Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

eimat · Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
Die HeimatSchollen werden den Kreisblättern in Homberg, Melsungen, Kotenburg und Siegenhain 
Nr. 6 ⸗ 1921 — beigelegt. Die Kreisblätter in Fritzlar, Frankenberg, Hersfeld, Hünfeld, Kirchhain und Wolfhagen 53 
auf Bestellung. Außerdem bann der Bezug durch die Post und den Buchhandel eerfolgen. Jahrespreis 10 Me. 
1. Jahrgang 
Die Enkeltochter der Hex 0 Von Joh. H. Schwalm. 
4. Kapitel. 
In Schmitthenners großer Wohnstube wurde eine wichtige 
Herhandlung gepflogen. 
Dort saß der Seéfejerg), der Allerweltsfreismann?), 
am vollgedeckten Nhorntisch, ließ seinen Kedefluß laufen 
und vergaß dabei das Essen und besonders das Trinken 
nicht. 
Helwig Schmitthenner sollte freien. Freilich, ihm war die 
Angelegenheit herzlich gleichgiltig. Aber — was sollte er 
nachen! 
Der alte Schmitthenner hatte derweil schon „im Dorfe“ 
dei dem Liej', bei dem Marth, bei dem Dréng, bei dem 
Els, bei dem Barw, bei dem Worleng so hinten herum anfragen 
assen. Aber, es war merbkwürdig, keine wollte anbeißen, 
immer wurde ihm nahe gelegt: „Wendet Euch 'mal rechts 
oder links zu unsern lieben Nachbarn — wir verzichten.“ 
Jedesmal hieß es dann hinter seinem Rücken her: „Ja, 
ja, ein schönes Werk, viel Geld, aber wir haben so was 
läuten gehört — — —. And so Kinder, die essen mit aus 
der Schüssel .. .“ 
Dann munbelte man noch so etwas von einem schrecklichen 
Fluch der alten Annemarth, der Hex. Und was die prophezeite, 
das traf ein — im guten und im bösen! Wer wollte sich 
da, der selber Leinen „ODreck am Stecken“ hatte, mit Schmitt- 
henners vermengelieren?). Nein, nein, auch um Schmitt— 
»enners Keichtum nicht — um die ganze Welt nicht. Man 
patte schreckliche Beispiele ... 
Wie's ausgekommen war? 
i) Georg, der Seife verbaufte. *) Freiersmann, Freiwerber. ) vermischen, in 
Derwandtschaft treten. 
3. Fortsetzung. 
Der alte Schmitthenner wütete und boste, der Böse 
olle ihn holen, wenn die alte Hexr und das junge Mensch 
nèet dazwischen steckten! 
Aber er tat Ann und der Eller auch damit blutig Unrecht. 
Es war jemand ganz anders, der schattenhaft, bleich 
ieben seinen Freiersplänen herschritt. Die Kache war's, die 
dergeltung, ihre Diener waren's, das Gemunbkel, die Nach— 
ede, der Leumund. Die flogen so geschwind wie der Wind 
ind machten nirgends und vor niemand Halt. Die grinsten 
ind lachten und schlugen Purzelbäume, wenn der reiche Schmitt- 
enner wieder mal einen Korb eingeheimst hatte, und mit 
itterbösem Gesicht vor seinem Sorn-Fenster stand und in 
ie Nacht hineinstierte und Gott und die Wellt verfluchte. 
Es war wahrhaftig so, d's Lie' und d's Marth und 
»'s Drèng und d's Els und d's Barw und d's Morleng — 
ie alle jagten „Nein“ beim reichen Schmitthenner seinem Ein— 
igen. Ja, ja, da fehlte was — da fehlte viel — da fehlte 
illes ... 
Nun hatte es der alte Schmitthenner satt, die Geschicht' 
ing ihm zum Hals raus. Es mußte auswärts fommeliert?) 
verden. 
Darum saß nun der Allerweltsfreismann, der Seeéfejerg, 
in Schmitthenners festem Ahorntisch und aß und trank und 
ieß seinen Kedefluß laufen und hatte sein Gedächtnis breit 
ufgeschlagen und zählte „sie“ an den Fingern her. 
„Da ist d'm Klostnersch BSauer seine in Quellhausen, 
Saste Ann in Giersbach, Spanne Kath in Flombach — 
n Wälzebach dem reichen Jostebauer seine Sweite, die 
Alteste habe ich schon unter. Wie wär's mit Bürgecherfts 
) — zürnte. 5) gefühlt, geforscht umgefragt.
	        
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