Hause wohnte, mit in den Wald. Es mußte die Füchse „pringen
machen“. Das besorgte Waldine ausgezeichnet. Bei einem solchen
Tun ist sie denn eines Tages im „Bau“ stecken geblieben, betrauert,
a beweint von mir und allen meinen Geschwistern. Schw.
Schnurrpfeiferecien.
Als ich noch ein Schuljunge war, begab ich mich, wenn so ein
echter Knũllregentag war, wo man die Nase nicht aus dem
Fenster stecken Lonnte — mein Großvater hat immer gesagt, daß
es durch sieben Paar lederne Hosen regnet, wenn der Wind von
Homberg bäme — allzu gern in unsere Kumpelecke. Das war
ein Kaum auf dem Häusboden, wo die alten Sachen aufbewahrt
wurden. Da herrschte so ein altertümlicher Geruch, den ich nicht zu
deschreiben vermag. Sahlreiche Spinnen hatten zwischen den
Balben ihre Netze ausgespannt, als wenn sie die Altertümer ver-
schließen wollten. Da stand ein alter Säbel, den ein Siebziger
aus Frankreich mitgebracht hatte. Er stammte von einem franzsö
sijchen Kürajsier, dem wahrscheinlich der Arm abgehauen worden
war im scharfen Kampfe. Man jsah noch die Parierhiebe und die
tarken Lücken in der Schneide, die er sich beim, Daraufhauen
geholt. Der Säbel enthielt auch eine mir damals unbekannte
Injchrift. Im Geiste sah ich den harten Kampf, und darnach den
armen Invaliden mit einer Hand. Daneben stand unser altes
Fett⸗Hangelicht“, alt, sehr alt, aber jetzt vergessen, weil es der
Petroleumiampe hatte weichen mũssen. Die Einführung der letzteren
war nicht so einfach, wie manche denken. Suerst beschaffte sich der
damals bestehende Gesangverein eine solche. Da man schon von
Explosionen gehört hatte, jo klopfte den meisten Sängern doch am
Abend vor Angst das Herz. Nur nicht so nahe bei das „Deiwels-
licht.“ Es war auch zu heil, und viele Leute befürchteten, daß sie
hlind werden würden. Die alte „Annels“ meinte, ihre Augen
wären seit den ersten vier Tagen, wo die Lampe da war, schon
biel schwãcher geworden. Sie Lönne die Liednummern am Sonntag
in der Kirche nicht mehr lesen. Aber die Gespenster gingen vor
allem nicht an das neue Licht. Bei „Kanzkurts“ war mal mitten
während der Spinnstube das Licht von selber rund rum gemacht.
Das war selbstverständlich die Alte gewesen, als sie vier Wochen
tot war, und bei Schmidts war das Licht direkt von einem Gespensi
ausgeblasen worden. Als dem Hirsch seine „Kalle‘ am, Abend
nochmal mit dem Licht in der Hand nach der Siege habe sehen
wollen, hatte der „Tellerhund“, der unter dem bleinen Brückchen
sein Logis hatte, direkt darnach geschnappt, daß es gleich ausging.
Das waär nun alles besser bei dem Pefroleumlicht. — An einem
alten, rostigen Nagel hing der Ranzen, der abgenutzt war und den
schon der Großvaker getragen, wenn er zum Homberger Weizen-
markt ging, uin seine Ochsen zu verbaufsen. Wieviel „Karlinen“
mõgen wohl da rein- und rausgerutscht sein. Wieviel „Schawwes
schmus“ mag er vernommen haben bei dem vielen Gehandel! Ja,
der Homberger „Weesmart“, das war ein Fest, auf das sich alt
und jung das ganze Jahr im voraus freute. Wenn ich doch
auch einmal dieses sagenhafte Homberg hätte sehen Lönnen! Hinter
dem Schemberg lags weit, weit dahinten, wo unser Heu beĩ der
letzten Windhose, die über unsere Wiese gefegt war, hingeflogen
war. Meine Mutter war auch hin zum Markt. Was wird sie mir
mitbringen? Ich wußte selbst nicht, was. Aber was Schönes
Sie bam; was hatte sie mitgebracht? Eine handvoll „Bollerchen“
Die ein König freute ich mich darüber; denn solche hatte ich noch
nie gehabt! And sie schmeckten gerade so süß wie die gelben
Schalen, die ich einmal unter Pfarrers Fenster aufgelesen hatte.
Das waren Apfelsinenichalen qus Afrißa gewesen. Apfelsinen
In der „KRumpeleck“.
abe ich nie gesehen noch gegessen. Wer kannte die auch damals!
And dieser Weltranzen hing nun da. Wenn er mir nun noch
vas erzãhlen bönnte von Siegenhain, von der Irrlichtgeschichte, die
nein Großvater mal bei dem „Neuen Teich“ erlebtl Und dann
tand da eine richtige „Diebeslaterne“, die hatte der „Berliner“
nitgebracht, ein fahrender Geselle, der ein Tausendkünstler war,
ich in unjerm Dorf niedergelassen hatte und das Schnapsglas am
öchsten hob und am schnellsten leer hatte. Nachdem er so ein
der zwei Jahre den Leuten die Stuben verschönert hatte — er
var von Beruf Maler und Weißbinder — war eines Tages eine
hõone Singeleiche, wobei wir das Anglück hatten, daß wir beine
ö Pfennige bekamen, weil der lustige Berliner nichts hinterlassen
atie als seine Schablonen, und die hatte der Wirt in Beschlag
enommen. Aber die Diebeslaterne hatte er uns schon früher
—
iochmal in den Stall wollte, um nach dem Vieh zu sehen. Ein
olches Ding benutzte man also in Berlin zum Stehlen, zum Ein-
rechen! Im Geiste sah ich den rotbenasten Einbrecher, in der
echien Hand das scharfe Messer und in der linken die Diebes-
aterne. Schon sehe ich ihn aus dem Dunkbel des Hausbodens
auftauchen, und schnell war ich die Bodentreppe hinumter. eiel
XXiese.
