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Heimat · Schollen
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatbkunst
Ap/ 1028
Erscheinungsweise 2 mal monatlich. Bezugspreis 1,20 Mb. im Vierteljahr. Frühere
Jahrgange Lonnen, soweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-Verlag nachbezogen werden
Des Bruders Knecht
Von Heinrich KRuppel.
Jöbbels Friedrich hatte von jeinen Eltern — Gott tröst'
ie unterm Deckell“) — ein schönes Wesen übernommen, das er
mit drei Gäulen bestellte, und dazu noch einen Knecht, dem
er alle Arbeit aufhalsen bonnte und nicht einen Heller Lohn
zu geben brauchte. Das war sein Bruder Ndam, sein
einziger Bruder, der die Knechtsarbeit für das bißchen
Essen tat. Der Adam mochte in dem Alter sein, in dem
die Bauernburschen auf die Freite gehen. And er dachte
pohl auch ans Freien. Wenn er aber davon redete, lachte
nan ihn lauthals aus. Der! — und freienl So'n dumm
Hestück wie der — und eine Fraul Die hätte man sehen
nögen, die so einen wollte. Haha, das war gar nicht zu
denben!
Der Adam hatte von blein auf als albern und einfältig
gegolten, obwohl er in der Schule einen blugen Kopf hatte.
Aber im prabtischen Leben war er gutmütig und leicht-
gläubig, ehrlich und treu bis zur Dummheit. And das
konnte sein Dater, der es zu etwas gebracht hatte, nicht
bertragen. „Dumm biste, stockdumm, dumm wie'n schwarz
Schwinn!“ so und ähnlich lautete, was ihm der Dater bei
Lebzeiten täglich zu hören gab und die Mutter zuweilen
nuch und der Friedrich erst recht.
Als der Adam Lonfirmiert worden war, hatte er die
Sibelsprüche, Gesangbuchstrophen und Katechismusstücke vor
dem Altar mit am besten aufgesagt. Der Nachbar Mötzner
fragte den Vater, was er denn nun an den Ndam bochen
wolle. Der Junge habe einen behaltenen Kopf und müsse
vas Tüchtiges werden. „Ach“, zuckte der Dater mit der
Schulter, „was soll ich an ihn hängenl Daheim kann er
leiben und dem Friedrich die Arbeit tun helfen. Da hat
) Sargdechel (Kedensart aus dem Haungrund).
x jein Brot. And ein Obdach hat er auch. Den Einsitz
iuf sein Lebtag laß ich ihm im Kaußfbrief schreiben. Mehr
raucht er einmal net, der Jung. Denn ans Freien wird
x doch net denken. Ja, wenn er wär, wie er sein sollt!“
„Du hast dich ja schon immer beblagt, daß der Adam
et jo wär wie der Friedrich“‘, gab der Nachbar zu. „Es
ann ja auch net ein Kind wie's andere sein. Aber, daß
e so sein soll, das kann ich mir gar net vorstellen von dem
ungen.“
Kannst mir's glauben, Nachbar! Es ist schlimm für uns.“
Dielleicht siehst du's schlimmer an, als es ist. Das
aüßt doch mit dem Deuwel zugehn, wenn mit dem Adam
ichts Ordentliches anzusangen wärl“
„Mit dem geht's auch zu, Nachbar — ja, mit dem
deuwell Du kennst den Jungen net von der richtigen
zeite. Es ist am besten, er bleibt bei seinem Bruder, wenn
h einmal tot bin. Da ist er versolderiert.“
Aber seine Zugabe würd' ich ihm doch schreiben lassen.“
WVenn der Nachbar Töchter gehabt hätte, würde der
lte Jökbel geglaubt haben, er spebuliere schon jetzt auf den
Adam und jeine Zugabe. Aber so durfte dieser Argwohn
uücht aufkommen.
„Das wird net nötig sein“, meinte er. „Wozu soll ich
hm seĩin VDermögen zuschreiben lassen?“
„Damit er dem Friedrich net ganz in die Hand gegeben
st, wenn du die Augen zugetan hast.“
„Der Friedrich, ach, der ist gut! Der wird schon
nenschlich umgehn mit seinem Bruder.“
„Wird, wird — oder auch net“, zweifelte der Nachbar.
„Dafür benn ich meinen Neltesten“, verwahrte sich der
ilte Jöbbel.
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