Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

In Sachsen begegnet uns eine neue vierzeilige Fassung 
inserer Inschrift: 
9d. „Behũt uns, Herr, alle Seit 
Dor Maurern und vor Simmerleut. 
Ddenn wo sich diese Leute finden, 
Da fängt das Geld bald an zu schwinden.“ 
Hier will man die in den Anfangszeilen ausgesprochene Bitte 
durch den Schluß begründen. 
Der offenbar weit verbreitete Geundspruch, der auch in Linz 
am Rhein z3weizeilig vorkommt, hat noch eine andere Erweiterung 
zrfahren, deren Schlußzeilen recht drastisch blingen: 
9e. „Dor Schinder und Exequirer, 
Vor Dobtor und Barbirer.“ 
Noch viel schlechter als in den erwähnten Sprüchen schneiden 
die ehrbaren Genossen der Bauhandwerberzunft in einer jechs- 
zeiligen Hausinschrift in Köthen in Anhalt ab: 
„Behũt' uns, Gott, vor Feuer 
Dor Zimmerleut' und Maäuc(v)er. 
Die eine Stunde arbeiten sie, 
Die andere Stunde essen (aufen) sie, 
Die dreitte rauchen sie Tabab, 
Und so vergeht der ganze Tag.“ 
Dem niederdeutschen Sprachgebiet ist unser Spruch auch nicht 
unbekannt, wie der Schluß einer Hausinschrift in Amgen bei 
Soest in Westfalen zeigt: 
. „Das Haus ist abgebrannt. 
Drum siellen wir es jetzt in Gottes Hant. 
Bewahr's for Mißwachs un for teure Seit 
For Mürleut un for Timmerleut.“ 
Eine Ehrenrettung der viel geschmähten Handwerksleute in 
einer Hausinschrift wollen wir nicht unerwähnt lassen: 
„Erbaut ohne Bier und Branntewein, 
Soll dieses Haus hier Seugnis jein, 
Daß Mauermann und Simmermann 
Auch ohne Branntwein bauen bann.“ 
So woltlich unser in seinen verschiedenen Wandelungen be— 
rachteter Grundspruch blingt, so muß ich doch auf eine merbwürdige 
UÜbereinstimmung mit zwei Stellen aus geistlicher Dichtung hin⸗ 
veisen. In dem Liede des sächsischen Oberpfarrers Martin Behm 
aus Laubau in der Oberlausitz [1557 -1622] „Das walt' Gott 
Oater und Gott Sohn“ heißt es in Strophe 9: 
gi. „Sehũt' mich heute und allezeit 
Vor Schaden, Schand und Herzeleid.“ 
Die auffallende Übereinstimmung der ersten dieser beiden 
Kirchenliederzeilen und der gleichblingende Reim gibt uns zu 
denben. Hat der offenbar doch uralte Spruch unseren geistlichen 
Liederdichter beeinflußt oder hat umgebehrt die Kirchenliederstelle 
VDom Pulsschlag der Heoiĩmat. 
inem weltlichen Dichter im Ohre geblungen, als er seine Reime 
chmiedete? 
Dieselben Keimblänge begegnen uns in den Schlußversen der 
—X—— 
zas den aus Bieuze in Lothringen stammenden, in Bern in der 
zchweiz als Professor der Gottesgelehrtheit seine Wirksambeit be⸗ 
chließenden Wolfgang Meuslin, 1497 -1563, zum Verfaßer 
at, der sich nach der Sitte seiner gelehrten Seitgenossen in Mus- 
ulus (Mäuslein) umtaufte. Seine Worte lauten: 
ok. „Bewahr uns, Herr, vor allem Leid, 
Gott, Dater der Barmherzigkeit.“ 
Wegen der teilweise wörtlichen Üereinstimmung und des 
Sleichllangs des Reimes sei hier noch eine Gejangbuchstelle er⸗ 
vähnt, die besonders für die Fassungen Ob, Oc und Og von Be— 
eutung ist. Ich fand sie in einem alten Frankfurter Gesangbuch 
ius dem Jahre 1153 in der 5. Strophe des Liedes Nr. 341 (Das 
Sebät des H. E. R. M. M.), einer Bearbeitung des Vaterunjsers, 
wo es heißt: 
91. „Sehũt uns Herr, für Krieg und Streit, 
Für Seuchen und für theurer Seit.“ 
Moͤglicherweise liegt hier die Keimzelle unseres obigen 
Spruches. Bewußte Anlehnung der weltlichen Dichtung an die 
ini Gesangbuch niedergelegte geistliche Poesie liegt oft genug vor. 
