Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Obtobernebel wogten durchs Moor, 
Dom Schlehdorn troff Geriesel, 
Die Eule flog vom Stumpf empor, 
Durch Farren huschte das Wiesel. 
Er säte nach links, er säte nach rechts, — 
Das war ein jseltsamer Samen: 
Die Eicheln, die Kinder des Riesengeschlechts, 
Ohn' Kegel, wie sie bamen. 
Die Eicheln, die Bucheln, die Apfel vom Tann, 
Er säte und lachte und säte: 
„Es bäme wohl schwerlich ein Schnittersmann, 
Der meine Aussaat mähte! 
Glückauf! Mein Getreide hat starben Stiel, 
Kein Schnitter Lann es fällen. 
Der Teufel hol' euer Würfeljpiel, 
Ihr hämischen Neidgesellen!“ 
Und es beimte und sproßte und grünte und drang 
Aus dem MWoor und dem Bruch und der Heide, 
Da reckten die Nachbarn die Hälse lang 
Und legten die Würfel beiseite. 
Es jauchzte des Grafen Jägerhorn 
Bei Tag und Nacht durch die Forsten. 
Die Nachbarn horchten im Hagedorn 
Und wären vor MWut schier geborsten. 
Er sprengte lachend auf schwarzem Roß 
Dahin durch das Grünen und Sprießen, — 
Und als Graf Keinhard die Augen schloß, 
Da rauschten die Waldesriesen: 
„Wir stehen, ein Heer von Kecken, wie du, 
Wir weisen den Weg nach oben. 
Geh ein, Graf Keinhard, zur ewigen Ruh', 
Wir woll'n unsern Säemann loben!“ — — 
Heil! Waldesodem, du heilender Trank! 
Ich will dich trinken und singen. 
Du trotziger Graf, hab Danb, hab Danb! 
Dein Säen will Früchte bringen: 
Stark wie die Eichen, Männer der Tat! 
Das war dein Abschiedssegen. 
Nun rausche, Graf Reinhards Wäldersaat, 
Der Ewigbkeit entgegen! 
Der Sterngucker õ Von Heinrich Schweitzer. 
Keubersch Wilm, einem jungen Burschen in einem Dorfe 
an der Lahn, schmeckte die harte Arbeit auf dem Lande 
nicht. Er war ein Faulenzer, der die Sonne nicht liebte. 
Am Morgen stach sie ihm zu frühe in die Augen, und am 
Mittag brannte sie zu heiß auf seinen RKücken. Er paßte 
überhaupt nicht zu den übrigen fleißigen, braven Dorfbe⸗ 
wohnern, die im Schweiße ihres Angesichtes den väterlichen 
Boden bebauten. Er war ein Müßiggänger, der überall, 
wohin er bam, lange Keden über Wind und Wetter, Preise 
und teuere Seiten führte, aber damit die Seit totschlug und 
nicht den Willen besaß, mit starkem Arm zu Pflug und 
Sense zu greifen. Schritt er durch das Dorf, so trug er 
die Nase immer etwas in der Höhe, und die Dorfleute 
nannten ihn deshalb Sterngucker. Der Name paßte auch 
zu dem ganzen Wesen des Burschen, der von der Scholle 
und ihrer Arbeit nicht viel hielt, vielmehr mit allerlei Hirn- 
gespinsten und hochstrebenden Plänen die schönsten Stunden 
des Tages vergeudete. Bei den Bauern hatte er deswegen 
auch keine Nummer, und die Dorfkinder spotteten hinter 
ihm her: Sternguckerl! Mit seinem VDater, dem schon betagten 
Talbauern, stand er ständig auf dem Kriegsfuße. Der ver— 
juchte zuweilen, ihm seine Sternguckerei auszutreiben, doch 
Keubersch Wilm blieb, was er war, ein Tagedieb. Wollte 
es darum wundernehmen, daß unser Sterngucker eines 
Tages das VDaterhaus verließ, der Heimat Valet sagte und 
ins nächste Städtchen zogl Beim Abschied erzählte er seinen 
Kameraden, er werde nun ein Städter und verdiene mit 
wenig Arbeit viel Geld. 
