Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Aus alter Seit. 
Wie in früheren Seiten in Hessen die 
Eigentumsvergehen bestraft wurden. 
OHDon Ed. Lange, Röhrenfurth. 
Wie die Hessische Kegierung in späteren Seiten, besonders 
m 18. Jahrhundert, mit Raächksicht auf die allgemeine Sicherheit 
ind das Wohl der Untertanen bemüht war, durch Verordnungen 
ind Gesetze die Eigentumsvergehen zu verhindern und die Schul— 
zigen zu bestrafen, soll nachstehend gebennzeichnet werden. 
War ein Diebstahl infolge gewaltjamen Einbruchs unter An— 
vendung von gefährlichen Werbzeugen und Waffen begangen, so 
ezeichnete man ihn als „gefährlichen Diebstahl“ und setzte als 
ztrafe auf dieses Verbrechen, einerlei, ob viel oder wenig gestohlen, 
der der Diebstahl der erste oder ein wiederholter war, „lebens⸗ 
ängliche Eisenstrafe erster Klasse, bei Frauen lebenslängliche 
zpinnhausstrafe“ fest. 
Sei „gemeinen oder nicht gefährlichen Diebstählen“, bei denen 
ie Anwendung von Waffen und Gewalt fehlte, unterschied man 
leine und große Diebstähle. Su den ersteren rechnete man die— 
enigen, bei welchen der Wert der gestohlenen Sache nicht über 
5 Taler betrug. Nach der Verschiedenheit der dabei in Betracht 
ommenden Umstände kam Gefängnis-, Suchthaus- oder Eisenstrafe 
weiter Klasse in Frage, deren Dauer sich erhöhte, wenn es sich 
im einen höheren Wert der Sache oder Diebstahl im Wieder— 
olungsfalle handelte. Gleichzeitig wurden diese Strafen durch 
örperliche UÜbel, durch „Willkomm“ und „Abschied“ oder beide 
ugleich, verschärft. Als große Diebstähle sah man diejenigen an, 
ei welchen der Wert des gestohlenen Gutes 15 Taler überstieg. 
Als Steafe kam nur Suchthaus- oder Eisenstrafe zweiter Klasse 
is zu 10 Jahren, verbunden mit kbörperlicher Süchtigung in Betracht. 
ym Wiederholungsfalle bonnte über den unverbesserlichen Böse⸗ 
vicht Eisenstrafe 4. Klasse auf Lebenszeit verhängt werden. (Su 
esen im Geh. Katsprotoboll vom 80. 1. 1154.) 
Diebstãhle, die an Sachen ausgeübt waren, die nicht im 
ßewahrsam des Eigentümers gehalten werden kbonnten, sondern 
em öffentlichen Schutze ũberlassen bleiben mußten, wurden ohne 
Kücksicht auf den Wert des Gegenstandes mit Suchthaus- oder 
fisenstrafe 2. Klasse unter Erhöhung derselben durch Lörperliche 
züchtigung geahndet. Daneben Lbamen noch folgende Ehrenstrafen 
ur Anwendung: 
„Bienendiebe“ mußten ein Blech, auf welchem ein Bienen- 
orb abgebildet war und die Worte „Bienendieb“ standen, um⸗ 
ängen, wurden dann eine Stunde lang in den Straßen öffentlich 
erumgeführt und empfingen bei ihrem Eintritt und Austritt aus 
em Suchthaus den sogenannten, schon erwähnten „Willkomm“ 
ind „Abschied“. (Keg. Ausschr. v. M. 4. 1781.) 
Personen, die „Felddiebstähle“ begangen hatten, wurden, han⸗ 
elte es sich um leichtere Fälle, für eine bestimmte Seit an den 
Schandpfahl“, wie solche an jedem Gerichtsorte sich befinden, 
ebunden und somit dem Gespotte des Volkes preisgegeben. Im 
Viederholungsfalle und bei Gegenständen mit höherem Werte 
ourde der Schuldige je nach Verhältnis seiner Schuld mit Sucht- 
haus- oder Eisenstrafe 2. Klasse belegt, mit oder ohne „Willkomm“ 
und „Abschied“. (Derordnung vom 2. MNovember 1760.) 
