Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Auf Heimatwegen. 
Die Kolonialschule in 
Witzenhausen. 
Mit der Siebenhundertjahrfeier der 
Stadt Witzenhausen ist auch die Deutsche 
Kolonialjchule Wilhelmshof in den Mittel- 
dunkt der Beachtung gerückt. Sie ist in den 
Hebäuden des früheren Wilhelmitenklosters 
untergebracht, das späterhin staatliche Do— 
näne war; die Klostergebäude wurden für 
die Swecke der Kolonialschule durch be— 
deutende An- und Neubauten erweitert. 
Hegründet wurde diese Hochschule für bolo- 
niale Landwirte im Jahre 1808 von E. A. 
Fabarius im Verein mit opferwilligen, natio- 
nalen Männern. 
Aufgabe der Deutschen Kolonialschule 
ist die Vorbereitung jür den Beruf des 
Lolonialen Landwirts, der in jeder Be— 
iehung höhere Anforderungen an Wissen, 
Können und Charabter stellt. Demzufolge 
st die Aufgabe der Kolonialschule weiter ge⸗ 
teckt als die der sonstigen landwirtschaftlichen 
Hochschulen. Sie umfaßt nicht nur bloße 
Übermittelung theoretischen Wissens, sondern 
egt auch besjonderen Wert auf die An— 
reignung von prabtischem VDerständnis und 
Können. Als Hochschule für das Deutsch- 
um im Ausland versucht sie auf den Cha— 
ralter der Studierenden einzuwirken und 
hnen deutsches Fühlen. zielbewußtes Wollen, 
Arbeitsfreudigleit und Pflichtgefühl anzu— 
erziehen. 
Der wissenschaftlichen Ausbildung dienen die hochschulmäßigen 
Lehreinrichtungen und wissenschaftlichen Institute der Kolonialhoch- 
ichule, insbesondere auch das 1924 eröffnete Kolonialkundliche 
Institut. Der Studiengang umfaßt vier Semester, setzt als Mindest- 
maß der Vorbildung bei der Aufnahme das Reifezeugnis für 
Obersekbunda voraus und vermittelt eine auf breitester Grundlage 
Deutsche Kolonialschule: 
eruhende allgemeine Fachbildung, unter 
ewußter Ablehnung jedes einseitigen Spe⸗ 
ialstudiums. Gelegenheit, Anleitung und 
Hiljsmittel für spezielle Studien Lann nach 
estandener Abschlußprüfung ein fünftes 
Semester geben. Die Theorie wird in steter 
Derbnüpfung mit der Praxis geboten, die 
aicht nur in gelegentlichem Demonstrieren, 
ondern auch im Sehen und handfesten Su— 
greifen besteht. 
Die prabtisch wirtschaftliche Ausbildung 
erstreckt sich nicht nur auf das Gebiet der 
rigentlichen Landwirtschafl, sondern dehnt 
sich auch aus auf alle Sweige der Gärtnerei, 
auf die für den Landwirt wichtigsten Hand— 
werbe, auf Forstwirtschaft und landwirtschaft— 
liche Nebengewerbe. Ein rein prabtisches 
Lehr- oder Prabtibantenjahr ist die Vorstufe 
zu der zweijährigen theoretisch-praktischen 
Ausbildung. Die Prabtikanten haben die 
Stellung von landwirtschaftlichen Lehrlingen 
und finden im landwirtschaftlichen Gutsbetrieb 
des rund 800 Morgen umfassenden Vorwerks 
Helsterhof ein reiches Betätigungsfeld. 
Die deutsche Kolonialhochschule will 
zin innerlich starkes Führergeschlecht heran— 
»ilden und greift zu diesem Sweck auf die 
Surse, die studentische Genossenschaft im 
Mittelalter und ihr Haus, zurück. Die Burse 
»eruht auf dem Prinzip des Susammen- 
vohnens und Susammenlebens. Auch in den 
englischen Colleges ist dieser Gedanke durch⸗ 
zeführt, der nicht zum wenigsten dem Eng- 
länder den einheitlichen Typ gegeben hat. 
das Bursenwesen mit jseiner Selbstverwaltung erzieht den Ein— 
elnen zur Selbständigkeit, aber auch zum sozialen Denken und 
dandeln. Selbstverwaltfung verlangt Selbsterziehung, die notwendiger- 
oeise zur Selbstzucht wird. Alle Prabtikanten und Studierenden 
er Kolonialjschule wohnen demzufoige im Internat; sie bilden eine 
nge Aebeits-und Lebensgemeinschaft mit betonter Selbstverwaltung 
—AfäfXILV 
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