhren- 
furth (Kornefurt) und Röhrda (Korenriet) erwähnt. 
Natũrlich wuͤrde auch Getreide gezogen. Fast beĩ jedem Ort 
läßt sich eine Mühle leicht nachweisen. Verbappt steckt sie noch in 
Kehrenbach (Kurinbach); denn Quirn heißt Mühle. Körle, das 
urkundlich als Chrulle oder Churle belegt ist, ist noch nicht ganz 
geklärt. Nach einer nicht unmõglich scheinenden Deutung führt 
man es auf Quirnloh, aljo Mühlwald, zurück. 
An Bodenschätzen werden Lehm erwähnt in Leimsberg und 
Leimenkaute, aiso Lehmgrube, sowie Sand in Sandgraben bei 
Kehrenbach und Sand. Dagegen düurfte Kollberg trotz der vor⸗ 
handenen Kohlenlager sich weniger auf Kohlen als auf eine 
I beziehen, worauf auch Brand im Melsunger Markwald 
—X 
Da das Sumpfland in der Ebene nicht selten eine Nieder- 
lassjung verhinderte, so baute man sich bisweilen auf einem Hũgel 
an, zumal sich von dort aus eine oft notwendig werdende Ver⸗ 
teidigung leichter ermöglichte. Manchmal wurde wohl auch der 
schon vorhandene Bergname auf die an seinem Fuße entstehende 
Siedelung übertragen. Das zeigt Schwarzenberg, Hollstein (von 
Holz). Felsberg, Homberg (von hoch) und Hebel, frũher Hebilida, 
bon heben, also hochgelegen. Spangenberg (von Spange, d. i. 
Kiegel, Balben) ist nach der Lage des Ortes benannt. 
Ebenso oft wird auch das flache Land zur Namenbildung 
benußt. Hierauf deuten die Orte mit, Feld, wie Hersfeld, denn 
Feid ijt eine unbewaldete Ebene. Ahnliches besagt das Wort 
Sreite, wie in Breitenau. Die Heide bezeugen uns Namen wie 
Heida und Heidenbrunnen. Für guten Ackerboden jpricht Möllrich 
Melriche), das auf Melo, d. ĩ. Staub, Erde, zurückführt. Der 
ehige Freitagsobach hieß einst Nijdenbach; hierin steckt der Name 
Nis d. h. Unterhalt gewährend. was meist auf die Weide be⸗ 
zʒogen wird. 
Der Anfang einer Niederlassung war größtenteils ein einzelnes 
Gehöft; das bönnen wir noch häufig aus Endungen wie Haus 
Hof und Heim erschließen; ich erinnere nur an Empfershausen 
Mittelhof und Bergheim. Erst später kamen breitere Ansamm⸗ 
lungen auf, die sich den Namen Dorf, wie Sernsdorf, zulegten. 
Da WoriStadt ist mit Statt zunãchst begriffsgleich, bedeutet also 
sur eine Stätte, einen Ort, vgi. Heydstadt. Auch Lar darf man 
wohl hierherziehn, obwohl der Streit darüber noch nicht beendef 
ist. Es sind glücklich drei Meinungen, die heute darũber herrschen 
Sie einen wollen es als Haus, Wohnsitz, die andern als unbe 
haute Gegend, die Dritten als Wiese deuten. Von all diesen 
scheint mir immer noch die erste am meisten einzuleuchten. Hier⸗ 
imter fallen also Brunslar, Fritzlar usw. Kaufungen (Cofunga) 
kommt von Cofa, d. i. Gemäch, Hũtte (vgl. Koben). Beuern 
sührt uns auf Buri, d. i. Behausung, VDorf; hierher gehört auch 
Gottsbũren. 
Dabei steckt in dem ersten Teil sehr oft der Name des ersten 
Siedlers. Da die Familiennamen sich ja erst im 14. Jahrhundert 
einbürgerten und man sich bis dahin nur mit den heutigen, aber 
damals viel mannigfaltiger zusammengesetzten Vornamen begnãgte. 
so stoßen wir hier auch nur auf diese, z. B. auf Gunter in Gunthers— 
ausen, Engelmar in Empfershausen (Engelmareshuson), Medelher 
n Melgershausen (Medelhereshuson), Hildeger in Hilgershausen 
Hildegereshusen), Alfred in Eijershausen, Meinbrecht in Mörs⸗ 
ausen (Meinbrechteshusun), Unni oder Unno in Unshausen (Anes- 
usen), Herulf in Hersfeld (Heriuljisfelt). 
Auch Tiernamen verbergen sich öfters darin, 35. B. Habichts- 
vald, Wolfershausen, Siegenhain, wobei die wilde Siege gemeint 
st. In Hanstein (Hanenstein) steckt Hahn, und zwar Auerhahn; 
n Bebra (Biberacho) läßt sich noch der Biber nachweijen; damit 
st aljo Bebra namensgleich mit dem wũrttembergischen BSiberach. 
