„Aber die Frau, die der Friedrich mal briegt, die kennst
du net! Und die macht den Geist im Haus. Immer machen
die Weiber den Geist im Haus. Und vielmal ist's ein böser
Geist.“
„Der Friedrich wird sich net grad die ärgste nehmen.
Wenn ich aber dem NAdam sein Vermögen zuschreiben laß,
dann ergattert ihn sich eine, so'n hergelaufenes Mensch, und
der Hof ist das schöne Geld los. Dumm genug ist der
Adam dazu.“
Der Nachbar schwieg. Er dachte sich sein Teil. Der
Adam sollte in die Küche geschlachtet werden, wie hier und
da auf den VDörfern manch einer als Haushammel in die
Küche geschlachtet wird, damit nur Geld und Gut schön bei.
einander bleiben. In diesem Fall sind die nächsten An—
gehörigen eifrig bemüht, den Sweitgeborenen für unzu—
rechnungsfähig zu erbllären und es als Verdienst auszu—
schreien, daß sie sich eine solche Last überhaupt noch aufladen.
Und der Adam war eine solche Last auf Jöbbels Hof.
Der Friedrich wußte ein Liedchen davon zu singen. Wie
ann denn ein Bruder, der noch dazu mit der Pelzkapp
geschossen ist, ein richtiger Knecht seinl Und dann reden
die Leute noch viel, wie schlecht es dem Bruder ergehe
Seinem Karlchen sollte es mal nicht so gehen wie ihm,
dachte der Friedrich. Dafür wollte er schon sorgen. Sein
Junge, der jetzt bald vier Jahre wurde, war und blieb der
Einzige. Darüber war er sich mit seiner Frau längst einig.
Mit dem Karlchen hatten sie genug. Das war aber auch ein
Kerlchen, wie kein zweites im ganzen Dorf. Stramm und
buraschig. Seinem großen, dummen Onbel Ndam schlug es
schon manchmal die Peitsche um die Ohren. And der war
so dummgut, daß er sich das gern gefallen ließ von dem
Jüngelchen. And der Vater wollte seinem Sprößlind den
Spaß auch nicht verderben.
Tausend- und abertausendmal hatte es der Adam hören
müssen, wie dumm er sei, sodaß er's zuletzt selber glauben und
— werden mußte. Nach und nach eignete sich der unbeholfene
„anderthalbe Mensch“, wie ihn die Dorfsprache getauft hatte,
ein kindisch einfältiges Gebahren an. Seit der Schulzeit
nahm ihn niemand mehr ernst. Also mußte er doch wohl
einer sein, der den anderen zum Uz auf der Welt herum⸗
lief. Und er bam sich selber so vor. Im Grunde seiner
Seele war er gar nicht dumm. Da war nur viel scheue,
wissende Güte. Aber allzugroße Güte ist Albernheit in den
Augen der Welt. Eine heilige Einfalt erfüllte sein Herz.
Doch damit hat die Welt seit je Schindluder getrieben, ob
es sich nun um die Einfalt eines Franz von Ajsisi oder eines
Adam Isbbel handelte, nur mit dem Anterschied, daß der
eine unter den Anfeindungen und Verhöhnungen der Welt
ein Heiliger und ein Held der Liebe, der andere ein Kinder-
spott und ein Gassengelächter wurde. Mit den zunehmenden
Jahren verlor sich die gütige Einfalt in Adams Seele und
wurde mehr und mehr z430 einer wirkblichen. närrischen Albern-
heit.