Will viel sjagen.
Sarchen war das Anglũck geschehen, daß sie die ganze Treppe
herabfiel. Und wie ein Häufchen Anglück lag sie unten.
Ha erschien Moses, ihr Mann, auch auf der Bildfläche. Er
tand oben auf der Treppe und fragte besorgt: „Sarche, bist de
»aut?“ ODie antwortete: .Daut net. aber sprachlos.“ Schw.
Schwer zu befriedigen.
Annemarie, die Haushällern (Haushälterin) beim Spächtsbur,
vollte Sulperkbnochen „ũberbringen“ (aufs Feuer setzen). Sagte
ßrettchen, die Großmagd: „Mach noch in Knoche mih dðXbeil“
Mache noch einen Knochen mehr dabei.) Annemarie tat's.
Aber, o weh, im Februar waren die Sulperknochen schon alle,
die bis in den Sommer hinein reichen sollten.
„Annemarie höt bee Endeeleng“ (Annemarie hat beine Ein-
eilung) latschte Gretiche nun im Dorfe herum.
Annemarie aber blagte, als ihr das Geschwätz zu Ohren
rang: „Beim Geseng därf meesch allweil mache, bie m'r well,
mmer eß falsch‘“. (Beim Gesinde darf man's allweil machen,
pie man will. immer ist's falsch.) Schw.
Ein Dummerjungenstreich.
Die „Frau“ hatte schon die ganze Woche davon „geliert“,
ie wolle bald mal „heim“, um ihren Vater zu besuchen.
Am Sonntagmorgen in aller Herrgottsfrühe wurde deshalb
die „Chaise aus der Wagenremise“ gezogen. Swei dicke Acker-
jäule Lamen davor, und dann ging's mit den zwei Kindern, Karl
ind Lisbeth, in langsamem Trott, dem bald der gewohnte Schritt
olgte, dem Dorfe zu, aus dem die Frau des „Gutsbesitzers“ stammte.
Ser Altweibersommer spann seine Fäden, und an der Straße
Jlühten die Vogelbeeren im Sonnengold.
Karl, der Junge, jagte: „Hannfrieder, du bannst mir 'n paar
Oogelbeeren abmachen.“ Gutmütig, wie der Knecht mal war,
tieg der auf den „Bock“, um die roten Dolden zu erreichen.
88 in demselben Augenblick sagte Karl⸗
—W
Die beiden Pferde zogen an, und Hannfrieder purzelte in
die Gegend unter dem lauten Gelächter des Jungen, der gar nicht
ihnte, daß so ein rechter Dummeriungenstreich von ihm geliefert
porden war. Schwo.
Vom Buͤchertische der Heimat.
Carl Haeberlin, Blätter aus meinem Lebensbuche —
Heimatscholien⸗Verlag, A. Bernecker. Melsungen. In Ganz-
einen 3.50 Mb.
In zwei Teilen (Wandern und Schauen, Tun und Leiden)
gibt uns Dr. Carl Haeberlin, der zugleich Dichter und Denkbker ist,
Slätter aus seinem Lebensbuche, aufs denen die Größe und Er—
habenheit des Lebens nicht minder als die rätjelvolle Schönheit
und das Schweigen des Todes dargestellt sind. „Wandern und
Schauen“ in der ewig sich erneuernden Natur, auf, dem Gebiet
—EV—
geben iäglich neue, im Dienst der leidenden Menschheit notige
Kraft. Diese Kraftquellen des Arztes sind Kraftquellen eines
jeden Menschen, der jeinen Beruf mit Ernst und Hingaboe ergreift
In „Tun und Leiden“ wird die bräfteperzehrende ärztliche Klein-
irbeit, der Seele ebenso wie dem Leibe zugute bommend, in
harabkteristischen Sildern gezeichnet, die sich in der Skizze „Blitz-
chlag“* bis zu blassischer Einfsachheit und Größe steigern. Der
Oerfasser schreibt eine gepflegte und beschwingte Proja. Sein Buch
macht nachdenblich und schärft das Gewissen. Möge es das bei
eechi pvielen tun und dem deutschen Volbe zum Heiltrank werden!
Otto Blüse, Wandlungen der Seele. Gedichte. Heimat-
chollen⸗Verlag, A. Bernecker, Melsungen. In Ganzleinen gebunden
Preis 8. — Me.
„Ich sehe in Ihnen einen neuen, verheißungsvollen Lyriker“,
jo schrieb der bekannte Literarhistoriker Adolf Bartels an den
derfaßer dieses schön gedruckten und vornehm gebundenen Buches.
And in der Tatl In ihm stellt sich ein junger Dichter vor, dessen