Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

rus dem Hausl Prächtig, das wäre schon ein ktüchtiger 
Schritt vorwärts. Freilich, — der Appelhannes kratzte sich 
nachdenklich und halbverlegen hinterm rechten Ohrlappen 
— dann — war auch ihr Erbteil fort, und — zum Heiraten 
vollen zwei sein, — fände die alte Tante so leicht einen 
Dummen? „Fort met Schoore“, philosophierte Appelhannes 
ind Elopfte die Asche aus der Irdenen, auf diesen juperfeinen 
Plan mußte er sich noch eins rauchen. „Dunnerwerer. wenn 
doot glecke dä?“ ... 
Anter vielem Gezank und Gezeter machte er sich des 
Abends zum Ausgehen fertig, was er sonst nur eĩnmal im 
Jahre an Kirmes durfte und holte sich beim alten Peter 
Kat. Der alte Peter, ein verbuckeltes, eingeschrumpftes 
Männchen, dabeĩ witziggescheit und alterserfahren, war eine 
hielge⸗ und besuchte Persönlichkeit in Dornbuschholzhausen: 
der Dieh⸗, Baum-, Land-⸗, Haushaltungs- und Heiratsdobktor. 
Sei ihm lag die große „Liste“ auf, und so viele schlechte 
oder weniger gut gemeinte Segenswünsche der „Herein- 
gefallenen“ ihm Dank zollten. der alte Peter hatte fortwãhrend 
Zuspruch von allen Seiten. Vor kurzem noch war es ihm 
gelungen, die anständig bejahrte Gustel zu versorgen. 
Zum alten Peter ging alsjo Appelhannes, und ein Herz 
boll kleegrüner Hoffnungsseligkeit schlug in seiner Brust ... 
„Geweß — geweß,“ schmunzelte der alte Peter, nachdem 
er aufmerkjam den Appelhannes hatte reden hören, „doot 
wolle mer schu mache, woerte mool ...“ Dann holte er die 
„Liste“. Lange suchte er darin, schüttelt oft den eisgrau— 
jesprenbelten Kopf, pfiff halblaut zwischen den Sähnen sssst 
yhindurch, wiegte langsam seinen langen, dürren Seigefinger, 
— ha, — jetzt hatte er's. „Hannes, eich waaß der gane, 
dä Felepsehennersch Chrisian, dä es reecht.“ „Dä?“, 
derwunderte sich Appelhannes, „dä hoot jo ka Hoorbeit meh 
offem Kopp ..“ „Mächt naut,“ lachte HPeter pfiffig bedacht, 
„dei Särwel hoorer jo off de Sih on inner der Nos. en 
hessern Hampel kba eich net verrore.“ 
Appelhannes nickte schließlich zu, und nun bramte Peter 
die Nebenumstände aus; die Schollenzahl wurde notiert; die 
Freierei besprochen: nächsten Samstag wollte Peter mit dem 
Felepsehennersch Chrisian kommen. Die Sache mußte klappen. 
O, wie Appelhannes das Herz in Wonne jchlugl Mit 
ielem Gedank sagte er Peter: Gute Nacht. Auch ein 
Schnãpschen erlaubte er sich zur Feier des Tages und stampfte 
nachdem mit frohen Gefühlen heim ... 
Wie aber der Schwäherin die Geschichte beibringen? 
Peter hatte es beauftragt; — eine kitzelige Sache das, nicht 
o ohnel!l Während des Viehfütterns nahm er sich ein⸗ 
nal Kurage. O — da ging der Hexentanz losl Die Bärwel 
schrie wie von Sinnen: „Dau, dau brauchs meich net zu 
uzel Nu es mer en alle Ehre e aal Maadche woern; nu 
eimmt sue Afaltsbensel on fobbt, na — na ...“ Dann 
»eulte sie herzzerbrechend in ihre Schürze. 
„Dau verbrennst der dei Maul nemmeh“, dachte Appel- 
hannes und schlüpfte durch das Scheunenktürchen. Gegen 
hen Samstag hin aber wurde es ihm mehr wie einmal un⸗ 
»ehaglich zumute. „Doot gett aut; Hannes, wuhnste doch 
offem Mond.“ ... 
Pũnbtlich, zur rechten Stunde, blopfte es Samotag abend 
an die Stubentüre. Appelhannes briegte einen Schrechk. 
Feau Kathrin beummte ihm was fragend zu: aber er Lonnte 
nicht mehr antworten, der alte Peter stand schon in der 
Stuͤbe. Hinter ihm drückten sich noch zwei herein, Felepfe⸗ 
hennersch Chrisian und der Nachbar Schorsch. Frau Kathrin 
zwang sich zu freundlichster Begrübung: „Ai, do kreie mer 
d frieme Besuch ... Bärwel, hol noch zwee Stoihl. I, 
ief sie nach der Küche. Die Schwiegermutter saß hinter 
dem Ofen und machte große, verwunderte Augen. Appel- 
annes brannte der Kopf vor tausend Angsten. Der alte 
deter setzte sich indessen recht gemächlich neben Frau Kathrin. 