Schluß folgt.) 
An der Diemel. 
Hon Th. Endemann. 
Nun teug mich wieder her die Woge 
An meiner schönen Heimat Rand, 
Und wieder schau ich mit Entzücken 
In mein geliebtes Hessenland. 
Die alten Berge seh ich wieder, 
don dunklen Wäldern kbühl umrauscht. 
Die alte Burg, wo, im Getrümmer 
Oersteckt, Frau Saga heimlich lauscht. 
Ich seh den Fluß im Wiesengrunde 
die wundervollen Schleifen ziehn, 
Und wie in feinem Silberspiegel 
Des Abends bunte Farben glühn. 
Der Heimat Fluß und Tal und Berge, 
Ddon Ewigbleit zu Ewigbeit 
zeid ihr, und wie ein Wolkenschatten 
fliegt über euch der Traum der Seit! 
Vie bald wird uns der Wind verwehen. 
Vir haben Dauer nicht und Ort; 
Du bennst kein Werden und Vergehen, 
Mein Fluß, und rauschest ewig fort. 
du rauschest noch dasselbe Kauschen, 
Das einst des Knaben Sinn umjsing. 
O, dũrfte träumend ich dir lauschen, 
Schließt einst sich meiner Tage Kingl! 
r 
Ausdruschkirmes. 
Ausdruschlirmes ... auf allen Lippen schwebte dieses Wort 
vährend des ganzen Jahres in der Zeit des Dreschflegels und 
der Sichel. Sein Inhalt bedeutete nicht nur ein frohes Fest, 
ondern ergab auch einen Einschnitt in dem Einerleĩ härtester Arbeit 
eines Gutes. Im heißesten Sommer, als die Sonne Tag für Tag 
—A 
Wagen mit Roggen-, Weizen-. Gerste-, und Hafergarben, Erbsen 
ind Saubohnen? (Pferdebohnen), die vorher die Sichel niedergelegt 
hatte, in den weiten Bauch der Scheune gefahren worden. Erst 
. einbrechende Nacht gebot Halt und des Kirchleins rufende 
Stimme 
„Herr, du schirmtest uns diesen Tag, 
Schirme uns weiter.... Gott walt es.“ 
SBald wurde mit dem Dreschen begonnen. Zuerst blopften 
ie Drescher die Ahren aus, man „bnũüppelte“, dann wurden die 
zarben aufgebunden und allerwegen behandelt, „gedroschen“. Mit 
iejer Arbeit, besonders mit dem Dreschen, pflegten die Fleißigen 
m 12 Uhr nachts zu beginnen, während das Knüppeln gern am 
dage vorgenommen zu werden pflegte. Sie wurde dann auch in 
er Herbstzeit fortgesetzt. Von zwölf bis fünf Ahr standen die 
rprobten Scharen auf der Tenne als Drescher, alsdann nahmen 
ie die Sense auf den „Buckel“ (Kũcken) und eilten zur Wiese, 
vo das Grummetgras auf seinen Schnikt wartete, das tagsüber 
nehrmals gewendet werden mußte, damit es als Grummet ein-⸗ 
jefahren werden bonnte. Kaum war das den Herbstregen entrafft, 
o forderten andere Arbeiten auf dem Felde ihr Kecht. Nicht zu 
gedenben des täglichen Viehfütterns und des wöchentlich mehrmaligen 
Ausmistens. Und wer „zu Haujse blieb“, wie dies gewöhnlich die 
dausfrau tat, der lag nicht etwa „auf der faulen Haut“, sondern 
er mußte das in der Scheune aufgehäufte Getreide durch Worfeln 
einigen. „Windmũhlen“ bamen erst ziemlich spät in Gebrauch. Er 
zatte zu buttern und dergleichen. Es war da nicht verwunderlich, 
aß sich Knechte und Maͤgde und die Herrschaft nach dem frohen 
Ausrufungszeichen dieses langen Satzes, nach der Ausdruschlirmes 
ehnten. Und sie mußte vor dem 18. Obtober liegen. in dessen 
Müde rauschen die Sicheln im Korn, 
Lang war der Tag seit der Frũhe, 
Spitzig die Stoppel, holprig der Schorn, 
Tamendfältig die Mühe. 
Horch, da tönt aus dem VDörflein heraus 
Abendglocke den Frieden, 
Und den Acker zum Gotteshaus 
Veihen scheidend die Müͤden. 
Betend beim friedlichen Glockenschlag 
Ihre Reihen durchhallt es:
	        
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