Aus alter Seit.
Wie in früheren Seiten in Hessen die
Eigentumsvergehen bestraft wurden.
OHDon Ed. Lange, Röhrenfurth.
Wie die Hessische Kegierung in späteren Seiten, besonders
m 18. Jahrhundert, mit Raächksicht auf die allgemeine Sicherheit
ind das Wohl der Untertanen bemüht war, durch Verordnungen
ind Gesetze die Eigentumsvergehen zu verhindern und die Schul—
zigen zu bestrafen, soll nachstehend gebennzeichnet werden.
War ein Diebstahl infolge gewaltjamen Einbruchs unter An—
vendung von gefährlichen Werbzeugen und Waffen begangen, so
ezeichnete man ihn als „gefährlichen Diebstahl“ und setzte als
ztrafe auf dieses Verbrechen, einerlei, ob viel oder wenig gestohlen,
der der Diebstahl der erste oder ein wiederholter war, „lebens⸗
ängliche Eisenstrafe erster Klasse, bei Frauen lebenslängliche
zpinnhausstrafe“ fest.
Sei „gemeinen oder nicht gefährlichen Diebstählen“, bei denen
ie Anwendung von Waffen und Gewalt fehlte, unterschied man
leine und große Diebstähle. Su den ersteren rechnete man die—
enigen, bei welchen der Wert der gestohlenen Sache nicht über
5 Taler betrug. Nach der Verschiedenheit der dabei in Betracht
ommenden Umstände kam Gefängnis-, Suchthaus- oder Eisenstrafe
weiter Klasse in Frage, deren Dauer sich erhöhte, wenn es sich
im einen höheren Wert der Sache oder Diebstahl im Wieder—
olungsfalle handelte. Gleichzeitig wurden diese Strafen durch
örperliche UÜbel, durch „Willkomm“ und „Abschied“ oder beide
ugleich, verschärft. Als große Diebstähle sah man diejenigen an,
ei welchen der Wert des gestohlenen Gutes 15 Taler überstieg.
Als Steafe kam nur Suchthaus- oder Eisenstrafe zweiter Klasse
is zu 10 Jahren, verbunden mit kbörperlicher Süchtigung in Betracht.
ym Wiederholungsfalle bonnte über den unverbesserlichen Böse⸗
vicht Eisenstrafe 4. Klasse auf Lebenszeit verhängt werden. (Su
esen im Geh. Katsprotoboll vom 80. 1. 1154.)
Diebstãhle, die an Sachen ausgeübt waren, die nicht im
ßewahrsam des Eigentümers gehalten werden kbonnten, sondern
em öffentlichen Schutze ũberlassen bleiben mußten, wurden ohne
Kücksicht auf den Wert des Gegenstandes mit Suchthaus- oder
fisenstrafe 2. Klasse unter Erhöhung derselben durch Lörperliche
züchtigung geahndet. Daneben Lbamen noch folgende Ehrenstrafen
ur Anwendung:
„Bienendiebe“ mußten ein Blech, auf welchem ein Bienen-
orb abgebildet war und die Worte „Bienendieb“ standen, um⸗
ängen, wurden dann eine Stunde lang in den Straßen öffentlich
erumgeführt und empfingen bei ihrem Eintritt und Austritt aus
em Suchthaus den sogenannten, schon erwähnten „Willkomm“
ind „Abschied“. (Keg. Ausschr. v. M. 4. 1781.)
Personen, die „Felddiebstähle“ begangen hatten, wurden, han⸗
elte es sich um leichtere Fälle, für eine bestimmte Seit an den
Schandpfahl“, wie solche an jedem Gerichtsorte sich befinden,
ebunden und somit dem Gespotte des Volkes preisgegeben. Im
Viederholungsfalle und bei Gegenständen mit höherem Werte
ourde der Schuldige je nach Verhältnis seiner Schuld mit Sucht-
haus- oder Eisenstrafe 2. Klasse belegt, mit oder ohne „Willkomm“
und „Abschied“. (Derordnung vom 2. MNovember 1760.)
