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Auf Heimatwegen.
Homberg an der Efze.
Mit Aufnahmen von Walther Goebel.
II.
Ein Blick in die Pfarrstraße auch vom andern Ende, von
Nordwesten her, ist, wie Abbildung 53 zeigt, ganz besonders schön.
Die Aufnahme ist vom
Hrundstück unserer Taub—
stummen-Anstalt aus ge—
macht. Das Bild hat den
rinen großen Fehler, den
auch die andern mehr oder
veniger aufweisen: es feh⸗
en die Farben. Darum
empfehle ich dieses Eckchen
Janz besonders unseren
Heimatmalern als danb—
bares Motiv! Die beiden
alten, fast zweihundertjähri⸗
gen Häuschen warten förm—
ich darauf, daß sie einmal
in eine Künstlermappe ge—
holt werden.
In dem oberen Eckstüb—
chen des vorderen Hauses
wohnte hinter Geranien—
fenstern ein uraltes, ge—
chãftiges Maännchen mit
oollem, weißem Bart und
diederem, gutmütigem Ge—
icht. Ansere Kinder liebten
es und erblickten wohl in ihm
den alten, guten Weihnachts⸗
nann. Wenn der Alte im
charakteristischen, verwitter⸗
ten, braunen Filzhut — ein anderer würde zu dem Bilde überhaupt
nicht passen! — von der Bastelarbeit aus Garten und Feld heim
behrte, ein großes Bündel dürrer Aste für den Herdbrand über
der Schulter, mußte ich jedesmal an das altke Bechsteinsche Märchen
denken von dem Mann mit der Reisigwelle, den der liebe Gott
in den Mond versetzte. Im Gegensaßz zu diesem hat unser Groß—
väterchen nur die Gabe, sich den lieben Sonntagmorgen schöner und
gemütlicher zu gestalten, trotzdem es seinen Baushalt ohne jede
Arbeitsteilung führen muß. Einsam wandert der Alte durchs Leben
Seit 33 Jahren ist er Witwer, und seine Kinder leben weilweg von
hier. Sein Mittagbrot bocht er sich selbst. Seine Wäsche muß er
allein waschen und ausbessern. Auf einem Bindfaden vor dem
rechten Fensterchen hing gewöhnlich die bescheidene Trockenwäsche.
An warmen Abenden aber sah man regelmäßig eine lange Pfeife
da heraushängen. Großvater im runden, schwarzen. blumendestickten
Wandern wir zusammen die Bischofstraße und dann durch
ine der beiden Krempelgassen zum Märktpiatz (Abb. 6) hinab.
inks sind die vier eigenartigen alten Wohnungen unter dem
Ziechplatz, die augenblicklich Geschäftsleuten der Stadt als Lager⸗
äume dienen. Ich hatte von diesen Wohnungen bereits ge·
prochen. — AUber dem Spitzbogeneingang der am weitesten rechts
elegenen führen beiderseits
reppen hinauf. Die Stufen
ereinigen sich unter dem
Zlätterdach der Kirchen⸗
nde in einer altanartig
usgebauten Plattform; ein
fleck, wie geschaffen als
ednertribüne bei Volks—
ersammlungen unter freiem
»immel. Vor zwei Jahren
ind hier eine allgemeine
RNotestversammlung statt,
achdem die schmachvollen
Zedingungen des Versailler
friedens bekannt geworden
oaren. Selbst in den Wipfel
es alten Baumes, der
offentlich in nicht allzufer⸗
er Seit wieder frohere, frei⸗
re Menschenmengen festlich
nter sich vereinigt sieht,
yaren jugendliche Suhörer
estiegen.
Dasselbe erhebende Bild
rschaute die alte Linde am
0. November 18883 (die
dierhundertjahrfeier von
Martin Euthers Geburts-
ag, 10. November 1488).
Ein schmuckes, mit Holztäfelchen bebleidetes Häusel schließt sich
echts an; zierlich, wie aus einer Holzschachtel herausgegriffen; so
echt geeignet für den heĩmatlichen Wodellbau in unsern Schüler⸗
verbstätten.
Dahinter zweigt sich die Obertoerstraße vom Warbtplatz ab.
die in ihrer Verlängerung vor dem Tore über Wöeshausen nach
Meljungen oder nach Spangenberg führt.
Swischen dem Lindengeäst über den Treppenstufen blickt unser
Kathaus durch, das wir uns noch genauer ansehen wollen. Wir
teigen deshalb noch einmal hinauf auf den Kirchplatz.
Im Schatten der Linde liegt das mit einem Wimperg gezierte
Züdportal unserer Kirche (Abb. T). üuber der “mittleren
reuzblume ist in einer kleinen, rechteckigen Nische ein Mutter⸗
Jottesbild — eigenartigerweise ais Kundbogenfigur — eingelassen
Abb. 6: Kirchplatz vom Marbt aus.
Abb. 8: Altes und neues Kathaus.
Sammetläppchen blies nach vollbrachtem Tagewerk blaugraue, nach
Tabab- und Waldmeistermischung duftende Kauchwölbchen und mit
ihnen all die bleinen Sorgen in die Dämmerung hingus. Von
einer mustergiltigen Ordnungsliebe erzählte alles in dem bleinen
Hauswojen: jedes Gerät, jedes Mobel, jedes Wäschestück, bis ins
bleinste. Ich wünschte manchem einen Blick in das stille, schmucke
Stübchen des alten Heren!
Wenden wir uns nach rechts weiter, so erblicken wir (Abb. 8)
inter der mittleren Linde ein hohes, schönes Gebäude, das bereits
m Jahre 1582 erbaut worden ist. Es ist unser altes Rathaus.
dängere Seit war es nach NAufgabe seiner eigentlichen Bestimmung
ils Schule eingerichtet und dient jetzt seit annähernd einem Jahr⸗
undert dem zweiten Pfarrer als Dienstwohnung. Eine unterkeliette
Straßenerhöhung bildet einen besonderen Vorplakß.