Dieses Sonderbare äußerte sich in vielen bleinen Eigen-
heiten. Deren eine war es, daß der Adam nie an einem
bestimmten Brunnen, der das Braubörnchen hieß, vorbei-
—
zu haben. Wenn er sich sonntagnachmittags im Dorfe um—
hertrieb und beine Lust zum Nachhausegehen hatte, gebot
jeine Mutter, die derzeit noch lebte, den Jungen: „Ihr
Jungen, jagt ihn mal heim!“ Dann jagten ihn die Jungen,
als gält es ein Wild zu hetzen, daß er im Galopp nach
Hause lief, jedoch nicht, ohne im Vorbeilaufen dem Brau—
börnchen sein Spuckopfer darzubringen. bis ihm eines Tags
in Anwohner, der auf den Brunnen angewiesen war, einen
Fimer voll kalten Wassers über den Leib goß, daß er sich
chüttelte. Seitdem unterließ er die Bornspützerei.
Adams Wunderlichbeiten nahmen zu, als er an die Dreißig
am und alle seine Schulbameraden im Stand der Ehoe sah.
Immer mehr wurde er für die Dorfspötter das Stichblatt
hrer Fickfäckereien. Deshalb ging er ihnen aus dem Weg
ind hielt sich lieber zu den Kindern, obwohl ihn auch die
neckten. Die Schlimmsten hielten ihn oft so zum Besten, daß
x böse wurde, worüber sie dann lachten. Wenn er einen
Augenblick von seiner Arbeit verschnaufen bonnte, stand er
in der Hofecke und winbte die Jungen zu sich heran:
„Kommt mal bei michl“
Sie bamen.
„Wißt ihr mir denn beine?“
„Was denn für eine?“
„Sone richtig Schwarzbrune muß es sein!“
„Ja, so weiß ich dir eine.“
„Koerle, wo ist sie denn?“
„Du mußt erst mal wie 'n Kamel machen!“
„Willste mir's denn dann auch sprechenꝰ“
„Ja, dann sprech ich dir's.“
Und nun versuchte der baumlange, rappeldürre Mensch“
em der Adamsapfel über dem ausgefransten Hemdbragen
ervorstach, einen Buckel wie ein Kamel zu machen; er reckte
en hageren Hals in Fragezeichenform, verdrehte die Augen,
erzog das Gesicht zum Lachen, daß es beinah zum Heulen
ussah, schnaubte nach seinem Dafürhalten wie ein richtiges
Zamel und hatte doch noch nie eins schnauben hören. Wenn
er dann, ein großes Kind unter johlenden Kindern, wieder
u einer menschenähnlichen Halkung zurüchkehrte, lachte ihn
»er Schwarm aus und lief davon. Dann stand er beschämt
ind tief betrübt über die Schlechtigkeit der Jugend. Aber
s blieb ihm wenig Seit, darüber nachzudenken. Denn schon
onnerte ihn vom Scheunentor her sein Bruder an: „Du
Faulenzer, biste denn schon wieder am Schwatzen! Dorfnarr,
u was! Du briegst deine Schwarzbraune noch auf 'n Buckel
Jebunden, Nischtnotzerl Freß net soviel und schaff mehr!“
Jeden Tag, den Gott ließ werden, gab's der Friedrich
»em Adam aufs Brot zu schmecken, daß er unnütz, faul und
janz verrückt sei. Nur, wenn er schaffe, sei er etwas nutz.
Und die Schwägerin blies in dasselbe Horn. So war der
Adam ewig in Angst und Sorge, er arbeitete nicht genug.
Schuhe brauchte der Adam Laum. Sommers und Winters
ief er barfuß. Sogar über den Stoppelacker ging er mit
»loßen Füßen. Seine Sohlen hatten eine harte Hornhaut,
odaß es ihm nichts tat. wenn er barfuß durch die Stoppeln
trich. GSchluß folgt.)
Sommornacht õ DVon Heinrich Horst.
Im Felde blüht der Weizen;
Brotgold wächst über Nacht.
Das hat das Dorf so ruhig,
Die Nacht so still gemacht.
Sehnsüchtig zirpt ein Heimchen.
Weils gar so einsam blieb.
Ein Lied blingt fern, getragen
VDon Sommerlust und Lieb.
Und Kosen blühen heimlich,
Und Linden dufßten schwer.
EFin Strom von Fried und Segen
Fließt übers Dörfchen her.