„Gartendiebstähle“ ahndete man mit Geldöstrafen. In erschwer⸗
en Fällen kam Zuchthaus- oder Eisenstrafe 2. Klasse mit „Will-
somm“ zur Anwendung. Anter allen Umständen wurde der
zchuldige mit einem umgehängten Schilde, das die Mujfschrift
Gartendieb“ trug, öffentlich herumgeführt (Ordnung vom 28. 5.
7608 und KRatsprotoboll vom 16. 8. 1770). Viehhüten an ver—
otenen Orten und zu unerlaubten Seiten, ebenso Baumfrevel
lam ebenfalls aufs schärfste zur Bestrafung (Ordnung v. 28. 3. 1768).
Auf „Holzdiebstãhle standen hohe Geldstrafen, die sich ver⸗
oppelten, wenn das Verbrechen während der Nacht oder an Sonn-
ind Feiertagen begangen war. Im Wiederholungsfalle trat
kisenstrafe 2. Klasse oder Suchthausstrafe ein. Falls die Geld—
trafe nicht beizutreiben war, wurde entsprechende Arbeits-
der Gefängnisstrafe verhängt. Bauholzdiebe führte man eine
ztunde lang öffentlich herum, bei welcher Gelegenheit sie das
ztrafjchild mit der Aufschrift „Bauholzdieb“ ʒu ktragen gezwungen
ourden. Im Suchthaus erwartete sie der übliche „Willkomm“
Katsprotoboll v. 16. 3. 1770).
„Fischdiebe“, einerlei ob sie dieselben aus herrichaftlichen oder
rivaten Gewässern entwendet, wurden nach der Verschiedenheit
er Fische zu einer Geldstrafe von 10-20 Talern verurteilt. Die
ẽntwendung bei Nacht und das Mitführen von Schießwaffen zog
oppelte Strafe nach sich Im Unvermögensfalle wurde die Geld—
trafe in Suchthausstrafe umgewandelt.
Wilddiebe hatten scharfe und exemplarische Leibesstrafen zu
ewärtigen, die sich im Falle der Wiederholung erhöhten. Das
fangen nũtzlicher Dögel und das Serstören ihrer Nester wurde
amals auch schon streng geahndet (Ordnung v. 30. 12. 1738 und
Nimmt man heutzutage eine Seitung in die Hand, findet man
sast immer eine Reihe von Mitteilungen, die sich auf Eigentums—
zergehen, nämlich Kaub, Diebstahl, Betrug und Unterschlagungen
heziehen. Besonders häufen sich gerade die leßteren. Sie werden
neistens von denen begangen, die großes Vertrauen seitens ihrer
Oorgesetzten oder Arbeitgeber genießen und sich in angenehmen,
eachtenswerten Amtern und Stellungen befinden. Ich will nun
oerjuchen, den Bestrafungen der Eigentumsvergehen unserer heu—⸗
igen Seit diejenigen der früheren hessischen Gesetzgebung gegen-
überzustellen.
Wieviel menschlicher wir geworden sind, erbennt man, daß in
den frũühesten Seiten des jüdischen Volbes die Diebe gesteinigt
wurden. Auch bei den alten Deutschen bestrafte man die Eigen—
umspergehen meistens mit dem Tode. Wie hart die diesbezũg-
ichen Strafen im Mittelalter waren, berichtet uns der „Sachsen-
piegel“, eine Gesetzessammlung qus dem Jahre 1230. Nach seinen
Angaben ließ man die Diebe hängen, die Straßenräuber rädern,
nachdem man sie vorher mit glühenden Sangen gezwickt hatte.