Um ein Gespräch war der gerissene Schwernöter nicht 
erlegen; die Umstände und lange Erfahrung hatten das so 
nit sich gebracht. Mit dem Wetter fing man an, ging dann 
zum Kuhstall über, je nach der Jahreszeit auch zur Land- 
ebauung, und — das Weitere ergab sich schon von selbst. 
So klagte Peter auch jetzt erst über das Wetter, während 
frau Kathrin sich noch hin und her bedachte, was mit Peters 
Zesuch nur im Spiele sein bönnte; denn wo der alte Peter 
eine Nase hin trug, sagte das Leutemeinen, roch es nach 
hochzeitsuchen. Ganz einfältig kurze Antworten wurden 
deter zu teil; man sah sich trockensteif an, bargte aber geizig 
nit jedem unterhaltenden Wort. Selbst Peter verlor mehr 
vie einmal den Gesprächsfaden. 
So sprach man statt einmal nur zweimal vom schwernotsen 
Vetter und zweimal über den letzten Kuhhandel; gar drei- 
nal von der doppelt schwernotsen Maul- und Klauenseuche; 
juf Peters faltiger Stirne perlten lichte Tropfen. Appel- 
annes paffte unaufhörlich sein Pfeischen. Von Seit zu 
zeit bliete er die Bärwel verstohlen an. Hob die ihre 
hläfrigen Augen, so sah Hannes schnell zur Seite, nicht 
hue daß sein jschuldbewußtes Herz heftiger zu blopfen be— 
ann. Der Felopsehennersch Chrisian saß steif da wie ein 
zlgötze, Lratzte sich mehrmals den umlichteten Schädel zur 
Abwechslung, hieit jedoch den Mund fest verriegelt. Mur 
inmal hatte er ein gedrückliches „Joo“ gewagt, um dann 
ei dem jeltsam zittrigen Klang seiner rauhen Stimme er— 
hreckt zusammen zu fahren. Sein Nebenmann, Nachbar 
5—chorsch, kniff die Augelchen kblein zu, — er schüttelte sich 
anerlich vor Spaß. Jedesmal, wenn die Schwiegermutter 
inter dem Ofen leije, vieljagend hüstelte, schlenkerte er seine 
angen Beine bis zu Peters Stuhl. Dem wurde die hölzerne 
zesellschaft bald unheimlich. In der tiefsten Rocktasche 
lunksie bei jeder Bewegung halbhörbar und mahnend der 
bliche Freischoppen, — und die Sache wollte mit nichten 
orwãrts gehen. Hatte er auch ein Holz zum Freier mit- 
ebracht; so oft er sich aufmunternd nach demselben umsah, 
rinste ihm ein blöd-verlegenes Gesicht entgegen, und hinter 
em funkelten die grünlich schillernden, neugierigen Augen 
er alten Frau vom Ofen her. Das war gewiß zum 
Anbehaglichwerden! Auf Appelhannes bonnte man bein 
Vort zur Tat setzen; der arme Kerl ängstigte sich so schon 
alb zu Tode. Peter faßte sich ein Herz, mochte die Geschichte 
iegen oder brechen, — einerlei ... 
„Woßter aach werem mer bomme?“ fragte er Kathrin 
ezwungen lächelnd. 
„Ena — Peter, eich sonet rond raus, mer hu doch neme 
neh ze verheirore?“ 
„Hm,“ — Peter schwibbte seinen langen Finger, „hm 
— doot scheint net wohr ze sei — doot Bärwel —“ 
„Us Bärwel —?“ Frau Kathrin blieb das Wort im 
ffnen Munde stecken. Die Bärwel selbst blickte Peter 
prachlos entsjetzt an; dann irrte ihr Auge zur Mutter hinterm 
Ofen. Appelhannes machte sich angelegentlichst mit seinem 
AReischen zu schaffen. 
Hinter dem Ofen her greinte es los: „Dau, Peterche, 
au Lausboiche, da glaabs de Leu uze ze bonne, gleich 
nächste deĩch endus, aach doot kbohldotzig Chrisianche“), enaus, 
maus ... 
Armer, alter Peter, noch nie wurde deine menschen- 
eundliche Tätigkeit mit schwärzerem Undank belohnt, als 
ier beim Appelhannes. „No, da wonn mer geh,“ war 
) auch das bahlböpfige Chreistianchen.
	        
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