„Gartendiebstähle“ ahndete man mit Geldöstrafen. In erschwer⸗ 
en Fällen kam Zuchthaus- oder Eisenstrafe 2. Klasse mit „Will- 
somm“ zur Anwendung. Anter allen Umständen wurde der 
zchuldige mit einem umgehängten Schilde, das die Mujfschrift 
Gartendieb“ trug, öffentlich herumgeführt (Ordnung vom 28. 5. 
7608 und KRatsprotoboll vom 16. 8. 1770). Viehhüten an ver— 
otenen Orten und zu unerlaubten Seiten, ebenso Baumfrevel 
lam ebenfalls aufs schärfste zur Bestrafung (Ordnung v. 28. 3. 1768). 
Auf „Holzdiebstãhle standen hohe Geldstrafen, die sich ver⸗ 
oppelten, wenn das Verbrechen während der Nacht oder an Sonn- 
ind Feiertagen begangen war. Im Wiederholungsfalle trat 
kisenstrafe 2. Klasse oder Suchthausstrafe ein. Falls die Geld— 
trafe nicht beizutreiben war, wurde entsprechende Arbeits- 
der Gefängnisstrafe verhängt. Bauholzdiebe führte man eine 
ztunde lang öffentlich herum, bei welcher Gelegenheit sie das 
ztrafjchild mit der Aufschrift „Bauholzdieb“ ʒu ktragen gezwungen 
ourden. Im Suchthaus erwartete sie der übliche „Willkomm“ 
Katsprotoboll v. 16. 3. 1770). 
„Fischdiebe“, einerlei ob sie dieselben aus herrichaftlichen oder 
rivaten Gewässern entwendet, wurden nach der Verschiedenheit 
er Fische zu einer Geldstrafe von 10-20 Talern verurteilt. Die 
ẽntwendung bei Nacht und das Mitführen von Schießwaffen zog 
oppelte Strafe nach sich Im Unvermögensfalle wurde die Geld— 
trafe in Suchthausstrafe umgewandelt. 
Wilddiebe hatten scharfe und exemplarische Leibesstrafen zu 
ewärtigen, die sich im Falle der Wiederholung erhöhten. Das 
fangen nũtzlicher Dögel und das Serstören ihrer Nester wurde 
amals auch schon streng geahndet (Ordnung v. 30. 12. 1738 und 
Nimmt man heutzutage eine Seitung in die Hand, findet man 
sast immer eine Reihe von Mitteilungen, die sich auf Eigentums— 
zergehen, nämlich Kaub, Diebstahl, Betrug und Unterschlagungen 
heziehen. Besonders häufen sich gerade die leßteren. Sie werden 
neistens von denen begangen, die großes Vertrauen seitens ihrer 
Oorgesetzten oder Arbeitgeber genießen und sich in angenehmen, 
eachtenswerten Amtern und Stellungen befinden. Ich will nun 
oerjuchen, den Bestrafungen der Eigentumsvergehen unserer heu—⸗ 
igen Seit diejenigen der früheren hessischen Gesetzgebung gegen- 
überzustellen. 
Wieviel menschlicher wir geworden sind, erbennt man, daß in 
den frũühesten Seiten des jüdischen Volbes die Diebe gesteinigt 
wurden. Auch bei den alten Deutschen bestrafte man die Eigen— 
umspergehen meistens mit dem Tode. Wie hart die diesbezũg- 
ichen Strafen im Mittelalter waren, berichtet uns der „Sachsen- 
piegel“, eine Gesetzessammlung qus dem Jahre 1230. Nach seinen 
Angaben ließ man die Diebe hängen, die Straßenräuber rädern, 
nachdem man sie vorher mit glühenden Sangen gezwickt hatte. 