Bei geringeren Vergehen kam das „Stäupen“, d. h. das Aus-
oeitschen durch den Scharfrichter zur Anwendung. Auch gräßliche
Herstümmelungen, wie das Abschlagen einer Hand, das Abschneiden
rines Ohres, waren an der Tagesordnung, abgesehen von der
Folter, die in Hessen erst durch das Edikt vom 20. Nopember 1785
zur gänzlichen Abschaffung gelangte. Andere Strafen waren das
Drillen“ und das „Wippen“.
Das „Drillen“ erfolgte im sogenannten „Drillhãuschen“, einem
auf einer Drehscheibe ruhenden Lattenkäfig, der durch ein seitliches
Kad in eine schnell breisende Bewegung versetzt werden bonnte.
Diejes für eine bestimmte Seit festgeseßte Herumwirbeln wurde
durch die Henbersbnechte auf einem öffentlichen Platze vollzogen
ind lockte als seltsames Schauspiel eine große Anzahl Neugieriger
herbei, welche den an und für sich in keiner beneidenswerten Lage
befindlichen UÜbeltäter fortwährend neckten, verwünschten und ver⸗
potteten. Da neben schrecklichem Unwohlsein die Verurteilten
sich öfters „wahnwitzig und närrisch“— gebärdeten, führte das Marter-
insteument auch den Namen „Narrenkäfig“.
SBei dem „Wippen“, das auch wohl als „Schnäppen“ bezeichnet
vird, band man den Ülbelfäter mit Stricken hinterrücks fest,
befestigte ihn am Ende eines „Schnappgalgens“, zog ihn in der
Kegel neunmal hoch und ließ ihn in äußerst schneller Weise wieder
herunter. 1562 bestrafte man auf diese Art einen herumziehenden
Landsknecht, der sich in ganz Niederhessen für ein angeblich ihm
geborenes Kind eine große Anzahl Gevattergeschenbe erbettelt
hatte. Sur Strafverschärfung wurde ihm das rechte Ohr abgeschnitten.
Solche exemplarischen Strafen dürften wohl heufe bei gewisen umher⸗
ziehenden Vertriebenen angebracht sein, die durch erlogene An—
gaben von ihrem Anglück sich die Mildtätigkeit der Menschen zu
3* ochen— um so der Arbeit meilenweit aus dem Wege zu
gehen.
Setrũger, falsche Spieler, Bäcker, die zu bleines Brot
gebacken hatten, wurden ebenfalls mit der sogenannten „Prelle“
oder „Wippe“, einem gitterartigen Kasten, im Wasser untergetaucht
und dann wieder emporgeschnellt.
Eine ganz eigenartige, aber recht empfindliche Strafe traf
zinen anderen Landsbnecht, der auf dem Hofe zu Hanstein einen
hühnerdiebstahl beging. Neben dem Vollzug einer äußerst bräf-
tigen Prũgelstrafe riß man ihm soviel Zähne gewaltsam aus, als
er Hühner gestohlen hatte.
Die gegen Anfang und Ende des 8ojährigen Krieges ein—
gerissene Verwilderung des Volkes und die damit verbundene
Steigerung der Verbrechen, besonders der Eigentumsvergehen,
liießen Schwert, Kad und Galgen als Strafe nicht mehr ausreichend
und wirksam genug erscheinen. Nach vorausgegangener grausamer
Tortur wurden deshalb die Verbrecher entweder lebendig begraben,
gepierteilt oder mit gluühenden Sangen auseinandergerissen. Selbsi
leinere Vergehen, wie Viehhüten an verbotenen Oxrten, belegte
man mit schweren Strafen. So verurteilte man 1652 einen
Niederzwehrener Einwohner namens Hans Hörstel, der seine
Pferde unbefugterweise auf der Casseler „Gieße“ hatte weiden
assen, zu 100 Gulden Strafe. Da er diese Summe zu zahlen
nicht imstande war, sperrte man ihn in die „Goldlammer“, das
hũrgerliche Gefängnis im alten Rathaus an der Fischgasse.
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