iche Tor öffnete, haben ein Unvergeßliches von dort mitgenommen,
zine seelische Erhebung aus gemeinsamem Erleben, sei es bei der
Arbeit oder in einer reichen Stunde mit Lautenklang und Voll-
nondschein auf luftigem Söller der Burg.
Wenn wir Alteren zum Ludwigstein hinaufsteigen, dann ist
ins immer wie Mose auf dem Berge Horeb: Wir sehen das in
inserer Jugend geahnte und erstrebte Land, — aber wie dũrfen
es nur von sern schauen. Ja, bei aller Freundlichkeit — wir fühlen
ins doch immer als Besuch und möchten so gern dort „daheim“ sein.
„Wenn wir das in unseren jungen Jahren hätten erleben
dürfen!“ so sagte schon mancher dort oben, dem die erste Jugend
perflogen war.
Ich denke immer wieder an einen Abend um die Sommer-⸗
onnenwende dieses Jahres, wo ein Märchenspiel „Dornröschen“
im alten Burghof aufgeführt wurde. Die Göttinger Bachgemeinde
zröffnete stimmungsschwer den Abend mit Gesang und Orchester-
hegleitung. Dann spielte sich auf dem Burghofe das uralte Märchen
ab in einer wundervollen Neubearbeitung.
Die Sommernacht brach herein über Turm und Dach, nur
Pechfabeln gaben dem Schauplatz eine geheimnisvolle Beleuchtung.
Darin waren die grauen Frauen von dämonischer Wirkung. Ein
voldseliges Dorneßschen neckte sich mit einem urkbomischen Koch.
Auf dem bleinen Balkon saß die graue Frau am Spinnrad, und
Dornröschen fiel in den hundertjährigen Schlaf. Da schien es
nicht mehr Spiel, sondern volle Wirblichkeit. Die Hecke wuchs
iesenhoch um das Schloß, gestellt von jungen Mädchen, die in
eltjamer Gewandung einen schwermütigen KReigen sangen. Und
der Königssohn kam und erlöste Dornröschen, ein Königssohn, wie
er in beiner Mädchenphantasie schöner sein Lann! Das Stück
atte dichterijche Schönheiten; aber das hervorragende Spiel der
ee VOolbshochschulangehörigen trug vor allem bei zu der tiefen
irkung.
Und dann in der Nacht, als das begeisterte Volk heimzog vom
Sonnwendfeuer, als die ragende Burg erglühte im Widerschein
der vielen Fackeln, da erschien sie uns späten Wanderern von ferne
3— de Gralsburg, darinnen das Heil ringender deutscher Jugend
vohnt.
Der Hüter des Tals.
(ZSur 1200- Jahrfeier der Stadt Witzenhausen.)
Oielleicht ist es dir noch unbebannt, dann will ich's dir zeichnen
mit einigen Strichen, das Bild des bürʒlich heimgegangenen urdeutschen
und gottinnigen Malers Hans Thoma: „Der Hüter des Tals.“
Auf einem Felsvorsprung steht eine von Kopf bis zu den Füßen
n Erz gopanzerte Männergestalt, ein Scharlachbanner in ihrer
Kechten. Tief drunten liegt ein abendbeschattetes Tal mit heimat⸗
raulichen Häusern, ũüber dem sie die Wacht hält.
Weißt du, wer das ist, dieser Hüter des Tals?
Komm mit, wir wollen die Talstadt durchschreiten, ob wir ihn
sinden, den sternlicht umfunkelten Gepanzerten, dessen schirmende
Macht ũber dem Tale thront, dessen entrolltes Banner Fehde an⸗
agt allen Feindgewalten und die hohe Sprache des Sieges spricht.
Horch, aus einer rußgeschwärzten Schmiede dröhnt in tabtfroher
Eijeninelodie Hammerschlag. Am Amboß steht ein Weißbart,
emdärmelig und im Schurzfell, funbenumspritzt, glutangestrahlt,
ind läßt den zyklopijschen Hammer herniedersausen auf ein weiß-
glühendes, wie in Schmerzen sich krümmendes Eisen, als wollte
er ein flammenzũngelndes Teufelchen in ihm zu Tode treffen, viel⸗
leicht den Teufel Müßiggang. Ja, Weißbart, schlag zu in heiligem
Arbeitswillen, in teufonijchem Sorn auf solchen Verderber, du
Kämpfer am Amboß, du Sieger im Schurzfell. Du bist es, der
eine Hũüter des Tals: schweißsaure Arbeit.
Doch nun wollen wir von der lauten Stätte der Arbeit hin
weg gehen, zu einer Stätte der Stille und erinnerungsschweren Feier-
ichtkeit. Im Schatten der altersgrauen Stadtmauer, in der fried⸗
poilen Nachbarschaft halbversunbener Grabsteine hebt sich in dithy⸗
ambischer Wucht ein Block, der trotz seiner erdschweren Massig-
leit etwas Kingendes hat, in dem Erldsungsdrang wie eingemauerte
Menschenseele nach Licht tastet, jo Ausdruck verleihend Soldaten-
zampf und weh in den gasvergifteten, vom Trommelfeuer ver—
schũiteten Gräben und Löchern des Weltkriegs. Beendeter Kampf,
heendetes Weh. Tod umfittichte die schlachtheißen Stirnen. Die
eingemauerte Menschenseele fand den Ausgang. Dieser Block ist
den Gefallenen der Stadt geweiht.
