Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

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Heimat · Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
Nr. IN / 10258 
Erscheinungsweise 2mal monatlich. Bezugspreis 1,20 Mb. im Vierteljahr. Frühere 
Jahrgänge kbönnen, soweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-Derlag nachbezogen werden 
5. Jahrgang 
Der Wildschütz õ Ballade von Heinrich Kuppel. 
„Christtagl Und kLeinen Heller! 
Schwernot, das geht nicht an!“ 
So flucht der Schlingensteller 
Und schleicht sich in den Tann. 
Im Forsthaus drunten gleißen 
3wei Fenster lichterbunt. 
Der Wildschütz wählt die Schneisen; 
Sonst wittert ihn des Försters Hund. 
Ein Hirsch, ein alter Kecke, 
Läßt ihm nicht Kast noch Kuh. 
Den bringt er heut zur Strecke, 
Heh's mit dem Teufel zu. 
Der Herrgott lädt die Frommen 
Heut abend in sein Haus. 
Da kann bein Grünrock kommen. 
Kommt einer, dann — mit ihm zum Daus! 
Der Förster stapft beladen, 
Als Läm Knecht KRuprecht her, 
Auf dornumhegten Pfaden 
Und denbt der Weihnachtsmär, 
Denkt seĩnes frohen Kleinen, 
Der kaum fünf Spannen mißt. 
Heut soll dem Kind erscheinen 
Dor liebe, heil'ge. fromme Christ. 
Doch eh' dem Kind beschieden, 
Mas es im Traum gesehn, 
Vill durch des Waldes Frieden 
Der Föͤrster pflichttreu gehn. 
Bill sehn, ob um die Föhren 
Auch Friede webt und wacht, 
Und ob nicht Frevler stören 
Das Wild in Gottes hehrster Nacht. 
Ihm folgt des Knaben Bitte: 
O Vater, nicht so weitl“ — 
Mur ein paar hundert Schritte“, 
5pricht er, „bin da zur Seit. 
Sieh, Christkind ist auf Keisen 
Und muß auch übern Wald. 
vch will den Weg ihm weisen; 
dann kommt das wunderfeine bald.“ 
Fort ist er wie versunben. 
Die Gattertür fällt zu. 
Es gehn drei Himmelsfunken 
Mit ihm durch Waldesruh. 
Fin Quell schluchzt aus der Erde; 
Das rührt ihn eigen an. F 
„Halt! Wer da?“ Vor ihm querte 
Den Weg ein sternescheuer Mann. 
Fin Sprung — es rauscht die Dickung. 
Der Wildschütz steht geduckt: 
„Kommt er, ist's Teufels Schickung. 
Dann drauf und nicht gezuckt!“ 
Er sieht im Angewissen 
Den Feind und hebt den Lauf: 
Stirb, Hund!“ Die Schrote bissen 
Dem Förster Hals und Kehle auf. 
0 
Er schleppt sich bis zum Gatter 
Und tastet sich entlang. 
Sein Herz schlägt matt und matter. 
Bald stockt und steht sein Gang. 
Nun lehnt er tot am Pfosten, 
Als suche sein Gesicht 
Den Wunderstern im Osten, 
Des eignen Hauses Weihnachtslicht. 
* 
Im Kirchlein die Gemeine, 
Die singt zur halben Nacht: 
„Das Blümelein, so bleine ... 
Die Kerzen sind entfacht. 
Der Jugend Stimmen schwingen 
Vie Dögel überm Meer. 
Die Alten stehn und singen 
NMie Bauern, wuchtig, breit und schwer. 
Heut drängt auf der Empore 
fFin Bauer sich vornan 
Und singt, daß aus dem Chore 
Ihn jeder hören bann. 
Er hält das Buch in Händen 
Und singt aus voller Kraft, 
Schweigt jäh und muß sich wenden 
Nach Schakften. teuflisch fratzenhaft. 
Und jeder Schaͤtten, jeder 
Trägt, deucht ihn, einen Hut 
Mit einer Spielhahnfeder. 
Das brinagt ihn fast in Wut.
	        
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