Bei geringeren Vergehen kam das „Stäupen“, d. h. das Aus- 
oeitschen durch den Scharfrichter zur Anwendung. Auch gräßliche 
Herstümmelungen, wie das Abschlagen einer Hand, das Abschneiden 
rines Ohres, waren an der Tagesordnung, abgesehen von der 
Folter, die in Hessen erst durch das Edikt vom 20. Nopember 1785 
zur gänzlichen Abschaffung gelangte. Andere Strafen waren das 
Drillen“ und das „Wippen“. 
Das „Drillen“ erfolgte im sogenannten „Drillhãuschen“, einem 
auf einer Drehscheibe ruhenden Lattenkäfig, der durch ein seitliches 
Kad in eine schnell breisende Bewegung versetzt werden bonnte. 
Diejes für eine bestimmte Seit festgeseßte Herumwirbeln wurde 
durch die Henbersbnechte auf einem öffentlichen Platze vollzogen 
ind lockte als seltsames Schauspiel eine große Anzahl Neugieriger 
herbei, welche den an und für sich in keiner beneidenswerten Lage 
befindlichen UÜbeltäter fortwährend neckten, verwünschten und ver⸗ 
potteten. Da neben schrecklichem Unwohlsein die Verurteilten 
sich öfters „wahnwitzig und närrisch“— gebärdeten, führte das Marter- 
insteument auch den Namen „Narrenkäfig“. 
SBei dem „Wippen“, das auch wohl als „Schnäppen“ bezeichnet 
vird, band man den Ülbelfäter mit Stricken hinterrücks fest, 
befestigte ihn am Ende eines „Schnappgalgens“, zog ihn in der 
Kegel neunmal hoch und ließ ihn in äußerst schneller Weise wieder 
herunter. 1562 bestrafte man auf diese Art einen herumziehenden 
Landsknecht, der sich in ganz Niederhessen für ein angeblich ihm 
geborenes Kind eine große Anzahl Gevattergeschenbe erbettelt 
hatte. Sur Strafverschärfung wurde ihm das rechte Ohr abgeschnitten. 
Solche exemplarischen Strafen dürften wohl heufe bei gewisen umher⸗ 
ziehenden Vertriebenen angebracht sein, die durch erlogene An— 
gaben von ihrem Anglück sich die Mildtätigkeit der Menschen zu 
3* ochen— um so der Arbeit meilenweit aus dem Wege zu 
gehen. 
Setrũger, falsche Spieler, Bäcker, die zu bleines Brot 
gebacken hatten, wurden ebenfalls mit der sogenannten „Prelle“ 
oder „Wippe“, einem gitterartigen Kasten, im Wasser untergetaucht 
und dann wieder emporgeschnellt. 
Eine ganz eigenartige, aber recht empfindliche Strafe traf 
zinen anderen Landsbnecht, der auf dem Hofe zu Hanstein einen 
hühnerdiebstahl beging. Neben dem Vollzug einer äußerst bräf- 
tigen Prũgelstrafe riß man ihm soviel Zähne gewaltsam aus, als 
er Hühner gestohlen hatte. 
Die gegen Anfang und Ende des 8ojährigen Krieges ein— 
gerissene Verwilderung des Volkes und die damit verbundene 
Steigerung der Verbrechen, besonders der Eigentumsvergehen, 
liießen Schwert, Kad und Galgen als Strafe nicht mehr ausreichend 
und wirksam genug erscheinen. Nach vorausgegangener grausamer 
Tortur wurden deshalb die Verbrecher entweder lebendig begraben, 
gepierteilt oder mit gluühenden Sangen auseinandergerissen. Selbsi 
leinere Vergehen, wie Viehhüten an verbotenen Oxrten, belegte 
man mit schweren Strafen. So verurteilte man 1652 einen 
Niederzwehrener Einwohner namens Hans Hörstel, der seine 
Pferde unbefugterweise auf der Casseler „Gieße“ hatte weiden 
assen, zu 100 Gulden Strafe. Da er diese Summe zu zahlen 
nicht imstande war, sperrte man ihn in die „Goldlammer“, das 
hũrgerliche Gefängnis im alten Rathaus an der Fischgasse. 
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