Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

geschichte schreiben. und die römischen Könige etwas besseres, 
als Rom auf sieben Hügeln bauen, was ich beweisen will. 
Keden wir zuerst von Kaff. Als uns in der Rebtorschule 
Raturgeschichte gelehrt wurde und wir an den Esel bamen, 
Lonnten wir's unmöglich lernen, wodurch sich der Ejel von 
den übrigen Geschöpfen vorzüglich distinguierte, weil nämlich 
jeder von uns ein Esel sein sollte. Folgendermaßen ging's 
her. Der Esel, lehrte der Kebtor aus Kaff pag. 534 ff., 
hat eine dicke, fast unempfindliche Haut! Hatte das nun 
einer in der nächsten Stunde vergessen, so hieß es: Warte, 
du Esel, ich will dich's lehren! Dann gab's Prügel, daß es 
ein Jammer war, und wenn die vorbei waren, dann schrie 
der Kebtor: Was hat nun der Esel? Dann heulte der Ge⸗ 
schlagene, Ellenbogen und Rücken befühlend: Eine dicke, fast 
unempfindliche Hautl — Der Esel, hieß es weiter, hat 
über den Kücken einen langen Streif! Hatte das einer ver⸗ 
gessen, so hieß es: Warte, du Esel, ich will dich daran er— 
innern. Schnapp! gab's einen starken Wichs über den Rücken. 
Was hat nun der Esel? Die schluchzende Antwort war: 
Einen langen Streif über den Kücken. Der Esel, rief der 
Kektor, wird 20 bis 25 Jahre alt. Wie alt wird der Esel? 
Wie alt? 25 sausten auf den Küchen. Antwort: 25 Jahre 
nicht einmal die 5 ließ er ab). Der Esel, wenn er schreit, 
schrie der Esel, schreit: hinham! hinham! und ial ial“) Wie 
schreit nun der Esel? Wir hatten's vergessen. Wartet, ich 
will's euch lehren! Es regnete Schläge. Wie schreit der 
Esel? Hinham! hinham! ial ial auwehl — Von der Esels- 
haut, schrie er, macht man Trommeln. Aber auf dem Rüchen 
dessen, der's vergessen hatte, jchlug der Kebtor eine Keveille 
des Gedächtnisses. Was macht man nun aus der Esels- 
haut? Trommeln! Herr Kebtor, ach du lieber Gott! 
Trommeln! — 
Mit den sieben Hügeln verhält es sich so. Die größeren 
Jungen — es waren schon ziemliche Schlingel — hatten 
heim Kebtor von 10-11 und wir Kleinen von 11 -512 Ahr 
Privatstunde. Eines Tages nun kam ich um 11 Ahr, aber 
doch etwas zu frühe, in die Schulstube, und drückte mich 
bescheiden in die Ecke. Der Kebtor sah mich zwar, ließ sich 
aber nicht irremachen und fragte eben einen von denen, die 
vor ihm saßen, auf wieviel Hügeln Kom erbaut sei. Eine 
Frage, die mich wegen ihrer Schwierigbeit in gerechtes Er— 
aunen setzte. DVergnügt rieb ich mir die Hände, weil ich 
dachte, es ist gut, daß du nicht da sitzest und die Frage zu 
heantworten hast. Ein ganz großer Bengel antwortete nun: 
auf zehn Hügeln! Entweder hätte er bein großer Bengel 
ein oder richtig antworten sollen, denn beides kam mir zum 
Schaden. Den Kebtor jagte die Sahl zehn wie ein Slitz 
hom Stuhle auf, und sein Gesicht glühte in historischem 
Zorne. „Du ErzGeneral⸗Schafkopf!“ war der erste Donner- 
schlag auf jenen Blitz, und nun fuhr er fsort: „Dort der 
Kleine in der Ecke (hier meinte er mich) soll dich beschämen! 
Komm mal her, du!“ Mit Sittern naht' ich. „Auf wieviel 
Hügeln ist Kom erbaut?“ Mir fiel zunächst eine sehr ange- 
iehme LEustpartie bei Lenzbach ein, wo man eine schöne 
Aussicht hat, und welche „Die neun Hügeln“ heißt. Sugleich 
vollte ich von jenen zehn doch etwas abziehen und platzte 
aljo heraus: „Auf neun Hügeln!“ Auf diesen neun Hügeln 
zam das Gewitter zur vollständigsten Entladung, und wer be— 
zam die Schläge? Ich, der Kleine, der mit aller Gewalt 
heschämen sollte und es doch nicht bonnte, ich bekam die 
Hiebe, der ich doch nur neun Hügel gesagt hatte und so der 
Wahrheit doch um einen Hügel näher gerutscht war, während 
der andere gar drei Hügel der Stadt Kom zugelogen hatte, 
ohne nur einen einzigen Schlag dafür zu erhaschen. 
e Ich folge hier einer authentischen Quelle. nämlich Kaff a. a. O. 