Z Krieg gehörte bei den alten Germanen fast zur täglichen Be— 
haftigung. Darauf deuten auch Namen auf Burg, wie Naum— 
urg Muwinburg), also neue Burg, Doch darf man nicht ver— 
esen, daß auch eine feste Stadt Burg genannt werden konnte; 
elßen doch danach ihre Bewohner, Bürger. Denn Burg ist der 
drl. wo man sich bergen kann. Hierher rechnet auch Sippers⸗ 
aujen (Swigburgehusjun), wobei der erste Teil jwintha, d. i. 
rastig, heißt. Morschen (Mursina) von Muer, d. i. Mauer, ist ein 
minduerfer Ort. Auch Brunslar, das mit Brun, d. i. Brünne, 
danzer, verbunden ist, läßt auf einen umschirmten Platz schließen; 
benso Fritzlar (Fridiolare), in dem wir Friede, d. h. Einfriedigung, 
rlennen können; vgl. heute noch Friedhof. Dieselbe Einhegung 
iegt bei Siegenhain (Zigenhagen) vor. Auch die Alte Schanze 
ind die Hohe Wart zeugen von briegerijschen Seiten. Sum Teil 
berden wWohl auch die Namen mit Graben unter diejen Punkt 
allen, z3. B. Grebenau (Grabanowa). Rommerode (Kodemanner- 
odah) jührt man auf Hrod, d. i. Sieg, zurück. 
Heidnisches ist wenig zu bemerken, da ja von Fulda aus sich 
rüh das Ehristentum verbreitete. In graue Vorzeit führt uns 
illerdings Gudensberg, das urlbundlich noch als Wuodenesberg, 
jo Wodansberg, festgelegt ijst. Doch dürfte die Gude bei Roten- 
urg, die alte Wodacha, von wod, d⸗ i. wũtend, Lommen und von 
er Schnelligkeit des Fließens benannt sein, wie die Eder (Adranq) 
on altar, de . schnell, abzuleiten ist. Nicht zu entscheiden wage ich, 
Wichie, das geweihte Stätte bedeutet, noch aus dem Heiden⸗- 
um zu uns blickt. Noch unbestimmter steht es mit Adelshausen 
ind Hlsfeld (Adelesfelt), in denen Ndel steckt. 
Um so häufiger stoßen wir auf christliche Bestandteile. Hierher 
echnen: Heiligenberg, Pfaffenberg, Oitilienberg, Monchsbopf, 
Abterode (von Abl), die vorschiedenen Kappel (von Kapelle), das 
—XX——— 
Einzelne Namen widerstehen hartnäckig jeder Erblärung. Sum 
Teil sind sie noch beltijchen Urspeungs, wie die Pfieffe (Phiopha). 
Ebenjo wartet Böddiger (Bodigereum) noch auf sjeinen Deuter. 
Aber große Arbeit ist doch schon geleistet, besonders, wenn man 
edenkt, daß in jedem Fall die älteste Form zu Kate gezogen 
verden muß, da man ohne diese leicht auf den Holzweg geraten 
sann, und wer hat sich noch nicht auf einem solchen Holzweg oder 
Waldweg verlaufen? 
Hessische Hausinschrijten von 
verschiedenen Berufsen und Ständen. 
Hon Paul Bender. Studienrat in Haspe, Westj. (Schluß.) 
Ganz anders als die zuleßzt erwähnten, in ihrer vorschieden⸗ 
artigen Ausbildung weiter verfolgten Handwoerberinschriften mutet 
uns der folgende an, der aus dem Kreise Kirchhain stammt: 
10. „Ihr Mauersleut, fũgt Stein auf Stein, 
Sraucht Winkelmaß und Senbel. 
Ihr baͤut ja nicht für mich allein, 
Ihr baut auch für den Enbel.“ 
Was die Simmerleute übrigens beim Richtefest für Genießer 
ind, das mag uns eine Balkbeninschrift ũber einer Stalltür in 
Amonau zeigen, die wohl auf einen alten Kichtespruch zurũckgeht 
ind dem BSauheren einen janften Rippenstoß verjsetzt: 
11. „Gute Schaafe, gute Lämmer 
Sind dem Bauherren lieb und gut— 
Hute, wohlgeratne Kinder 
Sringen dem Bauherrn frohen Muth. 
Ach, die Lämmer sind vergessen. 
Hammelfleisch ist gut zu essen; 
Hier und oft zu jeder Seit 
Essen's gern die Zimmerleut'.“ 
Ahnlich wie der Bauer seine Anentbehrlichbeit für die ver⸗ 
chiedenen andern Stände in zahlreichen, von jtarkem Selbstbe⸗ 
pußtsein getragenen Hausinschriften ausspricht, so ist auch der
	        
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