In dem Städtchen wohnte ein Mädchen, das sich den 
Vierzigern näherte, häßlich und alt war, aber im Besitze eines 
schönen Hauses. Selbst die gerissenen Stadtbuben hatte 
das große Haus mit dem blöden, alten Sektchen nicht ge⸗ 
reizt. Doch Keubersch Wilm, der nur mühelose Tage ohne 
Arbeit suchte, steckte das schöne Haus am Marktplatze in 
der Nase, heiratete dafür das häßliche Settchen und eröffnete 
im ersten Simmer linbs vom Hauseingange ein Hutgeschäft. 
Ein Schild prangte bald über dem Eingange, darauf zu 
lesen stand: Friedrich Wilhelm Keuber, Stroh- und 
Filzhüte. 
Nun hatte er alles, was er wollte, beine harte Arbeit 
und doch gute Tage. Der Kaufpreis zwar war das alte 
Settchen, das jedoch jedesmal verschwand, wenn ein Kunde 
den Laden betrat. Die Manieren und Gewohnheiten eines 
tädtijschen Kaufmannes hatte Friedrich Wilhelm bald an— 
jenommen. Doch florierte sein Geschäft beineswegs, da noch 
»ine alteingesessene Konkurrenz am Platze war. Ab und 
zu kauften Landleute einen Hut in dem neuen Geschäft. 
So stand auch eines Tages ein Bauer aus Friedrich Wilhelms 
heimatdorf vor dem Laden. Er studierte das Schild mit 
em halb fremden, halb vertrauten Namen, überlegte, ver⸗ 
nutete dahinter unseren Helden und trat ein. Richtig, er 
tand dem alten Tagedieb von ehemals gegenüber. Der war 
infangs ordentlich erschrocken, faßte sich aber schnell und 
»rahlte bald in seiner Ausschneiderart mit seinem Besitz und 
einem Glück. VDon seinem Settchen zwar sprach er gar 
uchts und beantwortete derartige Fragen des alten Be— 
lannten nur ganz kurz. Doch davon erfuhr das schlauec 
Bäuerlein hernach umsomehr in einer Wirtschaft des Städtchens, 
n der es sein Frühstück verzehrte. Brühwarm trug er dann 
die Nachrichten von Friedrich Wilhelms Lebensschichsalen 
iach Hause ins Heimatdorf. DVon da an bamen mehr 
Bauersleute in den neuen Laden, um sich einen Hut zu 
taufen. In der Hauptsache aber trieb alle diese Kunden 
ine gewisse Neugierde, vor allem nach dem Settchen. Doch 
tam beiner in diesem Punkte auf seine Kosten. Alllein 
Friedrich Wilhelm schmunzelte jedesmal, wenn er mit einem 
iten Freunde aus seiner ländlichen Heimat ein Geoeschäft 
jemacht hatte. Er rieb sich dann vergnügt die Hände und 
ꝛeging sich in einem zufriedenen Selbstgespräch, das immer 
amit endete, daß er erklärte, soviel Geschäft ist besser, als 
oviel geschafff. Bei dem Worte Geschäft hielt er allemal 
die beiden Seigefinger einen Sentimeter auseinander, und 
dei geschafft ließ er sie bis auf einen Meter auseinandergehen. 
So lebte er beschaulich dahin, der hüteverbaufende Städter 
Friedrich Wilhelm Keuber. In die umliegenden Dörfer 
zing er nicht mehr. Der Stand der Ernte und die mühe— 
»olle Arbeit draußen auf dem Lande interessierten ihn nicht. 
Er fürchtete auch die spitßen Keden seiner alten Bebannten 
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