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Anschwer wird der Leser aus diesem allen schließen, daß 
ch in der Naturgeschichte sowohl als in der Geschichte wenig 
rofitierte. Ebenso auch im Konjugiccen. DVon amare ist mir 
»as Activum immer leichter geworden als das Passivum. 
zch kbann hierbei nicht unbemerbt lassen, wie gewissenlos 
Bröder seine Beisjpiele der lateinischen Konjugationen gewählt 
at. Sind sie nicht ein wahrer Koman? Fängt nicht die 
Janze Geschichte mit Liebeleien durch alle Tempora an, und 
aßt er nicht, nachdem alles hortari, doceri, fateri, legere, 
oqui und audire vergebens gewesen ist, die traurige ex- 
erientia hinten nachhinben? Bröder ist allein schuld, wenn 
er Schüler mit dem Konjugieren zugleich zu lieben anfängt. 
Mehr dagegen, als in obigem, habe ich in der Naturlehre 
selernt und über manche Dinge eichtigere Begrijffe erhalten. 
5o fing ich z. B. als bleiner Knabe oft das Kegenwasser 
juf und schmeckte es, in der Absicht, etwas ganz Besonderes 
aran zu schmecken, weil es nämlich aus dem himmlijchen Brunnen 
am, aus dem der liebe Gott und die Engel tranken. Später, 
ils ich Naturlehre lernte, hat mir der Kebtor diese Dumm- 
eit ausgebläut. Jetzt regnet's Kegenwasser statt Gottes- 
runnen, und der liebe Gott und die Engel sind mir über 
en Kopf gewachsen, und mein liebes bleines Kindertraum- 
uch ist zum Katechismus geworden. Ach, ich möchte mich 
och einmal sehen, wie ich das Kegenwasser bostete und dabei 
indächtig nach dem Himmel sah, und den Glauben an das 
Cheisteindchen möchte ich auch noch einmal wieder haben, 
ind auch den Glauben, daß alle Menschen gut wären. Man 
vird rasend vernünftig, wenn man erst groß wird. 
Jetzt hat mir der liebe Gott bereits 25 Goldstücke ge— 
jeben und mir dabei gesagt: ich sollte fröhlich damit spielen. 
Sie sollten alle mein gehören, aber ich sollte keins davon 
ʒerlieren, und wenn ich müde wäre, wollte er sie mir auf- 
»eben und mir demnächst einen schönen Christbaum dafür 
aufen. Ich wollte, ich bliebe noch lange leben. denn diese 
Soldstũcke sind Jahre. — 
Ich freue mich über diese Abschweifung und kann nun 
iniges daranbnüpfen. Suvörderst muß ich bekennen, daß 
h in des Kebtors Prügeljystem weiter nichts als einen 
euen Beweis gründlicher Pädagogib erblicke und mich freue, 
u dieser Erkenntnis gelangt zu sein. Die gewöhnliche irrige 
NReinung vom Gegenteile rührt offenbar daher, daß die 
)rügel den ersten Völkern als etwas Anangenehmes und 
Anbehagliches erscheinen mochten. Aber so inbonsequent 
st der Menschl Mir ist die Haferjsuppe schon als Knabe 
uwider gewesen, einem andern ist es die Sagosuppe, 
iĩnem dritten die Keissuppe uswv. Aber alle diese Suppen 
ind sehr gesund. Warum sollte nicht auch eine gute Prũgel- 
uppe, obschon sie nicht jedem Unkundigen mundet, zuträg- 
ich jeinl So mochte mein Kebtor denken, und in der Tat 
atte er recht, aus vielen Gründen. Es ist bekannt, daß 
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Zehirn durch den Rückgrat ausläuft. Im Gehien sitzt aber 
er Verstand, der Scharfsinn, das Gedächtnis. Es ist da- 
her schlau, durch Kißeln und Anregen des Rückgrates 
nittelst Schläge das Gehirn und somit den Scharfsinn zu 
ecken und, wie der Keobtor auf diese Weise tat, in steter 
Vachsambeit zu erhalten. Was bann überdies ein wohl⸗ 
vollender Kebtor, wenn er aus dem Knaben einen hoffnungs- 
ollen Schüler bilden will, besseres tun, als daß er ihn 
nit der Farbe der Hoffnung übermalt? Was kann er, 
rag' ich, um sich das Andenben an die Lehren des Guten 
tets im Knaben zu erhalten, besseres kun, als ihm die 
farbe des Dergißmeinnichts sanft aufzudrücken? Was bann 
r, frage ich weiter, um patriarchalischen Frieden in der Schule 
inzuführen. besseres anwenden. als iedem Schüler die
	        
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