Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

‚Will Gott bein Kecht mir geben, 
Begehr dahier ich nichts, 
Sollst auf den Handschuh heben, 
Mein Seichen des Verzichts!“ — 
Herteilig beut, zerrissen, 
Den Handschuh sie dem Wind — 
Manch Knapp' hat springen müssen, 
Tein Stücklein beiner findt. 
Da sagt er an dir Fehde 
Und tut von Trug Bericht, 
Virst zahlen harte Bede, 
Kügt dort dich das Gericht. 
Kiest nur das Land zu Hessen 
fFlijabeths Geschlecht? 
Thüringen, hast vergessen 
deut Kitterehr und Recht, 
Spielst mit dem Rautenbranze? 
Vohlan: die Hessen treu 
führt an im Kriegestanze 
fFortan dein stolzer Leul!“ 
Unsere Haustiere im Spiegel der Grimmschen DVolksmärchen. 
Von Olga Stückrath⸗Stawitz. 
Der Esel. 
Das Märchen „Die Lebenszelit“ erzählt: 
„Als Gott die Welt geschaffen hatte und allen Kreaturen ihre 
Lebenszeit bestimmen wollte, kam der Esel und fragte: „Herr, 
wie lange soll ich leben?“ „Dreißig Jahre,“ antwortete Gott, „ijt 
dir das recht?“ „Ach Herr,“ erwiderte der Esel, „das ist eine 
ange Seit. Bedenke mein mühseliges Dasein: Vom Morgen bis 
n die Nacht schwere Lasten tragen. Kornsäcke in die Mühle schleppen. 
damit andere das Brot ejssen, 
nit nichts als mit Schlägen und 
Fußtritten ermuntert und aufge- 
rischt werden! Erlaß mir einen 
Teil der langen Seitl“ Da er— 
darmte sich Gott und schenkte 
hm achtzehn Jahre.“ 
Hier finden wir auch beĩ dem 
Esel die schon erwähnte Furcht 
des Haustieres vor dem Alt- 
verden. Dosgleichen in dem 
Mãrchen von den Bremer Stadt 
musikanten, wo von einem Esel 
berichtet wird, der lange Jahre 
ireulich die Säcke zur Mühle 
rug, dessen Kräfte aber an— 
angen nachzulassen, sodaß sein 
Herr daran denkt, ihn aus dem 
Futter zu schaffen. 
Der Esel macht sich aber 
uuf und wandert nach Bremen, 
im dort als Stadtmusikant die 
Laute ge schlagen. Er findet unter⸗ 
vegs Leidensgefährten, mit denen 
gemeinsam er die Räuber aus 
hren 8 veragi . 
ie dann, da es ihnen dort wo i. ei i Orferode. 
dhe iendort wohl Joggeli. Linde bei Orferode 
Ein rechter Wunderesel aber ist der Goldesel im Märchen 
bom Tischlein deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack. Der 
zweite Sohn des Schneiders erhält ihn von einem, Müller zum 
Heschenk, nachdem er seine Lehrjahre hindurch sich brav gehalten 
hat. Der Esel zieht nicht den Wagen und trägt auch beine Säcke, 
boch er speit Gold. Wenn du ihn auf ein Tuch stellst und sprichst: 
„Sricklebrit“, jo speit dir das guie Tier Goldstũcke aus, hinten und 
horen, sagt der Mäller. Der Geselle dankt und zieht hocherfreut 
mit seinem Goldesel fort, dessen Wunderbraft ihn reich macht, bis 
der diebijche Wirt. bei dem er einbehrt, hinter den Sauber kommt 
und das Tier gegen einen gewöhnlichen Esel vertauscht. Su Hause 
angekommen muß der junge Müller samt seinen Derwandten die 
Enttãuschung erleben, daß der mitgebrachte Esel bein Gold speit, 
ind er muß wieder dienen gehn, bis der dritte Bruder mit Hilfe 
eines jelbjttätigen Wunderknüppels den betrügerischen Wirt zur 
Herausgabe des Goldesels gezwungen und denselben nach Hause 
gebracht hat. Dort aber speit er auf die Aufforderung seines 
techten Herrn soviel Goldstuͤcke, daß es ist, als käme, ein Platz- 
regen, und hörk nicht eher auf, als bis alle so viel haben, daß sie 
aichts mehr tragen bönnen. 
