für den Andres eine ganz eigene Würze und mundete ihm
unbeschreiblich gut.
Es war burz vor Weihnachten gewesen, als wieder so
ein rundes Pabet mit einem Laib Brot für ihn angekommen
war. Als er es auf der Schreibstube in Empfang genommen,
da hatten die anwesenden Anteroffiziere gelacht und gesagt:
„Da seht euch den — hmehm — an! Das ist wohl dein
Weihnachtsgejchenk von zu Hause?“ Auch die Schreiber⸗
jeelen hatten hinter ihren Brillengläsjern, den unvermeidlichen
Insignien ihrer Weisheit, hämisch gegrinst, weil sie ihn für
einen Fresser halten mochten.
Wie bonnten auch die Men—
jchen, die vielleicht niemals
eine Heimat im wahren Sinne
gebannt, die Gefühle eines
echten Bauernjungen ehren!
Dem Andres aber hatte das
sehr weh getan, und er schrieb
—XV
Mit dem letzten Pabet habe
ich mich schwer blamiert. Ich
bin verlacht und verhöhnt
worden, als ich es in Em—
pfang nahm. Das hat mir
bitter weh getan, und weißt
Du, liebe Mutter, was ich
tat? Ich ging an ein stilles
Plãtzchen, wo mich niemand
sah, und — weinte.“
Doch bald darauf traf ihn
noch ein viel herberes Ge—
schick. Er erhielt plötzlich die
Nachricht von dem Tode
jeines zweiten Bruders. Dies⸗
mal haͤtte sich das Beinleiden
nicht wieder durch eine Ope-
ration eindämmen lassen, son-
dern sich rasch verschlimmert
und den Tod herbeigeführt.
Traurig trat der Andres den
Urlaub zur Beerdigung seines
Sruders an, und noch keauriger
fuhr er nach ein paar Tagen
aus der Heimat wieder zur
Garnison zurück. Wie ganz
anders hatte er sich immer
seinen ersten Urlaub in der Hei⸗
mat vorgestellt! — Wie sollte
es nun zu Hause werden?
Nach einiger Seit bonnte
die Mutter dem Suge ihres
Herzens nicht mehr widerstehen und fuhr zu ihrem Sohn in
die Garnijon. Gleichzeitig brachte sie auch ein wohlbegrün⸗
detes Keblamationsgesuch mit, nicht wie so viele andere aus
purer Selbstjucht und Mangel an Opfergesinnung; o nein,
sie tat es aus berechtigter Sorge um die Erhaltung des
Hofes. Doch der Andres wollte von so etwas durchaus
nichts wissen, so schwer es ihm auch fiel, die Hoffnung der
Mutter zu zerstören. Die Pflicht, fürs Daterland einzu—
stehen, galt ihm als die höchste. Als dann am Sonntag,
nachdem beide in der Kirche gehört hatten, daß der Herr
Pastor die Anschaffung von Sanitätshunden als ein gutes
Werk hinstellte, die Mutter den Vorschlag machte, einen
jolchen Hund zu baufen, der leiste ja in mancher Beziehung
noch mehr als ein Mann, und so wäre ein guter Ersatz für
hn, den Andres, geschaffen, wenn er entlassen würde — da
hatte der Sohn zur Antwort gegeben: „Ja, Mutter, wenn
der Hauptmann sagt: Gut, Ihr Sohn ist in der Heimat
vötig, er kann gehen, wir schicken dann statt hundert Mann
rur neunundneunzig ins Feld — wenn er so spricht, dann
vill ich's zufrieden sein.“ Aber der Herr Hauptmann sprach
ucht so. Und der Andres? — „Nun, wenn dieser Hundertste,
der für mich hinaus müßte, der Sohn einer noch ärmeren
Vitwe wäre und fiele, wie bönnte ich das verantworten!
Ich tu meine Pflicht und gehe ins Feld. Das andere mag
doer liebe Gott machen, wie
᷑ MA Aα. O,—A—ACAC;,— er will.“
AUnd er ging ins Feld.—
Just, als der Frühling
ins Land gekommen war
und der Mai sich rüstete mit
all jeiner Pracht, da stand
der Andres in Flandern im
Schützengraben, wenn man
die Erdmulden dort so nennen
wollte. Es war ein wunder—
schöner Frühlingstag, und die
Gedanken an die Heimat
regten sich gar mächtig. Doch
es waren Leine freudigen
GHedanken, so eigenartige,
ahnungsschwere, als müßte
heute noch etwas Besonderes
bevorstehen. Es währte nicht
lange, da stellte sich das Be—
sondere auch schon ein. Die
Kompagnie wurde zum Sturm
auf ein dicht vor der Stellung
iegendes Gehöft befohlen.
Der Andres machte sein
Sturmgepäck fertig, und krotz
der Begeisterung, die sich in
der Aufregung bei den
Kameraden hier und da be—
nerbbar machte, wurden jeine
Ahnungen immer trüber. Sur
estgesetzten Seit brach der
Sturm los. Doch der Feind
hatte sich fester eingenistet,
als man gedacht, und richtete
mit seinen Maschinengewehren,
die in großer Sahl eingebaut
waren, große Verheerungen
in den Keihen der Stürmenden
an. Mutig ging der Andres
voran und haͤtte als einer
der ersten das Gehöft schon bald erreicht. Da — auf einmal
— was war das? Er griff in die Luft, taumelte und brach
zusammen. Ganz grün wurde es um ihn — und sonnig,
ind ihm war's, als atme er den Duft frischgebrochener Erde.
Und da — da stand seine Mutter und neigte sich über ihn.
Und jetzt — das waren seine Brüder, die auf ihn zueilten.
Mein Herr und — mein Gott!“ und es war geschehen.
fFin Kopfschuß hatte ihm einen schnellen, schmerzlosen Tod
ebracht.
Als dann der Feind wich und die Kameraden den
Siegesruf anstimmten, war es da nicht, als ob sich sein
Angesicht verklärtel Und wenn er es nicht mehr hörte, er
uhte doch sanft in dem Grabe, das ihm seine Freunde
chaufelten. Er hafte seine Pflicht getan.
Aufnahme von W. Muhr.