Denen, die ihr Leben nicht geliebt haben bis in den Tod.
Denen, die ihr Blut vergossen, damit aus dieser Saat goldene
zubunftsernte reife.
Denen, die starben, auf daß Deutschland lebe.
Deren tote Leiber nicht nur einen Wall bilden sollten um das
roße Daterland, nein, auch um dich, Blũtenstadt im Tal. Da—
nit dein Frieden nicht im Krach der Granaten zerberste, damit
eiterhin der segnende Schritt des Säemanns über deine Acker-
reiten gehen könne.
Siehe, jenes Denkmal aus Stein, es wird zum Helden aus
krz, aus desjen zerklaffter Brünne es herzblutrot sickert, dem Hüter
es Tals, der in euch für uns Dahingesunbenen wachte und wirbte,
zes Name Opfer wille ist.
Die Sonne, mũde des Kampfes mit der hereindringenden Nacht
id zu Tode getroffen von ihrem schwarzgefiederten Pfeil, hat
hren Goldjchild aus der Hand gelegt.
Wir lenkben unsere Schritte wieder zurũck in die jeßtzt still
ewordenen Straßen und halten an bei einem bleinen, hochge-
siebelten Haus, aus dessen Fenstern mildtröstlicher Lampenschein
allt. Aber noch milder und tröstlicher ist das Licht, das dem
roßen, schwarzen Buch entstrahlt, das aufgeschlagen auf dem weiß-
escheuerten Tische ruht und aus dem die andachtsgedämpfte
ztimme einer alten, arbeitsgebeugten Frau dem händefaäaltenden
familienkeeis ein Heilandswort vorliest, die sieben Seligpreisungen.
Selig sind . ...
Das ist zum Dritten der Hũüter deines wahren Glückes,
einer echten Seligkeit, ein Erzengel, gerüstet mit Waffen des
α— 8 den Finsternismãchten des Abgrundes wehrt: Fröm⸗-
aigbLeit.
So hat sich uns dreifach auf unserem Gange der Hüter des
Tales offenbart, als Arbeit, Opferfreudigkeit und Frömmigbeit.
diesje drei Worte stehen auf dem Scharlachbanner geschrieben.
Was nützt alle Liebe zur Heimat, wenn aus ihr wie aus
inem Born nicht diese drei Segensquellen sich ergießen. Alle,
ie ihr heute das siebenhundertjährige Wiegenfest eurer Heimat-
tadt begeht, vergeßt nicht ũüber der Freude die Pflicht, die Forderung:
sei Hũter des Tals!
Diese Forderung werde dir zur Gewissensmacht, die dich zur
kat treibt. Solcher Tatwille, das sei die beste Ausbeute, die du
uus diesen Tagen mitnimmst. Denn man feiert nicht, um zu feiern,
ondern um sich zu besinnen auf seine Verantwortung.
Wilhelm Stolzenbach.
Die Gelsterburq.
Ubber der Gelster, welche bei Witzenhausen mündet, lag
hemals unfern des Dorfes Trubenhausen auf einem steilen
zügel die Gelsterburg. Jetzt ist von ihr weiter nichts ũbrig als
er Wall und der Graben. Diese Burg wurde einstmals belagert.
Aber weder die Waffen, noch die engste Umschließung waren
mstande, sie zu bezwingen. Es führte nämlich ein geheimer Gang
on der Burg ins Freie hinaus, und durch ihn ritt der Burgherr
uus, wenn er wollte. Er schlug nur vorher die Hufeisen seines
erdes verbehrt auf und lenbte dadurch den Feind von dieser
pur ab.
Endlich aber wurde der Gang und auch diese List entdeckt
ind jener versperrt. Bald waren alle Vorräte auf der Burg
erzehrt, und nun blieb den Insassen nichts anderes ũbrig, als den
hungertod zu sterben oder sich dem Feinde zu ergeben. Dieser
ber war sehr zornig und hätte sie alle getötet.
Da schritt die schöne Hausfrau des Kitters eines Morgens
u dem Feinde herab und bat um Gnade nur für sich. Und die
kränen des lieblichen Weibes bewältigten das Herz des zürnenden
driegers. Als er ihr Gnade bewilligt hatte, da flehte sie auch
och um die Erlaubnis, daß sie nur soviel aus der Burg mitnehmen
ũrfe, als sie in der Schürze zu tragen vermöge. Und auch das
vurde ihr gestattet. Sofort eilte sie zur Burg zurück, nähte sich
ine große Schũrze, trug darin ihren Mann herab und rettete ihm
o Freiheit und Seben. Noch jetzt zeigt man dort in der Gegend
inen Malstein. auf dem sie mit ihrer jchweren Bũrde ausgeruht hat.
Schneider. Hessisches Sagenbuch.
Der Hesselbühl.
Einst ging ein Mann von Großalmerode nach Witzen-
„ausen, um dajselbst ein Geschäft abzutun. Er mußte über eine
baldige Höhe, den Hesselbäühl. Oben auf dem Berge liegt eine
Viese, welche die große Wiese heißt. Als der Mann auf diese
Viese bam, fand er allda eine Blume von seltener Schönheit.
kr pflũckte sie ab und wollte bei der Heimbehr jeinen Kindern
ine Freude damit machen. Kaum war er aber einige Schritte
veitergegangen, da erblickte er auf einmal ein herrliches Schloß.
derwundert blieb er stehen und traute seinen Augen nicht mehr;
enn er hatte hier noch niemals ein Gebäude gesehen und über—
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