Wenn auch bein Wunderesel, so doch ein verwunderlicher Esel 
war jener, von dem es im Maärchen vom Schlaraffenland heißt: 
Da sah ich einen jungen Esel mit einer silbernen Nase, der jagte 
*Gieche Heimat⸗Schollen Ne. 2 und 53. 
dich. 
inter zwei schnellen Hasen her ...“ Dies wäre aber wohl der 
inzige Esel im Märchen, dem man die sprichwörtliche Ejelsdumm- 
eil oder eine Eselei nachsjagen bönnte. 
Ein Esel spielt auch eine Volle in der Geschichte von der 
lugen Bauerntochter. Als ihr der König aufgibt, zu ihm zu 
ommen, nicht gebieidet, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, 
aächt in dem Weg und nicht außer dem Weg, da wickelt sie sich 
n ein Fischgarn, borgt sich einen Esel, bindet das Fijchgarn an den 
Schwanz des Esels und läßt sich 
»on ihm forltschleppen, doch so im 
Fahrgleis, daß sie nur mit der 
jroßen Sehe auf die Erde Lommt. 
Damit hat sie ihre Aufgabe 
gelöst, ihr VBater wird aus dem 
Sefängnis entlassen und sie selbst 
des Königs Gemahlin. 
Hans, mein Igel, nimmt sich, 
als er von zu Hause fortzieht, 
Schweine und Esel mit und hũtet 
diejelben im Walde, und in dem 
Märchen von den drei Glücks— 
riindern verlangt der Alteste für 
einen Hahn „etwa so viel, als 
ein Esjel Gold trägt“. 
Von der Verwandlung von 
Menschen in Esel weiß das 
Märchen vom Krautesel zu er⸗ 
zählen. Sein Wunschmantel hat 
den jungen Jäger und seine 
Liebste, die die Tochter einer 
alten Hexe ist, auf den Granat- 
derg getragen. DVoch während 
er jchläft, verschwindet die Un— 
e dem ee 
die Worte von drei wilden Riesen 
Howhotograph Sberihe Casel erfährt der Jäger, daß er, sobald 
x noch höher steigt, von den Wolkben erfaßt und fortgetragen 
vird. Er erblimmt daraufhin die Höhe, wird von einer Wolkbe 
nitgenommen und nach einer Seit sanft in einem Krautgarten 
bgesetzt. Der Hunger treibt ihn, von einem schönen Haupt Salat 
u eßen. „. .. aber baum hatte er ein paar Bissen hinabgeschluckt, 
d war ihm so wunderlich zu mute, und er fũhlte sich ganz verändert. 
ẽs wuchjen ihm vier Beine, ein dicher Kopf und zwei lange Ohren, 
ind er sah mit Schrecken, daß er in einen Esel verwandelt war.“ 
In seinem Hunger jedoch ißt er weiter, und als er eine andere 
Aert Saiat gegesjen hat, fühlt er aufs neue eine Veränderung und 
rlangt sjeine menschiiche Gestalt wieder. Am andern Morgen 
richt er je ein Haäuptchen des bösen und des guten Salates ab 
ind jucht das Schloß seiner ungetreuen Liebsten. Nachdem er sich 
nkenntlich gemacht hat, bittet er die alte Hexe um Herberge. Er 
ibt vor, ein Bote des Königs zu sein, von diesem ausgeschickt, 
en bostlichsten Salat unter der Sonne zu suchen, welches ihm auch 
elungen sei. Er schenbt der lũüsternen Alten das böse Häuptchen, 
ind cüs sie ihm zubereitet und davon bostet, wird sie alsbald 
erwandelt und läuft als Ejelin in den Hos. Die Magd, die den 
Salat auftragen will und nach alter Gewohnheit davon nascht, 
bird ebenfalls zur Eselin, läßt die Schüssel fallen und läuft davon. 
der Jäger siehl nach, wo der Salat bleibt, hebt die übrigen Blätter 
uf die Schüßsel und bringt sie dem faljchen Mädchen an den Tisch. 
Auch sie wird verwandelt. Nun bindet der Jäger die drei Eselinnen
	        
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