Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Dom Pulsschlag der Heimat. 
Aus der Schwalm. 
Saste Ewebath). 
Denn vor der Hochzeit, 
Da war'n wir Schatzleut, 
Und nach der Hochzeit, 
Da war'n wir Ehleut. 
Und du weißt es gar zu gut., 
Daß ich dich ewig lieben ku. 
Und vor der Hochzeit, 
Da gab es Küsse, 
Und nach der Hochzeit, 
Da gab es Schmisse. 
Und du weißt es gar zu gut, 
Daß ich dich ewig lieben tu. 
hörte zu und gab mir hernach sechs gute Kreuzer, indem er fragte, 
ob ich noch mehr solcher Dinger auf Lager hätte. Ich antwortete: 
„Die gehen mir auch in langer Seit nicht aus.“ „Gut“, meinte 
her Herr Hauptmann, „von heute ab trägst du jeden Tag einige 
Hedichte vor und holst die weiter täglich deine sechs Kreuzer“. 
Ich weiß eigentlich nicht, wie lange die Geschichte anhielt, aber 
eine ganze Keihe von Wochen muß das gewesen jein ...“ 
Im Kriege 18710 hatte Johann Heinrich Schreiner einen 
Nebenmann namens Geitz oder, wie er den Namen mundarktlich 
russprach: Gekz, eine etwas rauhe Haut. „Schmeiß sie auf den 
Kopf!“ das war einer seiner beĩi passender und unpassender Gelegen- 
eit gebrauchten Sätze. Doch mag unser alter Kannhinerch wieder 
elbst erzählen. „Gelangten wir da eines Tages nach Lafére (in 
dordfrankreich) und quartierten uns auf Puff selber ein. Bei dem 
zuchen nach einem recht guten Quartier bamen wir auch in ein 
zroßes Haus; alle darin waren vor den Prussiens ausgerissen. 
urückgeblieben fanden wir nur ein altes Mütterchen. Gar bald 
nerbte ich, daß es eine Jũdin war, und fragte sie dann auch direbt. 
zie bejahte lebhaft und erblärte sich bereit, uns aufzunehmen, 
oenn wir einen Quartierzettel vorweisen Lönnten. Das war aber 
jerade unjere wunde Stelle. Es entspann sich darüber eine lange 
Unterredung. Sie bat um den Quarktierzettel, und ich erklärte, 
ch wũrde sofort zum Kapitän gehen, wenn sie uns nicht aufnehme. 
Nein Freund Gebz war für burzen Prozeß. Immer wieder 
rummté er: „Schmeiß das alte Mensch auf den Kopfl“— Ich 
naußte ihn bedeuten, daß dazu gar beine Veranlassung vorliege. 
dun folgte eine sonderbare Wendung, die alte Frau verschwand 
uf einige Augenblicke, bLehrte aber bald zurück und brachte eine 
flajsche mit Kognab und zwei Gläser. Sie füllte diese und forderte 
ins wiederholt eindringlich zum Trinken auf. Es war uns streng 
erboten, eftwas zu genießen, da Vergiftungen vorgekommen waren. 
Vieder ließ sich Gekz vernehmen: „Schmeiß doch das alte Mensch 
iuf den Kopf, die will uns sicher vergiften.“ Ich machte der 
jranzõösin bemerblich, sie möge erst trinken, da wir annähmen, sie 
volle uns vergiften. Sie wehrte lange ab, indem sie uns begreif- 
ich zu machen suchte, sie werde leicht betrunben. Jetzt ging es 
ber wie Verstehen ũber ihr runzeliges Gesicht, sie nahm eins der 
ßläschen und leerte es bis auf den Grund. Nun haben wir dem 
juten Kognaß — und er war wirkblich vorzüglich — ordentlich 
ugesprochen, fanden auch bei der alten Frau Unterbunft. Diese 
vãrmte, während wir trankben, ihre Hände über einem offenen 
leinen Feuer im Kamin und redete mit sich selbst: „Kamerad 
Seit mischant (bõsartig), Kamerad Hari bon (gut). — Ein ander⸗ 
nal lagen wir in einem Quartier, in dem uns der Quartierwirt 
zlleich am ersten Tage klar machte, daß seine Betten vorzüglich 
eien. Er drückte eins der Sprungfederbetten nieder und ließ es 
dann wieder emporschnellen. Dazu bemerbte er: „bon. trebon 
gut, sehr gut)“. 
So erzählte der alte Kannhinerch wohl einige Dutzend Stücklein 
ius diesem Kriege. „Ich war“, sagte er wie entschuldigend, „der 
dermittler, weil ich Französijsch Lonnte. Das hatte ich von meinem 
Unteroffizier gelernt“ Kamerad Geitz aber spielte immer die 
Kolle des „wilden Mannes“, wie oben angedeutet. 
Außer den Kriegs- und Friedenserlebnissen waren es „Mären 
rus Tausend und eine Nacht“, die erzählt und immer wieder gern 
zehört wurden. 
Es bam dann ein Roman an die Reihe, in dem ein gewisser 
Zarl Schmidt eine ganz besondere Volle während des Beginnes 
ind Verlaufes des Siebenjährigen Krieges inne hat. Der alte 
5chreiner hatte sich das Buch irgendwo geborgt und war so 
egeistert von seinem Inhalte, daß er sich die ganze Geschichte 
ibschrieb. Oftmals mußte er den Inhalt dieses Romans erzählen. 
Und das geschah mit einem bewundernswürdigen Gedächtnis. 
Die Suhörer bebamen als Subost auch manchmal allerlei 
Sesãtzer (Erzãhlnisse) von ‚Wahnerdingern“ zu hören: Am Opfer⸗ 
trauch sei an Herbstabenden eine wabernde Laterne gesehen 
vorden; in dem und dem Hause im Dorfe spube es u. drgl. mehr. 
Es folgte auf so etwas allemal atemlose Stille, und manch 
inem der Zuhsörer hat sich an soslchem Abend, wenn er auf dem 
sachhauseweg ein etwas verdächtiges Geräusch hörte, die Behel 
Kappe) von selbst gehoben. 
Ja, der alte Schreiner war ein spannender Erzähler, aber 
zin näerscher Kerl insofern, als er aufs Wort alles das glaubte 
— was er gedruckt fand. Schw. 
Machdeuck nur nach re en mit dem —A gestattet. 
derausqeber: Konrad Berenecker. Deuch und Verlag: MA. Berenecher in Melsunger. 
Dieses humoristische Volkslied paßte sjo recht auf Baste Ewelath. 
Ihr Mann „zog sie schon beim ersten Laib Brot“, und weiter 
wuͤrde sie jeden Tag von ihm mörderlich verdowakt (verhauen). 
Daran gewöhnte sie sich so, daß sie nicht eher ruhte, bis sie ihr 
Fell vollkeiegte, und es geradezu darauf anstellte. Da fand diese 
Drescherei eines Tages ein jähes Ende. Auf der Wiese hatten 
Baste einen Wagen voll Heu geladen und der sollte gebunden 
werden. Der Heubaum wurde auf das höchste Geleg geschoben. 
und Baste Ewebath ihr Mann half drücken, damit der Wagen recht 
fest gebunden werde. In dem Nugenblick brach der Heubaum in 
der Mitte durch und Baste Ewebath ihr Mann fiel vom Wagen 
schnurstracks auf die Erde. Dabei hatte er das Genick gebrochen. 
Tot brachten ihn seine Frau, die Knechte und die Mägde nach 
Hause. Das gab einen großen Aufmarsch und ein Wordsrird 
(Durcheinander). Aber alle dicken Tränen, die vergossen, und 
alle tiefen Seufzer, die ausgestoßen wurden, machten den Mann 
nicht wieder lebendig. Er war und blieb tot und wurde bald 
begraben. Baste Ewelath trauerte rechtschaffen ein ganzes Jahr 
um ihn in tiefschwarzen Kleidern, wie das Sitte und Herkommen 
verlangten. Dann heiratete sie ihren jetzigen Mann. Hatte sie 
ihr erster menschlich und nach Noten verdroschen, so haute ihr dieser 
zweite das Fell ohne Noten und unmenschlich voll. Er sagte dann 
allemal bösartig und ingrimmig: „Dich brauch ich mal, wenn du 
gestorben bist, nicht in den Schwarzenbörner Teich zu tragen, damit du 
berfaulst (verwesest), wie das mancher Mann mit seiner Frau tun 
muß; denn du bijst schon bei lebendigem Leibe weich gebllopft worden.“ 
Schreiend fährt der Hobel ũber das Brett und speit dabei 
einen langen Hobelspan aus. Der das Werkzeug so gut zu führen 
weiß, das ist der Meister Johann Heinrich Schreiner. Drei Jahre 
war er in jeinen jungen Tagen Schreinerlehrling, und als Gejelle 
hat er dann mehrere Jahre „gewandert“. Diese Wanderung breuz 
uͤnd quer brachte ihn weit herum, und mancherlei bekam er auf 
ihr zu jsehen und zu hören. Dann folgte die Militärzeit. In 
Marburg mußte er sich stellen. Auf dem Marsche dahin machte 
er die „dreückende“ Wahrnehmung, was ein von fürsorglichen 
Eltern wohlgefüllter Gaͤrgesack (Sack, dessen beide zugenähte 
Enden von einem in seiner Mitte befindlichen Schlitz aus voll⸗ 
gestopft werden konnten — zuletzt nur noch bei Samenhändlern 
und Haarkäufern zu sehen) für den Träger zu bedeuten hat. 
Während der Kreiege 1866 und 1810 stand Johann Heinrich 
Schreiner beim Militär und kämpfte in diesen Feldzügen mit. Auf 
seinem Lebensweg ist ihm viel begegnet, von dem er nun erzählen 
kann. So weiß er von seinem Wanderleben manches lustige 
Stũchlein, das er erlebt und erlauscht hat, zu berichten. 
Auch der Krieg 1866 bietet ihm reichlich Stoff zum Erzählen. 
Halb hochdeutsch, halb in der Mundart erzählt er: Befehl, uns zu 
jtellen, hatten wir weiter nicht. Aber in meinem Militärpasse stand, 
daß ich mich auf alle Fälle 3 Tage nach der Mobilmachung ein. 
finden mũsse. Auf Umwegen, daß mich die Preußen, die schon 
im Hesjenlande waren, nicht erwischten, ging's über Alsfeld und 
Hanau nach Mainz. In Hanau wurde ich eingebleidet, auch viele 
andere fanden sich ein, und wir hatten, nachdem wir einexerziert 
waren, Vorstellung vor der Kurfürstin. Später bamen wir nach 
Mainz. Es läßt sich nicht sagen, was dort für ein langweiliges 
Leben herrschte. Wir halfen, wie wir später oft spottweise hören 
mußten, dem Kurfüũrsten das Land ver—trinken. Eines Tages 
irug ich so'n Ding (Gedicht) vor, auch unser Hauptmann 
) Eva Katharina. *) Johann Heinrich. 
Der alte Kannhinerch **).
	        
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